Im Licht der Horen. Petra E. Jörns. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra E. Jörns
Издательство: Bookwire
Серия: Im Licht der Horen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783948700072
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Nackenhaare sträubten sich. Ob wegen des blauen Leuchtens, das durch das Schott drang, oder Rileys Berührung, wusste sie nicht. Sie brauchte einen Augenblick, bevor sie es über sich brachte, ihm zu folgen.

      Riley stand in der Mitte des kleinen Raums. In der Mitte der Wand gegenüber lag der Zugang zu einem Wartungsschacht, links und rechts transparente Plastscheiben.

      Dee gruselte es bei dem Gedanken, diesen Schacht jemals betreten zu müssen. Das Schild, das darauf prangte, war wohl nicht ohne Grund angebracht: »Bryson-Strahlung! Todesgefahr! Max. eine Stunde mit Strahlungsschutzanzug.«

      Die Strahlung war das blaue Leuchten, das durch die Scheibe zur Rechten drang. Blau und gefährlich. Wie gebannt trat Dee näher, um das obere Ende des Fusionsreaktors zu betrachten, der sich an dieser Stelle durch den Kern des Schiffes bohrte.

      Riley trat hinter sie. »Ist es nicht immer wieder berauschend, wie schön der Tod sein kann?« Seine Stimme klang ehrfürchtig.

      Dee konnte seinen Atem in ihrem Nacken spüren. Zu nah. Viel zu nah.

      Wortlos trat sie an die andere Scheibe. Ein riesiger Tank befand sich dahinter, der von dem blauen Leuchten gespeist wurde und in einem überirdischen Licht schimmerte. Er war das Interface, mit dessen Hilfe der Pilot die Strings manipulierte, an denen das Schiff entlangglitt. Der Anblick war atemberaubend. »Ist sie das?«

      »Die erste Gelmatrix in einem Serienschiff. Ja, Ma’m. Ehrlich gesagt: Ich weiß nicht, ob ich den Piloten, der dieses Geschoss beherrschen will, beneiden oder bemitleiden soll.«

      Mit einem Mal stand Riley wieder so nah, dass Dee glaubte, seine Körperwärme fühlen zu können. Mit einem Ruck drehte sie sich zu Riley um.

      »Sie sollten hoffen, dass er es beherrschen kann. Sonst enden wir als Hackfleisch im All. Und ich rate Ihnen, künftig Abstand zu mir zu halten. Zwei Schritte. Verstanden?«

      Als habe sie ihn geschlagen, wich Riley zurück. »Es tut mir leid, wenn ich Ihnen zu nahe getreten bin, Ma’m. Nehmen Sie meine Entschuldigung an?«

      Kein guter Einstieg! »Akzeptiert«, hörte sie sich sagen. »Dieses eine Mal.«

      »Ich verspreche, dass es nicht wieder vorkommen wird.« Riley salutierte.

      »Das hoffe ich für Sie.« Ohne einen Gruß ließ Dee ihn stehen.

      »... und hier ist Ihre Kabine«, beendete Captain Coulthard den Schiffsrundgang. Mit einer Berührung des Bedienpanels öffnete sie das Schott und gab den Blick auf eine Kabine frei, für die die Bezeichnung Verschlag passender gewesen wäre.

      Dees Blick sah ihren Koffer, den jemand dort deponiert hatte, und das Stockbett, auf dem eine Frau saß. Gute Güte, sie musste die Kabine doch nicht etwa teilen?

      »Darf ich Ihnen Junior Lieutenant Nayiga vorstellen?« Coulthard deutete auf die dunkelhäutige Schönheit auf dem Bett.

      Elegant schob Nayiga ihre langen, schlanken Beine über den oberen Bettrand und ließ sich zu Boden gleiten. Schlanke Taille, beeindruckende Brust.

      »Und das ist Lieutenant Commander MacNiall«, setzte Coulthard die Vorstellungsrunde fort.

      »Ich freue mich, Sie kennenzulernen.« Nayigas Stimme war ein samtiger Alt. Mit einem Lächeln bot sie Dee die Hand. »Ich habe Ihnen aufgrund Ihres Ranges und Ihres Alters selbstverständlich das untere Bett überlassen.« Eine Reihe ebenmäßiger weißer Zähne wurde sichtbar, als sie lächelte. Die schwarzen Haare waren im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

      Dee schüttelte die angebotene Hand. Sie war nicht alt!

      »Entschuldigen Sie mich.« Coulthard deutete ein Nicken an, bevor sie sich entfernte. »Einsatzbesprechung ist um sechzehn fünfzehn.«

      Nayiga lächelte noch etwas breiter. »Ich lasse Sie am besten allein, damit Sie sich in Ruhe umziehen und frisch machen können.«

      Sie musste sich nicht frisch machen! Aber Hauptsache, die Andere verschwand endlich. Trotzdem sagte sie: »Danke.«

      Immer noch lächelnd überließ Nayiga ihr die Kabine. Das Schott schloss sich hinter ihr. Dee war allein. Endlich. Mit einem Seufzen ließ sie sich auf das untere Bett sinken.

      Wunderbar! Nayiga war genau die Art von Frau, auf die Paul flog. Große Brüste, wohl gerundete Körperformen, lange Haare und einen guten Kopf kleiner als Dee. Sexy. Nicht so langweilig und knabenhaft wie sie.

      »Vergiss ihn«, rief sie sich einmal mehr Siobhans Worte in Erinnerung. Ihre Schwägerin und beste Freundin hatte recht. Es gab wichtigere Dinge, auf die sich jetzt konzentrieren musste.

      Sie war auf diesem Schiff. Weil sie die meiste Erfahrung mit der neuen Gelmatrix mit sich brachte. Weil sie bei ihrer Erforschung und Entwicklung mitgearbeitet hatte.

      Weil sie etwas Besonderes war.

      So besonders wie dieser Pilot, der dazu in der Lage war, dieses Geschoss zu fliegen.

      Mutanten eben.

      Sie konnten von Glück reden, dass der Senat die Angst vor den Mutanten nicht wie die Erdregierung schürte. Dabei lagen die Mutantenkriege auf der Erde bereits Jahrhunderte zurück – und auch in den Kolonien gab es einen guten Grund, die Mutanten zu fürchten. Dafür sorgten die terroristischen Aktivitäten der Untergrundbewegung. Da konnte selbst sie als Klasse-fünf-Mutantin froh sein, dass der Senat Mutanten nicht internierte und auslöschte – wie die Erdregierung das einst getan hatte.

      Oder gab sich der Senat nur deshalb so liberal, weil die Koloniale Flotte neuerdings auf Gelmatrizen setzte, statt auf die herkömmlichen bioneuronalen Sprunginterfaces der Erdflottenschiffe, die jeder ausgebildete Nichtmutant bedienen und warten konnte? Die Gelmatrix konnte nur durch Mutanten manipuliert und gewartet werden.

      Nun gut. Wenn der Senat die Mutanten nur deshalb brauchte, um den Krieg zu gewinnen – umso besser! Dann würde sie ihnen zeigen, dass sie recht daran taten. Bevor vielleicht doch irgendjemand auf den Gedanken kam, die Mutanten einem Friedensabkommen mit der Erdregierung zu opfern.

      »Unsere Mission hat sich geändert.« Coulthard blickte sich im Konferenzraum um, als wolle sie sich vergewissern, dass ihr alle Anwesenden zuhörten. Sie hätte die Einsatzbesprechung nicht effektiver beginnen können.

      »Aber ...«, wandte der Erste Offizier De Sutton, der rechts neben Coulthard saß, mit gerunzelter Stirn ein.

      Kurz hatte Dee die Vision des Juraprofessors der Akademie, der mit blasierter Miene eine Litanei von möglichen Bedenken gegen eine abweichende Auslegung der Flottenstatuten deklamierte. Genau wie bei diesem Juraprofessor, prägte De Suttons Gesicht ein sauber getrimmter Vollbart. Nur war De Suttons Bart dunkelbraun, nicht grau überhaucht wie der des Professors damals.

      Auf Coulthards missbilligenden Blick glättete sich De Suttons Stirn, sein Gesichtsausdruck wurde hochnäsig. »Ma’m, mit Verlaub. Ich muss Sie daran erinnern, dass unser Schiff bisher nicht erprobt wurde und zudem mit einer unerfahrenen Crew bestückt ist. Es wäre ausgesprochen waghalsig ...«

      »Ich bin über diese Fakten sehr wohl im Bilde«, erwiderte Coulthard. »Nichtsdestotrotz werden wir mit sofortiger Wirkung von der Admiralität einberufen, um einen Kurierdienst von höchster Priorität zu übernehmen.«

      De Sutton runzelte nun doch wieder die Stirn. »Gemäß Paragraf acht der Einsatzstatuten darf ein Prototyp nicht für Kurierdienste der obersten Priorität eingesetzt werden. Es wäre natürlich zu diskutieren, ob das erste Schiff einer geplanten Serie als Prototyp zu werten ist. Nichtsdestotrotz müsste zuerst überprüft werden, ob alle Crewmitglieder die entsprechende Freigabe besitzen.«

      »Zur Kenntnis genommen, De Sutton. Dann erledigen Sie das. – Watanabe!« Ohne weitere Umschweife wandte Coulthard sich dem Leiter der Einsatztruppen neben Dee zu.

      »Sir?« Der große Japaner hatte bisher keine Miene verzogen. Dee war sicher, seinen Namen im Zusammenhang mit einer Tapferkeitsmedaille gehört zu haben. Sie wunderte sich, dass Watanabe trotz seines Alters immer noch Lieutenant war. Entweder war er geschickt