Bangkok Rhapsody. Thomas Einsingbach. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Einsingbach
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783954627622
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entnahm und damit ihren Schredder fütterte.

      „Ehrlich gesagt habe ich ein paar ziemlich beschissene Jahre hinter mir, die mich mehr Kraft gekostet haben, als mir lieb war. Aber das hat Ihnen Jonathan womöglich schon verraten.“

      „Nein, das hat man mir nicht verraten. Ich habe nur gehört, dass Sie einer der besten Personenfahnder des FBI waren. Sie kennen Bangkok und Südostasien seit über zehn Jahren, sprechen leidlich Thai und fließend Chinesisch. Sie stammen aus New Orleans, Louisiana, sind geschieden und führen eine Agentur für private Ermittlungen in New Jersey.“

      „Haben Sie das alles dem Dossier entnommen?“ William deutete auf die geplünderte Mappe. „Stand dort auch, dass ich einen Vorgesetzten verprügelt, vor drei Jahren den Dienst quittiert habe und wegen eines Burn-out-Syndroms in einer Klinik behandelt wurde. Ist Ihnen darüber hinaus bekannt, dass sich meine sogenannte Agentur für private Ermittlungen vorwiegend mit der Suche nach entlaufenen Haustieren beschäftigt?“

      William wollte sich mit seiner Offenheit nur selbst schützen. Diese verwirrend attraktive Frau war eindeutig zu jung für ihn und zudem spielten die Männer, für die sich Penelope womöglich interessierte, zweifellos in einer anderen Liga als er. Da erschien es ihm angebracht, ohne Umschweife klarzustellen, dass er alles andere als ein James Bond war und objektiv betrachtet nicht einmal sein eigenes Leben im Griff hatte.

      „Nobody is perfect!“, kommentierte Penelope unbeeindruckt und lenkte wieder auf das eigentliche Thema ihrer Besprechung zurück. „Ich hoffe, Sie hatten wenigstens einen guten Grund, als Sie sich Ihren Vorgesetzten vorgeknöpft haben. Aber jetzt jagen Sie Larry Mazzini und das wird nicht einfach werden. Im Großraum Bangkok leben fast so viele Menschen wie in Texas.“

      „Aber bestimmt nicht so viele Rindviecher“, gab William zurück und erntete für seinen mittelmäßigen Scherz einen mitleidigen Blick. „Penelope, ich vermute, Sie haben sich noch nicht mit der Psyche des Fuchses beschäftigt?“

      „Mit der Psyche des Fuchses?“

      „Unser Fuchs heißt Larry Mazzini“, rief William in Erinnerung. Dabei konnte er nicht verhindern, dass er ungehörig lange und direkt in Penelopes dunkelbraune Mandelaugen blickte. Er konnte sich nicht mehr erinnern, ob er seit seiner Scheidung von Ann-Louise einem weiblichen Wesen eine ähnlich intensive Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Eine Lucky Strike würde jetzt guttun. Aber auf diese Art der Beruhigung musste er wohl oder übel noch eine Weile warten. Statt zu rauchen, fuhr er fort: „Ein Mensch wie Mazzini taucht nicht einfach unter.“

      Penelope warf William einen überraschten Blick zu. „Nein, ich habe mich noch nicht mit Mazzini beschäftigt. Ich erwähnte bereits, dass die Informationen, die ich von Jonathan erhalten habe, nicht gerade detailliert waren. Warum sind Sie sich sicher, dass Mazzini sein Leben nicht zurückgezogen in einem angenehmen Versteck genießt?“

      „Larry Mazzini versteckt sich nicht, und wenn er untertaucht, dann nur in äußerster Bedrängnis und für begrenzte Zeit. Er braucht die gesellschaftliche Anerkennung und die wird er nicht bekommen, wenn er sich in ein dunkles Loch verkriecht.“

      In diesem Moment öffnete sich die Tür und eine Mitarbeiterin brachte ein Tablett mit Kaffee, Mineralwasser und einer Auswahl an Muffins. William stieg warmer Bananenduft in die Nase.

      „Ihre Vermutungen beruhen zweifellos auf einer fundierten Persönlichkeitsanalyse. Ich verstehe, wenn das Justizministerium die im Umfeld des Exposers eingebundenen Personen nur mit Informationen versorgt, die unmittelbar mit ihren Aufgaben zusammenhängen. Ihr Job ist der des Spürhundes. Meine Aufgabe ist die Unterstützung und Beratung bei möglicherweise auftretenden juristischen Fragen und Problemen. Haben Sie schon gefrühstückt?“

      „Eine Lucky Strike und eine Cola.“

      Penelope zog eine Augenbraue in die Höhe.

      „Dann greifen Sie zu, während ich Ihnen ein paar Information über Andy gebe.“

      „Andy?“ William griff nach einem Bananen-Muffin.

      „Ihr Fahrer, Laufbursche, Mädchen für alles. Wie Sie wollen. Ein ehemaliger Polizist. Sein Name ist Nurathat Chatchawan, sein Kurzname lautet Nut. Weil er früher Sergeant bei der Touristenpolizei war, hat er natürlich noch einen englischen Namen und nennt sich Andy.“

      William nickte mit vollem Mund. Natürlich war ihm diese Vielfalt thailändischer Namensgebung bekannt, die Ausländer mitunter mächtig verwirrte.

      „Zuverlässig? Vertrauenswürdig?“

      „Ich denke ja. Wir haben schon gelegentlich mit Andy gearbeitet. Er spricht ausgezeichnet englisch und ist ein echter Bangkonian. Er ist gut vernetzt, hat Verbindungen zur Polizei und zur Halbwelt. Seine Kontaktdaten habe ich Ihnen auf die Rückseite meiner Visitenkarte notiert. Andy steht Ihnen ab sofort zur Verfügung.“ Penelope strich sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht.

      „Was ist mit den lokalen Behörden? Ich arbeite, wie Sie wissen, zunächst inoffiziell und besitze lediglich ein Touristenvisum.“

      „Jonathan hat der obersten Führung der Metropolitan Police einen Wink gegeben. Für den Moment sollte Ihnen das den Rücken freihalten. Wenn es Probleme gibt, rufen Sie immer zuerst mich an. Mein Mobiltelefon ist rund um die Uhr empfangsbereit“, erklärte Penelope und musterte William zum wiederholten Mal. Auch wenn er etwas heruntergekommen wirkte, sich nicht gerade vorteilhaft kleidete und bestimmt eine Mütze Schlaf benötigte, so hatte dieser Mann doch etwas an sich, das Penelope anzog. Er war athletisch gebaut, hin und wieder ließ er ein jugendliches provozierendes Lächeln aufblitzen, das ihr gefiel. Ein großer starker Junge, den es offenbar nicht störte, wenn man ihm die Patina seines Lebens ansah. War William für ein Abenteuer zu haben? Penelope verwarf ihren Gedanken umgehend. Nein, so ein Blödsinn. Der Mann war hier, um Mazzini zu enttarnen, und außerdem fünfzehn Jahre älter als sie.

      „Penelope, Sie vertrödeln Ihre Zeit mit einem alten Mann. Ich habe Sie lange genug belästigt und verschwinde jetzt besser. Sie haben sicher noch eine Menge zu tun.“ William erhob sich, warf Penelope einen Abschiedsblick zu, wie er ihm solchermaßen charmant herausfordernd das letzte Mal vermutlich in der Collegezeit gelungen war. Als er mit gerader Haltung den Korridor hinab dem Ausgang der Kanzlei entgegenstrebte, spürte er die Blicke der Juristin fast körperlich. Noch im Aufzug steckte er sich zur Beruhigung eine Lucky Strike an und nahm sich vor, umgehend eine Wäscherei in der Umgebung seiner Pension zu suchen, die seine Polohemden ordentlich bügelte.

      Die Telefonverbindung nach Singapur war instabil. Immer wieder gab es kurze Aussetzer, so dass Jürg Bertoli Mühe hatte, den wortreichen Ausführungen seines Geschäftspartners Lamkan Seng zu folgen. Lamkan erinnerte ihn an den Termin, zu dem sie gemeinsam nach China reisen und dort auf einflussreiche Vertreter der politischen Elite treffen wollten.

      „Die Chinesen müssen handeln, sonst fliegt ihre schöne Volksrepublik auseinander“, hörte Bertoli, ging aber nicht näher auf die Prophezeiung seines Partners ein, die er nur zu gut kannte.

      „Wenn wir erfolgreich … Huxley-Programm … Win-win-Situation … habe ich immer schon gesagt …“, rauschten die Satzfetzen aus dem fernen Singapur an Bertolis Ohr, der sich in Gedanken mit einem ganz anderen Problem beschäftigte. Als die Verbindung wieder einigermaßen intakt war, unterbrach er den aufgedrehten Lamkan. „Wäre es möglich, dass Sie mir Verstärkung schicken? Ich habe das Gefühl, wir sollten vorsichtiger sein.“

      Zugegeben, es war nur eine leise Ahnung, die Bertoli umtrieb. Es lagen objektiv keinerlei Fakten vor, die zur Besorgnis Anlass gaben. Aber in der letzten Zeit ging alles zu glatt: Die Wirkungs- und Verträglichkeitsprüfungen waren erfolgreich abgeschlossen. Für Singapur lag die Zulassung der staatlichen Gesundheitsbehörde vor. Die Chinesen hatten überraschenderweise auf den ersten Kontaktversuch positiv reagiert. Und letztendlich war auch die Sache mit Hannah endgültig geklärt. Diese Erfolgsserie würde sich zukünftig fortsetzen, davon war Bertoli überzeugt, aber er wollte für alle Fälle gewappnet sein.

      „Wie viele Männer brauchen