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Glenn Powell, der Besitzer des City Hotels, hatte den Mann drüben auf der Vorbautreppe auch erspäht. Von seinem Office aus. Er rief seinen Hausmeister, einen riesigen Neger, und befahl ihm: »Tom, du behältst den Mann drüben im Auge.«
»Yes, Massa.« Der Schwarze fletschte seine großen weißen Zähne und verschwand.
In Humpys Barber Shop standen die beiden ersten Kunden hinter der Gardine und beäugten den Mann auf der Treppe.
Der kahlköpfige, dicke Pat Howland rümpfte die Nase und stieß den jungen Ed Lambrage an.
»Hey, Ed, das gibt Verdruß.«
Lambrage zog die Schultern hoch. Er war der Sohn des Schulmeisters und interessierte sich nicht sonderlich für den Fall. Seine Gedanken waren bei Nancy Miller, der Tochter des Bürgermeisters. Der junge aschblonde Mann ahnte sicher nicht, daß er noch in dieser Stunde sterben müßte.
In Frank Holborns General-Store, direkt neben der City Hall, standen mehrere Frauen und redeten schnatternd durcheinander.
»Das ist ja furchtbar!«
»Weshalb unternimmt niemand etwas dagegen?«
»Das wird ja immer schlimmer hier in der Stadt!«
Eine hagere Frau mit verhärmtem Gesicht und blauen Augen meinte:
»Eine Stadt ohne Polizei ist wie eine Welt ohne Gott!«
Frank Holborn nickte. Er stand hinter der Gardine und blickte zusammen mit seinem Clerk Jonny zu dem Mann auf der Treppe hinüber.
Drüben, neben dem City Hotel, war das Haus von Doc O’Connor. Der Arzt, ein Riese von Gestalt, mit grauem Haar und einem borstigen Seehund-Schnauzbart, paffte eine gewaltige Tabalkwolke vor sich hin. Die Zigarre wanderte von einem Mundwinkel in den anderen. Doc O’Connor hatte die Daumen in den Ausschnitten seiner bestickten roten Weste und schüttelte den Kopf.
»Es ist zum Weinen!« preßte er an der Zigarre vorbei durch die Zähne.
»Geh nicht zu nah ans Fenster«, mahnte seine Frau, eine zierliche Brünette von vielleicht vierzig Jahren. »Der Mann ist lebensmüde, sonst wäre er nicht zurückgekommen.«
»Das verstehst du nicht, Peggy. Jim Bleasdale hat mir eben erzählt, daß sie den alten Duffy erschossen haben. Sie haben ihn vom Kutschbock geschossen, neun Meilen vor Russell. Die Kugel steckte im Rücken des alten Postfahrers!«
»Und deshalb kommt dieser Mann zurück?« fragte die Frau hart.
»Ja«, versetzte der Mann, ohne sich umzudrehen. »Und verdammt noch mal, ich kann mir nicht helfen – er ist seit Jahren der erste Bursche, der mir imponiert!«
»Imponiert?« wiederholte die Frau bitter. »Imponiert er dir auch noch, wenn er zusammengeschossen drüben im Behandlungszimmer auf deinem Tisch liegt?«
Der Arzt stieß den Rauch durch die Nase aus, nahm seinen Hut vom Wandhaken und stampfte hinaus. Er überquerte die Straße mit großen Schritten und blieb vor Wyatt Earp stehen.
Der Postfahrer blickte nicht auf. Er behielt nach wie vor das Hotel im Auge.
Der Arzt schleuderte seinen Zigarrenstummel von sich.
»Hören Sie, Earp, wenn Sie jemanden brauchen, dann denken Sie an mich.«
Der Missourier warf dem grauhaarigen Riesen einen kurzen Blick zu.
»Thanks, ich werde es nicht vergessen.«
Der Arzt wandte sich um und ging zu seinem Haus zurück.
*
Mittlerweile war es halb acht geworden. Die ersten Strahlenbündel der Morgensonne fielen wärmend in die Mainstreet, brachen sich an den Häusergiebeln und Vorbaubalken und färbten die unschönen Fassaden, die die Straße beiderseits säumten, mit einem freundlichen Licht.
In der Halle des City Hotels erhob sich in diesem Augenblick der blaßgesichtige Revolvermann, zog seinen Hut etwas weiter in die Stirn, lockerte mit einem tausendfach geübten Griff den rechten Colt und ging zur Tür.
Da trat ihm der Hotelbesitzer entgegen.
»Mr. Clinholm, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das Haus durch einen anderen Ausgang verlassen würden.«
Das Gesicht des Coltman blieb ausdruckslos.
»Wo ist Mr. Peshaur?«
»Er hat das Hotel durch eben jenen Ausgang verlassen, den ich auch Ihnen empfohlen habe.«
»Und Bill Thompson?«
Der Hotelier hatte einen faden Geschmack im Munde, als er diesen Namen hörte; er sagte jedoch sehr höflich:
»Auch dieser Herr hat unser Haus bereits verlassen.«
Der Revolvermann hatte plötzlich ein ganz kleines höhnisches Lächeln in den Augenwinkeln. Nun hatten sie ihn also allein gelassen, die beiden; anscheinend hatten sie einen gewaltigen Respekt vor dem Mann da draußen.
Clinholms Gesicht war plötzlich wieder starr. So starr, daß Glenn Powell erschrak.
Und als der Schießer die große Tür zur Straße öffnete, sah es aus wie Gips, dieses Gesicht.
Zahllose Augenpaare sahen den Coltman aus dem Hotel kommen, sie sahen auch, wie der Mann drüben auf der Treppe aufstand.
Die Hände des kleinen spindeldürren Barbiers Kid Humpy, die das Rasiermesser hielten, zitterten.
Der Händler Holborn hielt den Atem an. Und Doc O’Connor grub seine Zähne in die Unterlippe.
Die Luft schien in der Mainstreet stillzustehen. Und auch die Zeit.
Abe Clinholm ging über den Vorbau bis zur obersten Treppenstufe, und seine ausdruckslosen Fischaugen hingen an der Gestalt des Mannes, der ihm etwa acht Yards gegenüberstand.
Wyatt Earp stand ganz ruhig da. Es war sein erstes großes Duell, das ihm bevorstand. Sicher, er war schon in vielerlei Schießereien verwickelt gewesen und hatte selbst auch schon manchen Schuß abgegeben, aber noch niemals hatte er in einem sogenannten »stillen« Gunfight allein Mann gegen Mann gestanden.
Die Sekunden tropften scheußlich langsam in die Ewigkeit.
Clinholm warf einen prüfenden Blick über die Gestalt des jungen Mannes. Und seine seelenlosen Augen bekamen fast einen verwunderten Ausdruck, als er sah, daß der Mann drüben die Arme über der Brust verschränkte.
»Clinholm!« rief der Missourier. »Ich habe hier auf dich gewartet. Du hast Jim Duffy ermordet!«
Im Gesicht des Revolverschwingers rührte sich kein Muskel. Das farblose Weißgrau seiner Haut schien noch um einen Ton kalkiger geworden zu sein.
Da rief der Missourier. »Du hast den Falschen erwischt, Clinholm! Ich bin zurückgekommen, um mit dir über den Tod meines Freundes Duffy zu reden!«
Da öffnete der Coltman die Lippen. Es sah aus, als zerspränge eine Gipsmaske in tausend Stücke, als er jetzt sprach.
»Ich habe mit dir nichts zu reden, Earp.«
»Aber erschießen wolltest du mich? Statt meiner hast du einen armen Teufel umgelegt. In den Rücken hast du ihn geschossen, Clinholm. Du bist ein ganz gemeiner Mörder!«
Steif und bewegungslos hingen die Arme des Schießers neben den blanken Knäufen seiner Waffen. Kein Muskel in seinem Gesicht zuckte. Der ganze Mann schien aus Gips zu sein. Ein weißer Körper in einem dunklen Anzug. Er war das Bild eines Revolvermannes, dieser Abraham Clinholm aus Kansas City. Peshaur hatte ihn für den geplanten Trail angeworben. Seine Aufgabe war es, alle Männer aus dem Weg zu räumen, die dem rigorosen Treiber in die Quere kamen.
Der alte Postkutscher Jim Duffy war Clinholms erstes Opfer gewesen.
Und der junge Wyatt Earp sollte das zweite sein.
Es