Sie ließ sich an seine Brust sinken und weinte hemmungslos. Roland strich ihr sanft über das Haar.
»Es... es tut mir leid«, schluchzte sie. »Wirklich, Roland, aber ich... ich kann net deine Frau werden.«
Es war als träfe ihn ein harter Schlag. Alles in seiner Brust zog sich zusammen.
»Es gibt also einen anderen Mann«, stellte er fest. »Und er ist der Grund, warum du eben im Karussell geweint hast.«
Sie nickte stumm.
»Und warum wußte ich nix von ihm? Warum hat er dich net ein einziges Mal besucht, als du so schwerverletzt in der Klinik lagst?«
Angela zuckte die Schulter.
»Ich kann’ net über ihn sprechen«, sagte sie leise. »Weil ich ihn eigentlich vergessen wollte. Aber es gelingt mir net. Wo ich geh’ und steh’, seh’ ich sein Gesicht, und meine Gedanken sind immer nur bei ihm.«
»Aber warum ist er denn net bei dir?«
»Weil er gar net weiß, wo ich bin. Wir hatten einen Streit. Einen wirklich unsinnigen und überflüssigen Streit, an dem ich schuld bin. Inzwischen hab’ ich’s eingeseh’n. Aber damals, da bin ich einfach fortgelaufen.«
Roland Ferbach nickte. Allmählich begann er, die Zusammenhänge zu verstehen.
»Und du liebst ihn also immer noch.«
Er atmete schwer.
»Da hab’ ich natürlich keine Chance, net wahr?«
Angela sah ihn bittend an.
»Verzeih’ mir Roland. Es tut mir leid, aber ich kann net anders.«
»Was soll ich dir verzeih’n? Daß du meine Gefühle net erwiderst?«
Er schüttelte den Kopf.
»Nein, Angela, das muß ich dir net verzeih’n. Ich werd’ mich wohl damit abfinden müssen.«
Sein Blick ging zum Festplatz hinüber, wo ein fröhliches Chaos herrschte, und die Menschen guter Laune waren. Ihm war nicht nach Fröhlichkeit und Feiern zumute. Mit soviel Hoffnung war er hergekommen, und innerhalb weniger Minuten war sie zunichte gemacht worden.
Noch einmal strich er über ihre Haare.
»Ich wünsch’ dir alles Gute«, sagte er mit belegter Stimme. »Vor allem, daß du dein Glück wiederfindest.«
Dann drückte er fest ihren Arm und wandte sich um. Mit einem elenden Gefühl schaute Angela ihm nach. Und dabei liefen ihr immer noch Tränen über das hübsche Gesicht.
*
»Das, Gräfin, ist meine Heimat.«
Der Bergpfarrer breitete die Arme aus, als wolle er Berg und Tal umarmen.
»Entzückend!« rief Annemarie von Haldenstätten ehrlich begeistert.
Sebastian hatte die Landstraße verlassen, war einen Umweg gefahren, die Bergstraße hinauf und hatte angehalten. Von hier oben hatten sie einen weiten Blick über das Wachnertal, in dessen Grund St. Johann eingebettet lag.
»Jetzt kann ich Ihre Begeisterung verstehen, Hochwürden«, sagte seine Belgeiterin. »Und wie mir scheint, ist das Dorf weitgehend von der modernen Zeit verschont geblieben. Man sieht kaum Hochbauten und solche scheußlichen Dinge, wie Skilifte und Seilbahnen.«
»Deswegen hab’ ich auch so manchen Streit mit uns’rem Bürgermeister auszufechten«, lachte der Geistliche. »Wenn’s nach ihm ging, dann wär’ Sankt Johann ein Urlaubsort, wie viele and’re auch, mit Attraktionen, die’s überall gibt.«
Langsam gingen sie zum Auto zurück.
Wähernd des Mittagessens im Schloß, hatten sie beratschlagt, wie sie weiter vorgehen wollten. Alexander von Haldenstätten weilte in Ungarn, wo er mit einem Weinbauern in Geschäftsverbindung stand. Er konnte eigentlich nicht vor dem kommenden Montag zurück sein. Wenn er aber hörte, daß endlich ein Lebenszeichen von Angela im Schloß war, würde er sofort alles stehen und liegen gelassen haben und zurückkehren.
»Lassen S’ ihm doch einfach eine Nachricht da, daß er nach Sankt Johann kommen und sich im Pfarrhaus melden soll«, schlug Sebastian vor. »Wenn er dann da ist, wird die Überraschung für ihn um so größer sein. Wir fahren derweil vor, und ich zeig’ Ihnen mein Zuhaus’.«
»Eine schöne Idee«, stimmte die Gräfin zu. »Und bevor er dort eintrifft, werde ich mit Angela reden und ihr sagen, daß es alles Unsinn ist, was sie sich da einredet. Aber heute sind Sie erst einmal Gast auf Schloß Haldenstätten.«
Sie verbrachten einen angenehmen Tag. Sebastian freute sich, eine so kluge und feinsinnige Frau kennengelernt zu haben. Gräfin Annemarie wußte gutes Essen und Trinken ebenso zu schätzen, wie eine geistreiche Unterhaltung, und hatte in Pfarrer Trenker einen gleichberechtigten Partner gefunden. Der Abend, bei Wein und Gespräch, zog sich bis tief in die Nacht hin. Trotzdem war die Schloßherrin am nächsten Morgen ausgeschlafen. Nach einem ausgiebigen Frühstück starteten sie gutgelaunt zur Fahrt nach St. Johann.
»Da drüben ist die Pension, in der Angela das Zimmer hat«, zeigte Sebastian auf das Haus, als sie durch das Dorf fuhren.
»Eigentlich ist aber recht wenig los hier. Oder täuscht das nur?« meinte die Gräfin.
»Ja, das täuscht. Es ist Kirch-weih. Da läuft natürlich alles hin, was Beine hat. Ich hoff’ nur, daß mein Bruder net allzuviel zu tun bekommt, während der drei Tage.«
»Ich bin schon sehr gespannt, ihn kennenzulernen«, sagte Annemarie von Haldenstätten. »Und vor allem auf die Kochkünste Ihrer Frau Tappert.«
»Dazu habe S’ ja gleich Gelegenheit. Wir sind da.«
»Ich muß mir auch unbedingt die Madonna ansehen, von der Sie mir erzählt haben.«
»Gleich nach dem Abendessen geh’n wir zur Kirchweih hinüber.«
Sebastian sah seine Begleiterin an.
»Sie sind doch damit einverstanden, im Pfarrhaus zu schlafen?« vergewisserte er sich. »Im Hotel wird bestimmt kein einziges Zimmer mehr frei sein.«
»Aber natürlich, Hochwürden. Und ich werde schlafen, wie in Abrahams Schoß.«
Die Gräfin lachte. »Was glauben Sie wohl, wo ich schon überall genächtigt habe!«
Die adlige Dame führte nicht weiter aus, wo das gewesen war, aber Pfarrer Trenker traute ihr schon zu, auch in einem Heustadl übernachtet zu haben.
Sophie Tappert hatte ein kleines Festmahl vorbereitet. Kurz bevor es aufgetragen wurde, kam auch Max.
»Na, wie steht’s auf der Kirch-weih, erkundigte sich sein Bruder, nachdem er ihn mit der Gräfin bekannt gemacht hatte. »Ist alles ruhig geblieben?«
»Du wirst es net glauben«, lachte der junge Polizist. »Aber bisher gab’s net eine einzige Rauferei!«
»Na, dann wollen wir nur hoffen, daß es so bleibt.«
Zum Auftakt gab es eine Basilikumrahmsuppe, in der geräucherte Lachsstreifen schwammen. Annemarie von Haldenstätten war ganz begeistert.
»Köstlich, meine liebe Frau Tappert«, schwärmte sie. »Das Rezept müssen Sie mir unbedingt für unsere Köchin mitgeben.«
Als zweiter Gang wurde gefülltes Hähnchen, nach toskanischer Art, serviert. Mit einer duftenden Kräuterfüllung und Pinienkernen. Eine ganz leichte Sauce und Rosmarinkartoffeln rundeten das Gericht ab.
Die Gräfin geriet immer mehr ins Schwärmen.
»Also, meine liebe Frau Tappert, haben Sie eigentlich schon mal daran gedacht, die Stelle zu wechseln?« fragte sie, mit einem Augenzwinkern, nachdem das Dessert, eine zarte Creme