Tod in Rothenburg. Barbara Edelmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Barbara Edelmann
Издательство: Bookwire
Серия: Franken Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960416791
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»Die Scheidung des Opfers vom Ex-Mann Karsten Kaiser fand vor zweieinhalb Jahren statt, er hat sich verpflichtet, freiwillig zwei Jahre lang monatliche Unterhaltszahlungen in Höhe von dreitausendfünfhundert Euro an Sandra Kaiser zu leisten.«

      »Ich sollte heiraten. Dringend.« Dodo zupfte mit spitzen Fingern eine Erdbeere aus der Schale zu ihren Füßen.

      »Wie vereinbart hat der Ex-Mann die Zahlungen vor sechs Monaten eingestellt, also brauchte sie einen neuen Kerl«, überlegte Kurti. »Was zur Hölle hat die mit all ihrem Geld gemacht?«

      »Hast du eigentlich eine Ahnung, wie viel eine anständige Handtasche kostet?«, fragte ihn Dodo. »Für den Preis deines Fahrrads bekommt man gerade mal zwei Shopper von Prada.«

      »Snob«, flüsterte Kurti belustigt.

      »Ökofreak«, zischte Dodo.

      »Herrschaften, behalten Sie Ihre Animositäten für sich und bleiben Sie sachlich«, sagte Hübner gereizt. »Je schneller Sie sich aneinander gewöhnen, umso besser. Ich bin sicher, Sie beide ergänzen sich hervorragend, bin mal gespannt, wann Ihnen das endlich bewusst wird. Herr Waltner?« Auffordernd blickte er Peter an.

      »Einen Teil der E-Mail-Korrespondenz zwischen Frau Kaiser und ihrem Ex-Mann habe ich bereits ausgedruckt. Ich werde später noch versuchen, eventuell bereits Gelöschtes auszugraben. Mit ein wenig Glück bekomme ich das hin.« Peter drückte Hübner einen Stapel Papiere in die Hand. »Die Mails bestehen hauptsächlich aus der Korrespondenz mit dem Ex, aber es sind auch Mahnungen dabei.«

      »Und das soll ich jetzt lesen?« Hübner musste wieder niesen.

      »Nur die markierten Stellen. Ich bin fertig.« Peter verschwand aufatmend wieder auf seinem Platz und wünschte sich weit weg. Oder wenigstens ins Homeoffice, aber der Chef hatte diesen Vorschlag abgelehnt, ohne überhaupt darüber nachzudenken.

      »Starker Tobak.« Hübner überflog mit gerunzelter Stirn einige der ausgedruckten Blätter. »Er droht ganz offen damit, ihr den Hals umzudrehen. Voggel und Haug, Sie fahren nach Würzburg und reden mit diesem charmanten Herrn, aber zuerst kümmern Sie sich um den Hautarzt. Die schwere Körperverletzung von gestern Nachmittag, die eigentlich Sie hätten erledigen sollen, gebe ich Hoffmann und Eisenberg. Und, Frau Haug …«

      »Ja, Chef?« Dodo ließ ertappt das Erdbeerkörbchen los.

      »Dr. Wilbold sitzt im Stadtrat. Vielleicht sollten Sie in diesem speziellen Fall Ihren durchaus vorhandenen Charme nicht nur in homöopathischer Dosierung anwenden. Also schlucken Sie bitte außer diesen ungewaschenen Erdbeeren auch Ihre flapsigen Bemerkungen runter. Voggel wird Sie dabei unterstützen. Ich habe mir sagen lassen, er kommt mit den schwierigsten Persönlichkeiten klar. Damit meine ich natürlich ausdrücklich nicht Sie.« Wieder wurde im Hintergrund Kichern laut.

      »Habe ich auch nicht angenommen, Chef.« Dodo unterdrückte verstohlen ein Gähnen.

      »Ruhen Sie sich nur nicht auf Ihren guten Aufklärungsquoten aus«, brummte Hübner. »Was ist das?« Mitleidlos zeigte er auf Dodos rotes Kleid, auf dessen Rock inzwischen ein dunkler Erdbeerfleck prangte.

      »Raus mit Ihnen«, sagte er dann lächelnd. »Herr Voggel, kaufen Sie Ihrer Kollegin was Richtiges zu essen. In Ihrem eigenen Interesse. Sonst werden Sie sie kennenlernen.«

      Montagmorgen, Rothenburg ob der Tauber

      »Mama, hast du kurz Zeit?« Sehnsüchtig schielte Dodo auf die Kühlvitrine, in der sich auch heute wieder cremige Sahnetorten und dick belegte Obstkuchen türmten. Im Café »Mund-Art« nahe der Jakobskirche in Rothenburg herrschte an diesem herrlichen Montagmorgen noch nicht allzu viel Betrieb. Hell schien die Junisonne auf blank polierte Holzbohlen, zauberte Kringel auf die liebevoll drapierten antiken Küchengeräte an den Wänden und verwandelte den großen Raum in eine lichtdurchflutete Wohlfühloase. Vier chinesische Touristinnen an einem Ecktisch verglichen gerade kichernd Fotos auf ihren Mobiltelefonen. Auf der gepolsterten Bank neben dem Eingang saßen ein paar Damen in mittleren Jahren bei einem Kaffee, zu ihren Füßen mit Obst und Gemüse gefüllte Einkaufskörbe.

      »Bist du nicht gerade im Dienst?« Brigitte Haug, eine drahtige Frau Anfang sechzig mit einem frisch gefärbten Kurzhaarschnitt in einem Farbton, der von Friseuren gern »Kastanie« genannt wird, aber im Tageslicht gelegentlich wie »Waldbrand« aussieht, stemmte die Arme in die Hüften und musterte Dodo argwöhnisch.

      »Stell dich nicht so nahe neben den Kuchen«, warnte sie ihre Tochter. »Jedes Mal, wenn du mich besuchst, verschwindet was auf geheimnisvolle Weise.«

      »Mama, das ist vermutlich irgendeine Essstörung, da kann ich nichts dafür. Wärst du so lieb?« Dodo überreichte ihrer Mutter mit ungerührter Miene einen vollen schwarzen Plastiksack.

      »Bekomme ich jetzt endlich all das Geld zurück, das ich dir geliehen habe?«, wollte Brigitte lachend wissen und öffnete den riesigen Beutel. »Schmutzwäsche? Lass mich raten: Du hast den Schlüssel für deine Waschmaschine verloren.«

      »Die schleudert nicht mehr, und ich hab nichts anzuziehen außer meinen guten Sachen«, rechtfertigte sich Dodo. »Wie geht es eigentlich deinen Katzen? Alle gesund und munter? Oder ist vielleicht eine gestorben? Simba sah nicht so gut aus bei meinem letzten Besuch.«

      »Denen geht es bestens.« Brigitte Haug horchte auf. »Warum? Und was soll dieses Pflaster auf deinem Arm?«

      »Beim Rasieren geschnitten. Mama, keine Fragen bitte, ich habe einen dringenden Fall.«

      »Wissen wir.« Brigitte wandte sich an Kurti. »Schön, Sie zu sehen. Was ist mit Ihrer Wange? Auch beim Rasieren geschnitten?«

      »Ihre Tochter war mit meinem Outfit nicht einverstanden«, antwortete Kurti grinsend. »Nein, kleiner Scherz.«

      »Ihr kennt euch?« Dodo schaute von einem zum anderen. »Und was heißt: ›Wissen wir‹? Wo ist er?«

      »An seinem Stammplatz natürlich.« Brigitte wies auf das Tor zum gepflasterten Innenhof, wo inmitten quadratisch angeordneter Fachwerkfassaden eine Armada von Kübelpflanzen versuchte, die Junisonne einzufangen.

      »War nett neulich.« Brigitte zwinkerte Kurti zu.

      »Nett?«, wiederholte Dodo. »Was geht hier hinter meinem Rücken vor?«

      »Wir bewegen uns eben beide gern«, klärte Brigitte ihre Tochter auf. »Aber wenn man wie du immer nur vom Parkplatz bis zum Tresen einer Bar stolziert und dann ständig jammert, dass man abnehmen muss …«

      »Du meinst, ich soll zum Abnehmen Gymnastik machen, so was wie Liegestütze und Sit-ups?«, fragte Dodo säuerlich.

      »Es wäre schon genug Bewegung, den Kopf zu schütteln, wenn dir jemand Kuchen anbietet.« Ihre Mutter lachte. »Kurti und ich sind im selben Chi-Gong-Kurs, mehr nicht. Und jetzt hat man Sie meiner Tochter zugeteilt? Seien Sie vorsichtig, mein Lieber. Schatz, setz dich mit ihm nach draußen«, wandte sie sich an Dodo. »Ich bringe euch Kaffee, für eine Tasse ist sicher noch Zeit. Kurti, ein Stück Käsesahne?«

      »Nein danke, Brigitte«, lehnte er ab. »Diese Woche keine Kohlenhydrate.«

      »Ich würde ein Stück nehmen, Mama.« Dodo warf ihrer Mutter einen bittenden Blick zu. Brigitte verschwand wortlos hinter dem Kaffeeautomaten und stellte ein Tablett bereit.

      »Komm mit«, forderte Dodo ihren neuen Kollegen auf. »Dauert nicht lange.«

      »Guten Morgen, die Herrschaften.« Wolfgang Geißler, seines Zeichens Kriminaloberrat im Ruhestand, der bei einem Cappuccino über der Tageszeitung gebrütet hatte, stand auf und deutete höflich eine kleine Verbeugung an. »Sie werden mit jedem Tag hübscher, Frau Haug. Nehmen Sie Platz«, bat er.

      »Endlich hat es jemand bemerkt. Danke.« Dodo setzte sich neben ihn auf eine weiße schmiedeeiserne Bank mit feuerroten Polstern. »Ich gehe davon aus, Sie wissen Bescheid.«

      Wolfgang Geißler nickte gelassen.

      »Selbstverständlich.«

      Dodo seufzte. Der