„Und“, hakte ich nach, „was findet man?“
„Man findet heraus, dass Paulus einige Glaubensbekenntnisse oder Hymnen der Urkirche integriert hat. Diese gehen auf die Anfänge der Kirche nach der Auferstehung Jesu zurück.
Zu den bekanntesten Glaubensbekenntnissen zählen der Philipper-Brief, Kapitel 2, Verse 6 bis 11, wo es heißt, dass Jesus ‚Gott gleich‘ war, und der Kolosser-Brief, Kapitel 1, Verse 15 bis 20, das ihn als das ‚Ebenbild des unsichtbaren Gottes‘ beschreibt, der alle Dinge erschaffen und durch den alle Dinge mit Gott versöhnt sind, der ‚Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut‘.
Diese Glaubensbekenntnisse sind wichtig, weil sie uns erklären, woran die ersten Christen in Bezug auf Jesus geglaubt haben. Doch was den historischen Jesus betrifft, ist das 15. Kapitel des 1. Korinther-Briefes vielleicht am wichtigsten, wo Paulus Fachsprache verwendet, um zu erklären, dass er die mündliche Überlieferung in relativ fixierter Form weitergab.“
Blomberg suchte den Abschnitt in seiner Bibel und las ihn mir vor.
„Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf. Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln“ (1. Korinther 15,3–7).
„Und jetzt kommt der entscheidende Punkt“, fuhr Blomberg fort. „Wenn wir die Kreuzigung schon um 30 nach Christi Geburt ansetzen, dann kam Paulus um 32 nach Christus zum Glauben. Paulus wurde sofort nach Damaskus geführt, wo er einen Christen namens Hananias und andere Christen traf. Sein erstes Treffen mit den Aposteln in Jerusalem dürfte ungefähr im Jahre 35 stattgefunden haben. Irgendwann in dieser Zeit bekam Paulus dieses Glaubensbekenntnis, das schon fertig formuliert war und in der Urgemeinde verwendet wurde. In ihm finden Sie die wesentlichen Fakten über den Tod Jesu, zur Vergebung unserer Sünden und zusätzlich eine detaillierte Liste der Personen, denen er in auferstandener Form begegnet ist – und das alles erst zwei bis fünf Jahre nach den eigentlichen Ereignissen!
Das ist alles andere als Mythologie, die sich 40 Jahre oder noch später gebildet hat, wie Armstrong behauptet. Man kann mit gutem Recht feststellen, dass der christliche Glaube an die Auferstehung, wenn auch nicht in schriftlich fixierter Form, schon zwei Jahre nach dem eigentlichen Geschehen zu datieren ist.
Und das ist äußerst entscheidend“, fügte er mit Nachdruck hinzu. „Denn nun geht es nicht um 30 oder 60 Jahre im Vergleich zu 500 Jahren, was bei anderen Daten durchaus akzeptabel sein kann, sondern es geht um zwei Jahre!“
Ich konnte die Bedeutung dieser Beweisführung nicht leugnen. Sie schien der Anklage den Wind aus den Segeln zu nehmen, dass die Auferstehung – die den Christen als krönende Bestätigung für die Gottheit Jesu gilt – lediglich ein mythologisches Konstrukt war, das sich im Laufe der Zeit gebildet hatte, während die Legendenbildung die Augenzeugenberichte unterwanderte. Für mich als Skeptiker war dies einer meiner größten Einwände gegenüber dem christlichen Glauben gewesen.
Ich lehnte mich gegen das Bücherregal. Wir hatten eine Menge Material gesichtet und Blombergs abschließende Bemerkung schien ein guter Zeitpunkt für eine Pause zu sein.
Eine kurze Pause
Es wurde spät an diesem Nachmittag. Wir hatten ziemlich lange geredet, ohne eine Pause zu machen. Dennoch wollte ich unser Gespräch nicht abschließen, ohne die Augenzeugenberichte denselben Tests zu unterziehen, die ein Rechtsanwalt oder Journalist anwenden würde. Ich musste wissen: Würden sie dieser Überprüfung standhalten oder sich als fragwürdig oder sogar unverlässlich erweisen?
Einige Überlegungen
Fragen zur persönlichen Reflexion oder für das Gruppenstudium
1. Inwiefern wurde Ihre Meinung durch einen Augenzeugenbericht zu einem Ereignis beeinflusst? Anhand welcher Faktoren schätzen Sie normalerweise ein, ob ein Bericht aufrichtig und genau ist? Wie würden Ihrer Ansicht nach die Evangelien einem solchen Test standhalten?
2. Glauben Sie, dass die Evangelien theologisches Programm enthalten und gleichzeitig inhaltlich vertrauenswürdig sein können? Warum oder warum nicht? Finden Sie zu diesem Punkt Blombergs Holocaust-Vergleich hilfreich?
3. Wie und warum beeinflusst Blombergs Beschreibung der frühen Informationen über Jesus Ihre Meinung über die Zuverlässigkeit der Evangelien?
Zusätzliches Beweismaterial
Weitere Literatur zu diesem Thema
● F. F. Bruce: Das Neue Testament – glaubwürdig, wahr, verlässlich. Liebenzeller Mission 1997.
● H. J. Schulz: Die apostolische Herkunft der Evangelien. Freiburg 19942.
2 Lee Strobel: „Youth’s Testimony Convicts Killers, but Death Stays Near“. In: Chicago Tribune, 25. Oktober 1976.
3 Irenaeus: Adversus haereses 3.3.4.
4 Arthur G. Patzia: The Making of the New Testament. Downers Grove, Ill.: InterVarsity Press, 1995. S. 164.
5 Ebd., S. 49.
6 Karen Armstrong: A History of God. New York: Ballantine/Epiphany, 1993. S. 82.
7 William Lane Craig: The Son Rises: Historical Evidence for the Resurrection of Jesus. Chicago: Moody Press, 1981. S. 140.
8 Armstrong, a. a. O., S. 79.
Kapitel 2
Überprüfung der Augenzeugenberichte
Halten die Biografien Jesu einer Untersuchung stand?
Die Worte des sechzehnjährigen Michael McCullough waren so leise, dass die Geschworenen sie wegen des Geräusches, das die Beatmungsmaschine machte, die ihn am Leben erhielt, nicht verstehen konnten. Ein Lippenleser musste sich über Michaels Bett beugen, verstehen, was er sagte, und seine Aussage für den improvisierten Gerichtssaal wiederholen.
Seit ihn eine Kugel getroffen und seine Wirbelsäule durchtrennt hatte, war Michael vom Hals abwärts gelähmt. Nun war er zu schwach, um zur Gerichtsverhandlung gegen die beiden Jugendlichen, die wegen des Angriffs auf ihn angeklagt waren, zum Gerichtsgebäude transportiert zu werden. Stattdessen drängten sich der Richter, die Geschworenen, Ankläger, Verteidiger, Reporter und Zuschauer in Michaels engem Krankenzimmer, das zeitweise zur Zweigstelle des Cook Country Circuit Court erklärt worden war.
Während der Befragung durch den Staatsanwalt erinnerte sich Michael daran, wie er seine Wohnung in einem Wohnprojekt in Chicago mit zwei Dollar in der Tasche verlassen hatte. Er sagte aus, dass er im Treppenhaus von den beiden Angeklagten angegriffen und mit Absicht ins Gesicht geschossen worden war, als sie versuchten, an sein Geld zu kommen. Seine Geschichte wurde von zwei anderen Jugendlichen bestätigt, die diesen Überfall mit angesehen hatten.
Die Verteidigung leugnete den Schuss nie. Vielmehr behauptete sie, dass er sich aus Versehen gelöst hatte, als die Jugendlichen mit der Waffe herumwedelten. Die Verteidiger wussten, dass ihre einzige Chance auf einen