Offen sein für einen neuen Ansatz
Um das sexuelle Erleben befriedigender zu gestalten, wäre es im Allgemeinen für die Frau besser, den „orgasmischen Ansatz“ zu wählen – Orgasmus als eine andauernde Befindlichkeit während des sexuellen Austausches –, statt hinter dem Höhepunkt des Gipfelorgasmus her zu sein. Dieser Ansatz hängt sehr stark von der Bereitschaft ab, zu entspannen und der eigenen femininen Empfänglichkeit zu vertrauen. Statt etwas auf die Reihe kriegen zu wollen, kannst du einfach da sein und empfangen. Durch die Vagina nimmst du die Energie auf und absorbierst sie tief im Zentrum deines Körpers. Das passiert auf ganz natürliche Weise, wenn du einmal ein Gefühl dafür bekommen hast.
Alle einzelnen Elemente des Sex sind vorhanden, aber in einer völlig anderen Zusammensetzung. Den größten Unterschied macht dabei die innere Haltung und Bewusstheit der Frau sowie ihre Bereitschaft, mit ihrem wahren Selbst in Berührung zu kommen. Das setzt ein tiefes Verständnis für den Körper voraus, aber auch den Mut, die innere weibliche Seinsqualität anzuerkennen und zum Ausdruck zu bringen. Die meisten Frauen assoziieren Orgasmus mit der Klitoris, aber eigentlich spielt die Vagina eine viel zentralere Rolle für ihr orgasmisches Erleben. Ein wachsendes Verständnis darüber kann Frauen dazu veranlassen, ihre Erfahrungen mit dem klitoralen Orgasmus völlig neu zu bewerten, wenn sie beim Erforschen ihres orgasmischen Potenzials weiter voranschreiten. (Im 6. und 7. Kapitel werden wir das Thema Vagina bzw. Klitoris ausführlicher behandeln.)
Auch hier gilt: Wenn ich eine andere Annäherungsweise an den Orgasmus empfehle, tue ich dies, um Möglichkeiten aufzuzeigen, dein Spektrum befriedigender sexueller Erfahrung zu erweitern. Ich habe überhaupt nicht die Absicht, dich im dualistischen Denken zu bestärken und zwischen Gipfeln und Tälern oder zwischen Tun und Sein zu unterscheiden. In Wirklichkeit kann das eine ohne das andere nicht existieren, darum ist jede Trennung falsch. Sämtliche Zwischenstufen und wonnevollen Varianten, die diese beiden verbinden, sind mit eingeschlossen.
Mir ist es wichtig, Wahlmöglichkeiten aufzuzeigen.
Ich möchte dich dazu einladen, über deine Erfahrungen zu reflektieren, jetzt, wo du neue Informationen bekommen hast, sodass du herausfinden kannst, was für dich sinnvoll ist. Bei meinem Ansatz geht es in erster Linie darum, sich in einen orgasmischen Seinszustand zu entspannen, statt mit Mühe einen Orgasmus zu suchen.
Und: Verurteile dich nicht für dein „Versagen“, Orgasmen zu haben oder die „falsche“ Art von Orgasmus zu haben. Im Sex gibt es kein Falsch oder Richtig, du brauchst es niemandem recht zu machen, außer dir selbst. Vielleicht verstehst du nach einigem Reflektieren, dass du es dir bisher einfach nicht erlaubt hast, beim Sex nach innen zu gehen, um dich von innen her zu spüren und herauszufinden, was dir wirklich gut tut. Vielleicht erkennst du, dass du dich beim Sex enorm angestrengt hast, Erfolg zu haben – so als müsstest du in einem Theaterstück auftreten oder eine Prüfung ablegen! Vielleicht entdeckst du aber auch, dass du mit deinem Sexleben im Grunde ganz zufrieden bist, und findest den Gedanken, eine neue Methode auszuprobieren, anregend und es spricht deine Abenteuerlust an. Ich hoffe aufrichtig, dass die Einsichten, die du über dich selbst gewinnst, wenn du nach innen schaust, deine Perspektive verändern und es dir möglich ist, deine Erfahrungen zu erweitern.
Entspannung und Anspannung
Entspannung ist immer der Schlüssel, um eine Erfahrung zu intensivieren, darum geht Entspannung auch Hand in Hand mit einem befriedigenderen Orgasmus. Sämtliche Arten von Orgasmus, ob Gipfel oder Tal, können durch Entspannung nur gewinnen. Jedes auch noch so kurze Entspannen eines Körperteils begünstigt die Energieausdehnung, die jedem Orgasmus und jedem erhöhten Erleben vorausgeht; es führt spontan zu erhöhter Aufmerksamkeit, körperlicher Sensibilität und psychischer Offenheit. Darüber hinaus lädt Entspannung gerade jene Energiequalitäten ein, die der weiblichen Energie entsprechen.
Vor allem für die Frau ist Entspannung wesentlich, weil sie zunächst ein Umschalten vom männlich-aktiven, nach außen gerichteten Modus, der beim gewöhnlichen Orgasmus gefragt ist, in den feinfühligeren, weiblich-rezeptiven Modus ermöglicht. Der orgasmische Zustand ebenso wie jeder durch Entspannen hervorgerufene Orgasmus bezieht die tief verwurzelten, weiblichen Energien der Frau mit ein. Erst dadurch kann der Orgasmus für die Frau zu einer total erfüllenden Erfahrung werden. Das ist ein wichtiger Punkt, den du beachten solltest, wenn du dir noch nicht sicher bist, ob du dich darauf einlassen möchtest, neue sexuelle Erfahrungen zu machen. Selbstverständlich können Gipfelorgasmen uns ein fantastisches Gefühl vermitteln, aber sie bewegen uns nur selten wirklich tief. Im Grunde fühlen wir uns dabei kaum in unserem Wesen berührt.
Falls du unschlüssig bist etwas Neues auszuprobieren, das du noch nicht kennst, denke daran: Sex ist mehr als nur die Kerzen auf einer Torte – sie können jeden Moment ausgeblasen werden! Und dabei soll man auch nicht vergessen, dass zahllose Frauen Probleme mit dem üblichen Gipfelorgasmus haben, auch wenn ihre Kerzen auf recht angenehme Weise ausgeblasen werden. Selbst mit den besten Absichten ist es nicht immer möglich, beim gewöhnlichen Sex eine ausreichend hohe sexuelle Spannung aufzubauen, um einen tiefen bzw. länger anhaltenden Höhepunkt herbeizuführen. In unserem eifrigen Bemühen zu „kommen“ werden die Bewegungen immer schneller, härter, aber auch unbewusster und aggressiver, sodass mit jeder Bewegung, die wir machen, unsere Empfindsamkeit abnimmt.
Die körperliche Anspannung, die mit dem zielorientierten Ansteuern des Gipfelorgasmus verbunden ist, wird noch verstärkt durch mentalen und emotionalen Stress, den wir uns über den Orgasmus machen, bevor wir überhaupt mit dem Sex loslegen. Unter Druck erhöht sich diese Anspannung, und leider haben die meisten Frauen das Gefühl, sie müssten – auch dem Mann zuliebe – einen Orgasmus haben.
Der Mann genießt die Momente so sehr, wenn die Frau kommt, dass er alles daransetzt, dass es passiert. Einmal, weil er ihr einfach gerne Lust verschafft, aber auf der anderen Seite spielt dabei auch sein Ego eine wichtige Rolle. Wenn der Mann seine Frau beim Orgasmus erlebt, fühlt er sich als guter Liebhaber bestätigt.
Das sollte man als Frau nicht vergessen – wir werden uns in einem späteren Kapitel noch mehr damit befassen. Es ist einfach gut, sich vor Augen zu halten, dass viele Männer sehr damit identifiziert (und geradezu danach süchtig) sind, die Erregung der Frau bis zum Orgasmus zu steigern – sofern diese in der glücklichen Lage ist, einen zu bekommen!
Das erinnert mich an eine Situation während eines Seminars, als nach ein paar Tagen des Experimentierens eine Frau freudig verkündete, mit dem üblichen Orgasmus sei sie jetzt fertig und könne ihm überhaupt nichts mehr abgewinnen. Und eigentlich ginge es ihr ohne Orgasmus ohnehin viel besser. (Solche und ähnliche Worte habe ich schon von mehr Frauen zu hören bekommen, als ich zählen kann.) Zum größten Erstaunen der Frau nahm ihr Liebhaber diese Worte sehr persönlich und reagierte mit Rückzug und brütendem Schweigen. Er hatte die Erkenntnis seiner Frau als persönliche Beleidigung aufgenommen – die Botschaft war, dass er nicht gut sei, weil er sie nicht befriedigen konnte. Außerdem empfand er es als Bedrohung, dass sie vielleicht nie wieder in der gewohnten Weise Sex mit ihm haben würde, dass sie nie mehr Gipfelorgasmen für ihn oder für sie beide wollte. Vielleicht würde er seinen üblichen Habitus aufgeben müssen.
Den Widerstand des Partners überwinden
Mache dich darauf gefasst, dass es hier und da Proteste von Seiten des Mannes geben wird, aber lass dich dadurch nicht beirren. Versuche das Erforschen neuer Wege im Sex nicht allzu ernst zu nehmen – entwickle einen Sinn für Humor! Sieh dich eher als Abenteurerin und widerstehe der Versuchung,