Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740952006
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den Kopf geh’n.«

      Michaels Vater sah ihn nur stumm an.

      Der Seelsorger ging durch den Flur und nahm seine Jacke von der Garderobe. Andrea kam gerade die Treppe herunter. Sebastian fand, daß sie merkwürdig blaß aussah, als habe sie die halbe Nacht nicht geschlafen. Außerdem sah er Spuren von Tränen auf ihrem hübschen Gesicht.

      »Was ist los, Andrea?« erkundigte er sich. »Hast’ geweint?«

      Diese Frage löste einen erneuten Tränenfluß aus. Die junge Frau schluchzte.

      »Na komm, beruhig’ dich erst einmal. Ich hab’ noch ein paar Minuten. Magst’ mir erzählen, was gescheh’n ist?«

      Stockend, immer wieder von tiefen Schluchzern unterbrochen, berichtete sie, was sie am vergangenen Abend gesehen hatte. Sebastian runzelte die Stirn.

      Michael hatte eine andere Frau umarmt und geküßt?

      Das konnte er sich überhaupt nicht vorstellen.

      »Weißt’ was, ich muß eben kurz fort«, sagte er. »Wenn ich zurück bin, reden wir darüber. Bestimmt gibt’s eine ganz einfache Erklärung dafür. Am besten gehst’ nach oben und legst dich solang’ hin. Um Lena brauchst dich net zu kümmern, das macht Michaels Vater.«

      Andrea nickte gehorsam und ging wieder die Treppe hinauf, während Sebastian das Pfarrhaus verließ.

      Michael und eine andere Frau? Was hatte das nun schon wieder zu bedeuten? Konnte es sein, daß Andrea sich ganz einfach irrte? Vielleicht hatte sie einen völlig anderen Mann gesehen und glaubte nun, daß es Michael war...

      Unten an der Straße winkte er Max zu, der in seinem Streifenwagen vorüberfuhr. Sein Bruder winkte zurück, fuhr ein Stück und hielt dann plötzlich an. Der Polizist stieg aus und rief nach ihm.

      »Wart’ einen Moment.«

      »Was gibt’s denn?« fragte der Geistliche. »Ich bin ein bissl in Eile.«

      »Dauert net lang«, antwortete Max. »Ich wollt’ dir nur schnell was erzählen. Vielleicht ist’s auch unwichtig, aber gestern abend, im Wirtshaus...«

      Staunend hörte der Bergpfarrer, was sein Bruder ihm zu berichten hatte. Dann irrte Andrea sich also doch nicht!

      »Ich hab’ schon so was ge-hört«, sagte er. »Die Andrea ist ganz aufgelöst.«

      »Hat sie den Michael denn net gefragt, warum er diese Hanna geküßt hat?« wollte Max wissen.

      »Dazu hatte sie noch keine Gelegenheit«, erklärte Sebastian. »Michael ist heut’ früh in die Stadt gefahren. Er will etwas besorgen. Allerdings hat er net verraten, was es ist.«

      Die Kirchturmuhr schlug.

      »Du, ich muß jetzt wirklich«, entschuldigte sich der gute Hirte von St. Johann. »Wir seh’n uns ja beim Mittagessen.«

      »Ja, bis später«, rief Max und stieg wieder in sein Auto.

      Sebastian Trenker ging indes zum Rathaus hinüber. Dort wollte er mit dem Bürgermeister des Dorfes, Markus Bruckner, einen Termin absprechen. Doch jetzt waren seine Gedanken mit etwas ganz anderem beschäftigt.

      Irgendwie konnte er nicht glauben, daß Michael Andrea mit einer anderen Frau betrog, trotzdem war ihm klar, daß die Geschichte ein neues Drama heraufbeschwor.

      *

      »Schieß, Adalbert!« rief Lena und warf sich auf den Ball, der vor ihre Beine kullerte.

      Michaels Vater freute sich. Die Kleine spielte seit einer halben Stunde ausgelassen mit ihm, und sein altes Herz wurde ganz weich.

      So ein Enkelkind würd’ ich mir wünschen, dachte er einen Moment lang, doch dann wurde sein Gesicht wieder ernst. Das änderte sich erst, als er sich neben Lena ins Gras niederließ und ihr strahlendes Lächeln sah.

      »So, eine Pause kann ich jetzt gut gebrauchen«, meinte er und lockerte den Hemdkragen.

      Gleich nach dem Aufwachen war sein erster Gedanke bei dem Kind gewesen. Er fragte sich, was es war, das ihn so magisch anzog. Immerhin war er bis vor ein paar Tagen ein wildfremder Mensch für sie gewesen.

      »Du, Adalbert, darf ich dich mal was fragen?«

      Lena sah ihn mit großen Augen an. Seit Tagen brannte ihr schon eine Frage auf der kleinen Seele, die sie unbedingt loswerden mußte.

      »Natürlich darfst’ mich was fragen«, antwortete der Unternehmer. »Was hast’ denn auf dem Herzen?«

      Der kleine Fratz zog das Näs-chen kraus, als müsse er erst überlegen.

      »Du hast doch erzählt, daß du einen Sohn hast, net wahr?«

      Michaels Vater schluckte.

      »Ja, das stimmt.«

      »Und, daß ihr euch gestritten habt.«

      Verwirrt sah er das Madel an. Was mochte es nur mit seiner Frage bezwecken?

      »Ja, wir haben gestritten, und dann ist er fortgegangen«, antwortete er und wischte sich den Schweiß von der Stirn, wobei er nicht sicher war, ob er von der Toberei so schwitzte oder von Lenas Fragen.

      »Warum hast’ ihn denn net gesucht?« wollte sie wissen.

      Schon am Abend, als sie davon erfahren hatte, ließ ihr die Geschichte keine Ruhe. Aber weder Papa, noch Andrea konnten ihr darüber Auskunft geben.

      »Würdest du mich suchen, wenn ich fortlauf?« hatte sie Michael gefragt.

      Der hatte seine Tochter ganz eng an sich gedrückt.

      »Aber natürlich würd’ ich dich suchen«, antwortete er. »Ich hab’ dich doch lieb! Allerdings möcht’ ich gar net erst, daß wir uns streiten, dann hast’ auch keinen Grund fortzulaufen.«

      »Hast du deinen Sohn net lieb?« fragte sie jetzt Adalbert Lindner.

      Der alte Mann schluckte unwillkürlich.

      »Doch...«, kam es zögernd über seine Lippen.

      »Aber du willst net wissen, wo er ist? Also, mein Papa würd’ mich bestimmt suchen. Das hat er mir gesagt.«

      Michaels Vater stutzte.

      »Dein Papa? Aber wieso...? Ich denk’, du hast gar keinen Papa mehr...?«

      Lenas Augen wurden riesengroß.

      »Aber natürlich hab’ ich einen Papa«, sagte sie, fast empört. »Was denkst’ denn? Er ist bloß gerad’ net da, weil er in die Stadt gefahren ist.«

      Jetzt verstand Adalbert Lindner gar nichts mehr. Er war der felsenfesten Überzeugung, daß die Frau Mahlinger alleinerziehende Mutter wäre, und jetzt mußte er hören, daß es doch einen Vater gab.

      »Warum hab’ ich ihn denn noch net kennengelernt?« fragte er. »Deine Mama hätt’ ihn mir doch vorstellen können...«

      Er war nicht sicher, ob das Kind die Wahrheit erzählte, oder ob ihre Worte nicht nur einen Wunschtraum wiedergaben.

      Lenas Kopf war herabgesunken.

      »Meine Mama ist doch tot«, antwortete sie leise. »Sie ist gestorben, als ich auf die Welt gekommen bin.«

      »Was?«

      Er schüttelte ungläubig den Kopf.

      »Und wer ist dann die Frau Mahlinger?«

      Plötzlich strahlte die Kleine wieder.

      »Andrea wird meine neue Mama«, erklärte sie stolz. »Die heirat’ nämlich meinen Papa. Erst war sie nur da, um im Urlaub auf mich aufzupassen, aber jetzt hat sie den Papi lieb.«

      Allmählich glaubte Adalbert die Zusammenhänge zu verstehen. Das Kind war also mit seinem Vater im Urlaub. Offenbar hatten der Mann und Frau Mahlinger sich erst hier kennengelernt. Er wollte sich schon mit der Kleinen darüber freuen, als Lenas