New Hope City. Severin Beyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Severin Beyer
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783957771421
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      Rivera erhob sich, begab sich in die Küchenecke seiner Wohnwabe und öffnete seinen Kühlschrank. Er warf noch einmal einen Blick auf Rien. Nein, das Tiefkühlfach reichte definitiv nicht aus. Den Rest müsste er wohl im Kühlschrank lagern und schnellstmöglich paketweise entsorgen, wenn er verhindern wollte, in seiner Wohnung am Leichengestank zu ersticken. Wobei er die Geruchssensoren seines Körpers nach unten regulieren könnte, das Problem wäre nicht sein eigenes Befinden. Die Gefahr läge vielmehr in der Entdeckung durch die Nachbarn, denen der bestialische Gestank vermodernden Fleisches auffallen würde. Was für ein Stress! Warum musste das nur so kompliziert sein, dabei wollte er doch nur dieses bedeutungslose Mitglied der Gesellschaft loswerden, um den sich wirklich niemand scherte … Ach, hätte er es doch in dem Augenblick getan, in dem er ihm begegnet war, dann hätte er nun kein Entsorgungsproblem. Aber da Rien nun einmal hier war …

      Forschend öffnete Rivera die Schublade mit dem Besteck. Die Messer durchtrennten problemlos Fleisch, kämen aber ganz sicher nicht durch die Knochen. Nun, die konnte er mit seinen modifizierten Händen durchbrechen. Recyclingsäcke? Hatte er zum Glück erst vor kurzem wieder vom städtischen Service Center geholt. Zielstrebig steuerte er auf sein Opfer zu.

      » …wodurch Großbritannien auf den Stand einer amerikanischen Kolonie herabsank. Doch die Annexion sollte nicht von Dauer sein: Die Einführung des flächendeckenden Waffenrechts für alle führte zu heftigen Widerständen seitens der britischen Bevölkerung und löste eine Welle antiamerikanischer Proteste aus, die in mehreren Anschlägen gipfelten, die den britischen Unabhängigkeitskrieg auslösten …«

      Rivera ignorierte die Dokumentation. Mit einem unbarmherzigen Griff packte er Rien an den Haaren und zerrte ihn ins Bad, wo er dessen Kopf an der Kante des Duschkabinenrandes zertrümmerte. Riens Körper erschlaffte schon beim zweiten Aufprall. Es war für Rivera ein leichtes, den Körper in die Kabine zu hieven. Ganz offensichtlich war der junge Mann nur kurz bewusstlos gewesen, denn als Rivera begann, ihn in Scheiben zu schneiden, versuchte er sich zu wehren. Mit einem Schlag brach er ihm den Unterkiefer, um das einsetzende Geschrei zu unterdrücken. Entsetzen starrte Rivera aus dem zermanschten Gesicht entgegen. Oh ja, das tat so gut. Belebender als jeder Orgasmus.

      Gerade kugelte er Riens Arm aus, als ihn ein Klingeln an seiner Haustür aus seinen Tagträumen riss.

      Sofort schaltete Rivera in seinem Kopf auf die Kamera, die über seiner Wabentüre angebracht war. Es war dieser Bulle, der ihn gestern verhört hatte. Mist, den konnte er nicht warten lassen. Gereizt blickte Rivera zu Rien, der immer noch seelenruhig und unversehrt auf den wandfüllenden Holobildschirm starrte.

      »Versteck dich und bleib ruhig!«, schnauzte er ihn an »Lass ja das Licht aus, ich will nicht, dass man den Abzug hört!« fuhr er Rien an, als er ihn ins Bad zerrte und die Tür hinter ihm zuschlug. Der Polizist sollte ihn ganz sicher nicht mit der Person zusammen sehen, deren Teile entsetzte Passanten in den nächsten Wochen aus Recyclingeimern in ganz New Hope fischen würden.

      Ein weiteres Klingeln trieb Rivera zur Eile an. Hastig versuchte er Ordnung in seine Wabe zu bringen, denn von der Tür aus war beinahe die gesamte in schlichtem Bauhausstil gehaltene Wohnung zu überblicken. Nichts sollte auf Rien hindeuten. Schnell warf er ihre vom Vorabend herumliegenden Klamotten unter das Bett, ehe er sich aus seinem Wandschrank eine schwarze Boxershorts und ein weißes T-Shirt angelte, die er beide sofort überzog. Es klingelte schon zum dritten Mal. Er hätte gerne im Spiegel überprüft, ob er genauso leger aussah, wie er sich das vorstellte, aber da der Spiegel im Bad hing, verließ er sich auf seine natürliche Ausstrahlung, versprühte noch Deo gegen den Männergeruch, und warf die Dose hektisch zu den Klamotten unter dem Bett. Kurz bevor er die Tür öffnete, streifte er sich noch eine Jeans über.

      »Oh, Sie sind es, Herr Kommissar«, spielte er den Überraschten, als er die Türe öffnete »Es tut mir leid, dass Sie so lange warten mussten. Womit kann ich Ihnen weiterhelfen? Hat sich der Verdacht gegen mich erhärtet, oder besuchen Sie mich nur zum Vergnügen?«

      Rivera merkte dem Kommissar an, wie sehr diesen seine aufgesetzte Freundlichkeit abstieß. Das amüsierte ihn und tröstete ihn immerhin für den Moment darüber hinweg, die geplante Zerstückelung noch ein wenig aufzuschieben.

      »Darf ich eintreten?«

      »Wenn Sie so direkt fragen, dann möchte ich Ihnen genauso direkt antworten: Nein.« Er wollte wirklich nicht, dass der Bulle seine Wabe betrat. So wie er diesen Rien einschätzte, würde es nicht lange dauern, bis der sich auf die eine oder andere Weise bemerkbar machte. Wahrscheinlich rutschte der Junkie im Bad aus, schlug sich als Folge dessen vollkommen von allein den Kopf auf und er, Rivera, wäre schon wieder der Verdächtige in einem Todesfall, den er nicht verschuldet hatte.

      »Sie wissen, dass es sich dabei um eine rhetorische Frage handelt. Durch die Antiterrorgesetzgebung ist es der Polizei auch ohne Durchsuchungsbefehl erlaubt, fremde Wohnungen zu betreten«, entgegnete ihm der Beamte im Trenchcoat trocken. Sein künstliches, tief dunkelgrünes Auge funkelte Rivera bösartig an.

      »Aber das können Sie nur, sofern Terrorverdacht besteht.«

      »Es liegt vollkommen in meinem Ermessenspielraum, ob ich einen terroristischen Hintergrund vermute, unabhängig davon, ob sich dieser Verdacht im Nachhinein als gerechtfertigt herausstellt. Wenn Sie mir in diesem Fall Widerstand leisten, dann kann ich sie ohne weiteres festnehmen.

      Also, darf ich reinkommen oder muss ich Sie erst als Terrorist verdächtigen?«

      Gut gespielt. Unter anderen Umständen würde der Kommissar so etwas wohl nicht machen, aber jetzt kam die Retourkutsche für gestern.

      »Es ist mir unangenehm, Sie sehen ja an meinem Casual Look, dass ich nicht auf Besuch vorbereitet bin. Meine Wohnung ist daher nicht gerade das, was man ordentlich nennen würde.«

      »Damit habe ich kein Problem.«

      »Dann treten sie ein«, entgegnete ihm Rivera mit einem scheinbar überlegenen Lächeln, von dem er wusste, dass es diesen Steiner ärgern musste »Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten? Oder Tee?« Er bekam keine Antwort.

      »Ich hatte mir Ihre Wohnung größer vorgestellt. Auch die Wohngegend überrascht mich. Was arbeiten Sie denn?«, meinte der Polizist, als er die Wabe betreten hatte und die Türe hinter sich schloss. Rivera fragte sich, warum ihn der Beamte das fragte. Hatte der Kommissar ihn denn nicht überprüft? Was für ein lausiger Polizist …

      »Sie meinen, weil mein Körper sehr kostspielig gewesen sein muss? Mit nahezu unbezahlbarer Nanotechnologie und allen Extras im High-End-Bereich ausgestattet? Ich bin Privatier und lebe von dem Vermögen, das mir meine Eltern hinterlassen haben. Hier wohne ich übrigens nur während der Frühlings- und Sommermonate«, der letzte Satz klang blasiert, sollte auch so klingen und war blanker Unsinn.

      »Sie leben hier alleine?«

      Rivera wollte gerade verneinen, doch dann hielt er inne: Um ein Haar hätte ihn der Polizist erwischt. Wahrscheinlich konnte der Kommissar mit seinem Augenimplantat durch Wände sehen. Sein Zögern überspielte Rivera dadurch, dass er in der Küche die Kaffeemaschine neu befüllte und aktivierte. Möglicherweise hatte der Polizeibeamte beobachtet, wie er seinen Gast ins Bad gezerrt hatte. Glück gehabt! Hätte der Kommissar nur zehn Sekunden später geklingelt – es wäre wirklich schwierig geworden, eine mit dem Gesetz im Einklang stehende Erklärung dafür zu finden, warum er gerade Riens Schädel zertrümmert hatte.

      »Die Wohnung ist auf mich angemeldet, aber es kann passieren, dass ich hin und wieder Gäste im Haus habe.«

      »Haben Sie momentan Gäste?«

      »Sie meinen welche, die ich einem unerwarteten Besuch vorstellen möchte?«

      Seinen Gesprächspartner hatte Rivera damit überrumpelt. Er beschloss, dem Kommissar den Wind aus den Segeln zu nehmen:

      »Ich bin bi«, log er »Aber ich will nicht, dass das bekannt wird. Meine Kontakte zu Männern behandele ich lieber diskret. Da bin ich etwas konservativ. Jetzt kennen Sie auch den tatsächlichen Grund, warum ich sie nicht in meiner Wohnung haben wollte«, fügte er mit einem guten Schuss Pathos hinzu.

      Es