Bangkok Rhapsody. Thomas Einsingbach. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Einsingbach
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783954627622
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erste Blut aus dem zertrümmerten Haupt herausquoll. Schließlich verdrängte eine eisige Finsternis die glutheiße Helligkeit, die ihn noch eben umhüllt hatte.

      Penelopes Chef Richard McGrowan hatte ins exklusive Sukhothai-Hotel geladen. Goldstein & Schulman vertraten weltweit überwiegend hochprofitable Mandate, deren Vergütung bei eintausend Dollar pro Stunde begann. An diesem Vormittag stand allerdings die erste NGO Network Convention auf dem Programm, welche die New Yorker Anwaltskanzlei in Bangkok durch ihre dortige Niederlassung veranstalten ließ. Diese Wohltätigkeitsveranstaltungen waren eine Herzensangelegenheit der Kanzleigründer Aaron Goldstein und Randolph Schulman und in Manhattan längst eine feste Einrichtung. Hier wurde sozial engagierten Nichtregierungsorganisationen eine gesellschaftliche Plattform gegeben, auf der man Beziehungen pflegte, Kontakte knüpfte und um Spenden warb. Dazu erschienen regelmäßig die Vertreter der Presse und diverser Fernsehstationen.

      Richard, seine Assistentin Nup und Penelope Owens standen am Eingang zur Mahamek-Lounge und verfolgten das Defilee der humanitären High Society Thailands. Der Österreicher Alfons Obermayr von Expertisis, einer Vereinigung, die pensionierte europäische Fachkräfte für freiwillige Aufbauarbeit in unterentwickelte Regionen Südostasiens vermittelte, überraschte Nup und Penelope mit einer Schachtel Mozartkugeln. Loraine Chepawaki vertrat mit beeindruckender Körperfülle die amerikanische Methodist Development Agency, die sich dem kompletten Spektrum sozialer Missstände anzunehmen versprach, sofern das übergeordnete Ziel der christlichen Missionierung dabei nicht zu kurz kam. Schließlich begrüßte Penelope Mrs. Chantrakal, die als Präsidentin der South-East-Asia Division von ECPAT vorstand. Die feine Dame der thailändischen Upperclass hatte erst kürzlich den Conrad-Hilton-Preis entgegengenommen, mit dem das Engagement ihrer Organisation gegen die Kinderprostitution gewürdigt wurde.

      „Die musst du dir merken. Bestens vernetzt und mit großem Einfluss in Thailand“, flüsterte Penelope William zu. Seit dem Abendessen an der Tuk-Tuk-Garküche duzten sie sich und Penelope hatte William zu diesem Empfang eingeladen. Sie entboten Mrs. Chantrakal einen respektvollen Wai, dann raunte Penelope: „Was gibt’s Neues von Mazzini?“

      „Ich habe Persitzky observiert. Es passt alles. Er hat einen verkrüppelten Finger.“

      Penelope blickte William fragend an.

      „Mazzini hatte in jungen Jahren einen Unfall, bei dem er einen Teil seines linken Ringfingers verloren hat. Ich habe Persitzkys Apartment durchsucht. Auf dem Nachttisch steht eine Fotografie von Mazzinis Mutter Holly, außerdem habe ich Manuskripte gefunden. Hatte ich dir erzählt, dass Persitzky schreibt?“

      „Lost Souls of Bangkok. Ich erinnere mich“, bestätigte Penelope und schlug vor, dass sie sich für einen Moment zurückziehen sollten, damit sie ungestört sprechen konnten. Als sich die illustre Gästeschar dem Buffet widmete, traten Penelope und William auf den großzügigen Dachgarten hinaus, wo die Mittagshitze sie fast erschlug. William entdeckte ein halbwegs schattiges Plätzchen unter einem Bananenhain und fuhr mit seinem Bericht fort: „Persitzky skizziert seine Romankapitel mit der Hand, ehe er sich an den Computer setzt. Die Entwürfe tragen Mazzinis Handschrift.“

      In diesem Augenblick bemerkten sie, wie Richard McGrowan mit einem graugelockten Farang und einem untersetzten Thai in einer Polizeiuniform auf sie zuhielt.

      „Darf ich zwei gute Freunde unserer Kanzlei vorstellen?“

      Penelope, die seit einem guten halben Jahr für Goldstein & Schulman in Bangkok tätig war, kannte natürlich den Polizeioffizier, dessen goldene Sterne auf den Schulterklappen in der Sonne funkelten. Dem vielleicht sechzigjährigen Ausländer mit der Albert-Einstein-Frisur war sie dagegen noch nicht begegnet.

      „William LaRouche, das ist Lieutenant General Vitikorn, der Polizeidirektor von Bangkok. Penelope, ihr kennt euch ja bereits.“

      Penelope verbeugte sich und deutete einen Wai an. Sie hatte William schon zu Beginn der Veranstaltung informiert, dass auch Bangkoks Polizeichef eingeladen war, dem Jonathan ein paar Basisinformationen zugesteckt hatte, damit man bei der Jagd auf Mazzini im Notfall rasch auf lokale Unterstützung zugreifen konnte. Nun griff William nach Vitikorns ausgestreckter Hand, die sich weich und biegsam anfühlte.

      „Nice to meet you“, behauptete der Polizeigeneral. William nickte stumm.

      „Und hier haben wir Dr. Jürg Bertoli, den Gründer des Baan Jai Dii, einer Einrichtung, die sich um alleinstehende ältere Menschen sorgt.“

      Wieder gehörte Penelope die erste Aufmerksamkeit. Bertoli reichte ihr die Hand.

      „Nice to meet you, Dr. Bertoli.“

      „Oh, meine Liebe, nicht so förmlich. Ihr Name ist Penelope? Nennen Sie mich einfach Jürg. Ich bin schon lange in Bangkok. Auf Empfängen und Veranstaltungen trifft man immer wieder auf die gleichen Nasen. Es ist ein wenig wie in den Schweizer Bergen. Dort freuen sich die Bewohner der engen Täler, wenn gelegentlich ein neues Gesicht auftaucht. Vor allem, wenn es ein so attraktives ist wie das Ihre“, schmeichelte Bertoli und berührte väterlich Penelopes Unterarm, die eine Visitenkarte aus einem Etui entnahm und diese mit beiden Händen, wie in Asien üblich, überreichte.

      „Und Sie sind William LaRouche, der Amerikaner mit dem eleganten französischen Nachnamen. Wie ich hörte, sind Sie Journalist?“ Neugierige graublaue Augen blickten William an, ein herzlicher Händedruck folgte.

      „Ich arbeite als freier Mitarbeiter in der Online-Redaktion der Times-Picayune in New Orleans. Leider musste das Blatt seine Printausgabe vor ein paar Jahren einstellen“, antwortete William mit einer Mischung aus Flunkerei und Wahrheit.

      „Möchten Sie nicht einmal über mein Seniorenheim Baan Jai Dii berichten?“

      „Warum nicht?“, stellte William in Aussicht; dabei fiel sein Blick auf Bertolis linke Hand. Er stutzte einen Augenblick und verwarf seinen Gedanken sofort wieder. Das, was er da gesehen hatte, musste ein Zufall sein. In diesem Moment steuerte ein junger Mann, umhängt mit allerlei Gerätschaften, auf ihre Gruppe zu.

      „Ah, der Fotograf der Bangkok Post. Nukatet ist Ihr Name, wenn ich mich recht entsinne“, begrüßte Richard den jungen Mann, der kurz darauf eine Kamera in Anschlag brachte.

      „Khun Richard, Sie haben ein ausgezeichnetes Gedächtnis“, lobte der Thailänder auf Englisch und ließ es etliche Male klicken.

      „Noch einmal lächeln! Wie schön. Eine asiatische Blume im Kreis von vier eleganten Gentlemen.“

      „Khun Nukatet, wann wird der Artikel über unsere Veranstaltung in der Bangkok Post erscheinen?“, wollte Penelope auf Thai wissen.

      „Oh, Sie sprechen Thai?“, gab der Fotograf überrascht zurück, blieb aber im Englischen. „Ich schieße nur die Fotos. Ich vermute, die Reportage wird am Wochenende in der Rubrik People & Life platziert.“

      Als sich der Pressefotograf wieder in Richtung des Buffets zurückgezogen hatte, wandte sich Penelope an Bertoli. „Jürg, erzählen Sie mir von Ihrer Arbeit in Thailand.“

      „Das mache ich gerne. Aber zuerst stärken wir uns am Buffet.“ Diesmal blickte Bertoli zu William und berührte ihn freundschaftlich am Oberarm. „Junger Mann, Sie sehen so aus, als könnten Sie ordentlich zulangen. Der Chefkoch ist ein Landsmann von mir und hat ein paar besondere Delikatessen vorbereitet. Sie müssen unbedingt die Luzerner Rösti und den echten Emmentaler Käse probieren.“

      Die kleine Gruppe setzte sich, Bertolis Vorschlag folgend, in Bewegung und hatte das Buffet noch nicht ganz erreicht, da meldete Williams Mobiltelefon einen Anruf. Er zog das Gerät heraus, erkannte die Nummer und nahm das Gespräch an.

      „Mr. LaRouche?“

      „Andy, was gibt’s?“ William trat ein paar Schritte zur Seite und verbarg die Lippen hinter der vorgehaltenen Hand, eine Angewohnheit, die noch aus alten FBI-Zeiten in ihm steckte.

      „Ich habe keine guten Nachrichten.“ Andy war undeutlich zu