„Ich wollte mich ohnehin in den nächsten Tagen in Rom sehen lassen.“
„Nichts da! Du wirst sofort gebraucht!“
„Das ist wirklich eilig.“
„Komm her! Ich kann dir am Telefon nicht den Grund sagen. Aber es ist Feuer in der Hütte des Apostel Petrus.“
„Gib mir ein Stichwort.“
„Es geht um ein sehr peinliches Geheimnis des Vatikans!“
„Noch ein Geheimnis? Wie viele schmutzige Geschichten hat denn der Vatikan am Tiberstrand verbuddelt?“
„Spricht man so zu einem Kammerherrn des Vatikans? Ich erwarte dich morgen Abend.“
„Schade, dass ihr Italiener keinen Danton hattet!“
„Du kommst?“
„Ja doch!“
Spencer stupste mich an, so andeutend, dass er damit einverstanden war.
Als ich am Morgen aus meinem Schlafzimmer trat, das hinter meinem Büro lag, war Iphigenie Alexios bereits bei der Arbeit. Sie war der Ava-Gardner-Typ, wenn Sie sich darunter etwas vorstellen können. So schön, dass die Griechen noch einmal nach Troja gezogen wären, wenn ein liederlicher Lümmel wie Paris sie entführt hätte. Sie war groß gewachsen, mit schmaler Taille und dunklem, langem Haar, das sie als Zopf trug, und Augen so dunkel wie Achat.
„Ein Rasseweib!“, hatte Prätorius geschwärmt. „Wie kannst du mit einer solchen Frau ernsthaft arbeiten?“
Ich konnte es. Sie hatte einen Vater, den es aus den Bergen Makedoniens nach Deutschland verschlagen hatte, außerdem drei Brüder, die auch ihre Wildheit noch nicht abgelegt hatten. Wer versuchte, etwas mit ihr anzufangen, würde sie heiraten müssen. Zudem waren Maja und sie die besten Freundinnen. Nur ein falsches Wort und ihre Augen sprühten Funken.
„Ich muss nach Rom“, sagte ich nun und nahm von ihr die Tasse Kaffee entgegen. Spencer bekam bereits ein Kotelett.
„Dachte ich mir. Ich habe den Anrufbeantworter abgehört. Majas Bruder hat auch schon angerufen.“
Ich schnappte mir das Telefon und rief Marcello an.
„Was ist los? Ganz Rom schreit nach mir?“
„Es gibt in der Stadt die wildesten Gerüchte. Ein wichtiges Dokument, das die Existenz des Vatikans begründet, sei verschwunden. Was Genaues weiß man nicht. Mich rief ein Kardinal Wischnewski an, der wissen wollte, wann du wieder in Rom bist. Du musst in den heiligen Hallen des Vatikans einen Ruf wie Donnerhall haben.“
Wir waren mehr als Geschäftspartner, wir waren wie siamesische Zwillinge. Er war zwar mehr der Analytiker vom Schreibtisch her und konnte messerscharf kombinieren. Castor und Pollux hatte uns Maja genannt. Selbst mein Zerwürfnis mit ihr hatte er nur mit den Worten kommentiert: „Macht das unter euch aus und bringt es auf die Reihe!“
„Dieser Kardinal scheint sehr umtriebig zu sein. Er hat bei Prätorius anrufen lassen und Fürst Mazarini hat mich heute Nacht nach Rom zitiert. Du kennst ja die rigorose Art des italienischen Hochadels.“
„Und wann kommst du?“
„Ich denke, heute Abend.“
„Na schön. Wenn es uns reicher macht. Bis dann also! Ach übrigens, ich werde Maja sagen, dass du wieder im Land bist. Vielleicht hilft es.“
Es knackte.
„Flugzeug, Bahn oder TR6?“, fragte Iphigenie.
Spencer stupste mich an und sah erwartungsvoll zu mir hoch.
„Seine Herrlichkeit, der Hund, will mitgenommen werden. Spencer verlangt, dass wir mit dem Auto fahren.“
„Aber nicht ohne Frühstück“, sagte sie streng. „Ich habe in der Küche schon etwas für dich zurechtgemacht.“
„Ich habe keinen Hunger.“
„Habt ihr gestern wieder zugeschlagen?“
„Ein wenig“, gab ich zu. „Du weißt doch, wie das mit Dieter Prätorius immer endet.“
Das Frühstück konnte auch im Atlantic nicht besser sein. Sie hatte einen Korb mit Brötchen, eine Käseplatte sowie Mett- und Leberwurst hingestellt, dazu englische Marmelade.
„Dann halte mir mal schön die Stellung!“, sagte ich ihr beim Abschied.
„Keine Sorge. Was hier an Kleinkram anliegt, kann ich auch ganz gut ohne dich erledigen.“
In der Tat konnte sie das. Einst hatte ich sie für meine Büroarbeit engagiert, aber mittlerweile war sie so etwas wie meine rechte Hand geworden. In Fällen, bei denen es um Fremdgänger ging, war sie unschlagbar. Sie konnte kombinieren wie Sherlock Holmes und war einfühlsam wie eine Scheherezade aus Tausendundeiner Nacht.
„Wenn du mich in Rom brauchst, komme ich gern mit“, bot sie an. „Maja würde sich bestimmt freuen!“
Das hätte mir gerade noch gefehlt. Das würde bedeuten, dass sie mich von zwei Seiten unter Feuer nehmen würden.
„Grüß Maja und sage ihr, dass ein gewisser Ermittler langsam verwildert, wenn sie nicht bald zurückkommt.“
„Den Teufel werde ich!“, knurrte ich.
Spencer verriet mich, indem er mich anbellte.
Ich holte meinen Triumph aus der Garage. Spencer hopste auf den Beifahrersitz und sah mich an, als wolle er sagen: „Nun kann es losgehen. Mach schon!“
Bis zum Brenner war das Wetter genauso wie in Hamburg. Bei Bozen konnte ich endlich das Verdeck runterklappen und Spencer genoss es, seinen Kopf in den Wind zu halten. Bei Florenz aß ich in einer Raststätte einen Teller Spaghetti Carbonara. Spencer bekam ein Kotelett. Er war ein sehr anspruchsvoller Hund. Als ich in Rom einfuhr, ging die Sonne gerade unter. Am Himmel blieb noch ein roter Lichtstreifen. Die Luft war warm und samtig. Ich fuhr über die Piazza del Popolo den Corso hinunter bis zum Kolosseum und dann zurück in die Via del Babuino. Wir hatten in einer Seitenstraße für mich eine Garage gemietet. Marcello fuhr ohnehin nur Vespa. Oben in unserem Büro gegenüber dem Café Canova brannte noch Licht. Aber ich ging weiter bis zur Spanischen Treppe, wo der Palazzo des Fürsten Mazarini stand. Ein rotgelber langgestreckter Bau aus der Barockzeit. Vor dem Palast standen zwei Kutschen, die für Touristen eine Fahrt durch das nächtliche Rom anboten. Sein Diener – wir kannten uns seit meinem ersten Romaufenthalt – begrüßte mich freudig.
„Seine Exzellenz, der Fürst, erwartet Sie schon.“
Er führte mich durch die prächtige Halle durch noch prächtigere Säle und schließlich zur gemütlichen Bibliothek, in der kostbare, in rotes Leder gebundene Bücher aus fünf Jahrhunderten in den Regalen standen.
Vor dem Kamin saßen zwei Männer, die sehr verschieden aussahen. Mein Freund, der Fürst Mazarini, hatte ein vornehmes, durchgeistigtes Gesicht mit einer scharfen Nase und gütigen braunen Augen. Der andere Mann hatte eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Cary Grant.
„Da bist du ja!“, begrüßte mich der Fürst, stand auf, umarmte mich und küsste mir die Wangen. „Du bist wieder mit deinem verrückten Auto gefahren?“ Er sah auf den Hund. „Wegen dieses Ungeheuers, nicht wahr?“
Spencer knurrte.
„Darf ich dir Seine Eminenz Kardinal Wischnewski vorstellen? Er hat das Vatikan-Archiv unter sich und ist außerdem in Personalunion für die Sicherheit des Papstes verantwortlich. Ihm unterstehen die Schweizergarde und die Vatikanpolizei. Der Heilige Vater und er kennen sich aus Krakau. Ach ja, soll ich dir etwas zu essen bestellen?“
„Ein Sandwich wäre nicht schlecht.“
„Was möchtest du trinken? Wir führen uns gerade einen Chianti von meinem Gut bei Volterra zu Gemüte.“
„Erst