Zwei Männer, deren Hautfarbe dunkel wie Ebenholz war, machten sich jetzt an der Vertäuung zu schaffen, dann ließen sie die Beiboote zu Wasser. Nur Minuten später waren achtzehn Bewaffnete an Bord. Ihr Ziel war die Salome, ein mittelgroßer Frachter, der auf dem Weg in den Mittleren Osten war. Ein Komplize, der in Mogadischu Zugriff zum Internet hatte, hatte ihnen einen Tipp gegeben und der Anführer der Piraten hatte daraufhin beschlossen, dass das Schiff ein geeignetes Ziel war.
Die Salome gehörte einer prominenten israelischen Firma, die in den meisten europäischen Häfen Büros unterhielt, was sie zu einem exzellenten Adressaten für Lösegeldforderungen machte. Die Fracht allein war schon mehrere Millionen wert, vielleicht sogar über zehn, sodass man garantiert eine niedrige siebenstellige Summe erwarten konnte. Das würde einen stattlichen Lohn ergeben, auch noch, nachdem die Hintermänner bezahlt worden waren. Inzwischen konnte man die Piraterie schon fast als boomende Branche bezeichnen, und deshalb hatten Informationen mittlerweile auch ihren Preis. Jetzt erwachten die kraftvollen Außenbordmotoren röhrend zum Leben und wenige Minuten später durchschnitten die Boote die Wellen, auf direktem Abfangkurs zur Salome, die nichts von der Bedrohung, die sich ihr von Süden her näherte, ahnte.
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»Verdammt! Zwei Fremdkörper haben sich von dem Fischkutter abgekoppelt und halten jetzt direkt auf uns zu«, sagte der Wachmann, wobei sein Blick den Lichtpunkten auf dem Radarschirm folgte.
»Wie schnell?«, fragte Barry, der hastig aufstand und dabei bemerkte, wie sich sein Herzschlag angesichts des drohenden Angriffs beschleunigte. Der Himmel begann gerade erst, von zarten roten und orangefarbenen Bändern erhellt zu werden, während die Sonne sich über den Horizont kämpfte. Normalerweise würde es ein weiterer, wunderschöner Sonnenaufgang auf See werden, doch die näherkommenden Schnellboote stellten ihn in den Schatten.
»Ziemlich schnell. Mindestens fünfundzwanzig Knoten. Sie bewegen sich im rechten Winkel auf unsere Position zu, also werden sie uns in ein paar Minuten erreicht haben. Das Fischerboot ist auch nur noch wenige Meilen entfernt; den Rest können Sie sich also selbst ausrechnen.«
»Jemand muss Ari aufwecken. Ich gehe derweil runter aufs Deck, um eine gute Schussposition einzunehmen. Ich werde nicht warten, bis sie in Reichweite sind. Ab sechshundert Metern Entfernung fange ich an, zu schießen. Das sollte reichen, um sie in die Flucht zu schlagen«, erklärte Barry, während er sich sein Gewehr schnappte.
»Alles klar, ich kümmere mich um Ari«, sagte der Maat, als er sich aus seinem Drehstuhl erhob und ihm folgte. »Ich wecke besser auch mal den Captain.«
Sobald sie die Treppe erreicht hatten, räusperte sich der Maat. »Warum schießen Sie denn nicht von hier oben aus? Ist das nicht die bessere Position? Ich meine, vom höchstmöglichen Punkt aus?«
»Es geht mir dabei um die Flexibilität. Ich möchte in der Lage sein, sowohl beide Seiten des Schiffes als auch Bug und Heck abdecken zu können, und das kann ich von hier oben nicht machen. Außerdem gibt es hier viel weniger Deckung.« Er blieb abrupt stehen, wobei sein Fuß in der Luft über der nächsten Stufe schwebte. »Tun Sie mir den Gefallen und holen Sie Ari. Sagen Sie ihm auch, er soll noch mehr Munition und unsere Pistolen mitbringen«, befahl Barry harsch, um den Maat in die Schranken zu weisen. Jetzt, wo der erste ernsthafte Piratenangriff bevorstand, wollte er bestimmt keine Fragerunde abhalten.
Ein salziger Wind peitschte Barry über das Gesicht, als er das Deck erreichte. Er schaute sich eine Weile um, bis er den besten Punkt gefunden hatte, um sich flach hinlegen und schießen zu können. Er musste zusehen, dass er ein möglichst kleines Ziel abgab, so wie er es einst gelernt hatte. Sein Kriegsdienst war zwar schon sieben Jahre her, und natürlich war ein Einsatz auf dem Wasser etwas vollkommen anderes als ein Kampf in der Wüste, doch die Grundlagen blieben die gleichen. Ein Gewehr war ein Gewehr, auch wenn es sich auf einem schwimmenden Stahlkoloss befand, und es kam darauf an, immer die Oberhand zu behalten. Ganz egal, in was für einer Umgebung man sich befand.
Drei Minuten später war Ari an seiner Seite und reichte ihm mit aufgeregtem Gesichtsausdruck zwei volle Magazine und eine Pistole. Barry hob das neopren-ummantelte Fernglas und deutete wenig später in die Ferne. »Da sind sie! Ich kann sie gerade so erkennen. Es sind definitiv Piraten und das Boot ist voll mit Gewehren. Ferngläser haben sie auch. Scheiße, jetzt teilen sie sich auf! Wahrscheinlich wollen sie von beiden Seiten gleichzeitig angreifen. Die sind nicht dumm, das muss man ihnen lassen. Die werden wohl eher vom Heck her kommen, das ist momentan nämlich die angesagte Methode. Wie weit sind sie noch weg?«, fragte Barry.
»Etwa neunhundert Meter. Ich würde noch eine Minute warten und ihnen dann ein paar Kugeln verpassen. Das sollte ihnen genug Angst einjagen. Oh, wow. Die haben auch Raketenwerfer, na ganz toll.«
»Da würde ich mir keine Sorgen machen. Mit denen triffst du nichts über hundert Meter Entfernung. Vielleicht gerade so zweihundert, wenn du Riesenglück hast.«
»Soll ich auf die andere Seite gehen?«
»Nein, noch nicht. Das Ganze ist bestimmt vorbei, bevor es auch nur angefangen hat.«
»Ich wünschte, diese Geizhälse von der Firma hätten uns Scharfschützengewehre gegeben, am besten Barretts. Das hier ist doch scheiße. Ich hasse nichts mehr als einen fairen Kampf.«
»Bei so einer unruhigen See würdest du mit 'nem Zielfernrohr sowieso nichts treffen. Schau doch mal, wie es auf und ab geht. Abgesehen davon ist das alles eh egal. Sobald die mein Gewehr hören und die Kugeln ins Wasser schlagen sehen, hauen sie ab.«
»Aber stell dir mal vor, du hältst ein Maschinengewehr mit Kaliber 50 in der Hand. Damit könnten wir sie zu Kleinholz machen.«
»Oder gleich ein paar Kanonen, wie auf einem richtigen Kriegsschiff. Bumm, Game over!«
Sie warteten ab, während ihr Schiff sich weiter in Richtung Norden bewegte. Ihre Nerven lagen angesichts ihres ersten richtigen Gefechts blank. Barry kniff die Augen zusammen und spähte den Lauf seines Sturmgewehrs hinunter. Er war bereit, zu feuern.
»Wie weit noch?«
»Vielleicht noch sechshundert Meter, aber sie kommen schnell näher.«
»Dann legen wir mal los.«
Das ohrenbetäubende Geknatter der AKM hallte über das Deck, als Barry auf das nähere der beiden Boote feuerte, womit er seinen Plan aufgab, erst einmal nur einen Warnschuss abzugeben. Es war so schwer, das auf den Wellen schaukelnde Boot anzuvisieren, dass er es aus dieser Entfernung sowieso kaum treffen würde.
Ari spähte währenddessen durch den Feldstecher und schluckte dann schwer. »Sie drehen nicht ab.«
»Verdammt. Diese Trottel! Die können sich auf was gefasst machen.«
»Scheiße, die haben nicht nur AKs … jetzt, wo sie näher kommen, kann ich auch andere Waffen erkennen. Die haben mindestens ein Scharfschützenge…«
Ein Kugelhagel prasselte jetzt auf die Metalloberflächen in ihrer Umgebung ein. Das vordere Boot hatte ebenfalls das Feuer eröffnet. Mindestens acht Gewehre gaben Dauerfeuer ab und schickten Hunderte von Geschossen in ihre Richtung. Die meisten schlugen harmlos über oder unter ihnen ein, doch eine erwischte Barry am Hals und durchschlug den Rand seiner Kehle, wobei arterielles Blut auf Aris Gesicht spritzte. Barry grunzte, ließ sein Gewehr fallen und umklammerte dann die Wunde. Seine Augen waren geweitet vor Überraschung und Angst, die allerdings schnell in Panik umschlug, als ihm sein Leben durch die Finger rann.
»Oh Gott, Barry!« Aris Gesichtsausdruck hatte sich jetzt von Erregung in Verzweiflung gewandelt, und für ein paar Sekunden erstarrte er förmlich, denn er war hin- und hergerissen, ob er zuerst seinem Freund helfen oder auf die schnell näherkommenden Piraten feuern sollte. Barry stöhnte leise, als ihn seine Lebensgeister verließen, und damit wurden Ari seine Prioritäten klar. Er musste die Piraten in die Flucht schlagen, denn sonst hätten sie alle keine Chance, zu überleben.
Er legte auf das nähere Boot an und feuerte, die Waffe hatte er zuvor auf Dauerfeuer gestellt. Zu seiner Erleichterung