Die List der Schildkröte. Elisabetta Fortunato. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisabetta Fortunato
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783946435860
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Blick wurde weich und ein warmes Gefühl machte sich in ihrer Brust breit. Sie nahm ihrer Landsfrau die schwere Dose ab und wollte sie, aus einem Überschwang heraus, zu einem Kaffee einladen.

      Da knarrte das Bett im Schlafzimmer. Gleich darauf ein zweites Mal. Es war deutlich zu hören. Auf Giovannas Haut legte sich ein klebriger Schweißfilm. Maria sah sie fragend an, dann hellte sich ihr Gesicht auf. »Ihr Mann ist aus Honcongo zurück. Jetzt verstehe ich.«

      Der Seidenkimono, den sie trug, brannte sich regelrecht in Giovannas Rücken ein. Sie musste sich räuspern, um weiterreden zu können. »Jetzt sei so gut und geh. Heute muss ich früh raus.«

      »Sie sind nicht die Einzige.« Neben dem Rascheln der Plastiktüte, die sie auf dem Tisch zusammenlegte, war die Putzfrau kaum zu hören. »Auch der professore ist schon weg. Ich habe lange an seine Tür geklopft und …«

      Bei Giovanna machte es klick. Karl-Friedrich! Sie hatte vergessen, bei Karl-Friedrich vorbeizuschauen! Obwohl sie …

      Weiter kam sie nicht, abgelenkt von Marias Reaktion. Diese starrte mit aufgerissenen Augen auf etwas hinter ihr. War Sonny etwa aufgestanden?

      Doch die Neapolitanerin zeigte anklagend auf den Nagel an der Wand. »Wo ist das Horn?« Ihre Stimme zitterte noch mehr als der arthritische Finger.

      »Das alte Plastikding?«, antwortete Giovanna, ohne zu überlegen. »Das habe ich weggeworfen.«

      »Oddio!« Die Putzfrau bekreuzigte sich mehrmals hintereinander. »Das bringt doch Unglück!«

      »Was glaubst du nur an diesen altmodischen Humbug«, versuchte sie, die Frau zu beruhigen.

      Es wäre besser gewesen, sie hätte geschwiegen. Denn in dem Moment wurde die Schlafzimmertür geöffnet und Sonny tapste nackt Richtung Badezimmer. Giovanna wollte auf der Stelle sterben.

      Maria, die zwar alt, aber mit allen neapolitanischen Wassern gewaschen war, musste es in ihrem Gesicht gesehen haben. Rasch wandte sie sich um, doch erhaschte sie nur noch den Schatten einer dunklen Hand, bevor die Badezimmertür sich schloss.

      Als würde sie ihren altersschwachen Augen nicht trauen, drehte sie sich verwirrt zu Giovanna und bat stumm um eine Bestätigung dafür, dass sie nicht das gesehen hatte, was sie glaubte, gesehen zu haben.

      Giovanna konnte ihr darauf keine Antwort geben. Sie tat das einzig Vernünftige und hielt den Mund.

      Wie von einer schweren Last niedergedrückt, ließ sich Maria auf einen Küchenstuhl fallen. »Heute ist ein merkwürdiger Tag, Frau Greifenstaina. Hängen Sie das Horn auf, bevor er schlimmer wird.«

      »Weißt du was? Du hast mich überzeugt.« Giovanna holte den Mülleimer hervor und suchte nach dem Plastikteil.

      In der Zwischenzeit ging die Badezimmertür auf und Schritte entfernten sich Richtung Schlafzimmer. Die Ältere hielt den Blick starr ins Leere gerichtet und er belebte sich erst wieder, als das Horn an seinem alten Platz hing.

      »Dann will ich die Herrschaften nicht mehr stören.«

      »Maria«, sagte Giovanna versöhnlich. »Morgen komme ich früher nach Hause und wir trinken einen Kaffee zusammen. Va bene?«

      Die Neapolitanerin nickte schwach, griff nach der gefalteten Tüte und stand auf. Giovanna begleitete sie zur Tür. Aber Maria wäre nicht die gewesen, die sie war, wenn sie nicht das letzte Wort gehabt hätte. Schon mit einem Fuß auf der Treppe, drehte sich die Putzfrau noch einmal herum und sagte: »Grüßen Sie Herrn Greifenstaina von mir.« Und leiser: »Oder wen auch immer.«

      Giovanna hatte es genau gehört. Sie warf die Tür zu und fasste einen unwiderruflichen Entschluss: Sie würde das Horn verbrennen.

      Nur langsam setzte sich das Gefühl der Erleichterung durch, dass das Aufeinandertreffen trotz allem glimpflich verlaufen war. Umso mehr musste sie jetzt dafür sorgen, dass Sonny ging. Der Professor befand sich offensichtlich schon auf dem Weg ins Museum. Es würde sicher nicht lange dauern, bis er sie wegen der Untersuchungsergebnisse anrief.

      Giovanna kehrte in die Küche zurück. Auf einem Stuhl entdeckte sie ihre Clutch. Wenn schon eine Verabschiedung mit guter Erziehung, dachte sie, dann auch richtig. Aus dem Täschchen holte sie ein paar Geldscheine hervor, die Eintrittskarte zur Vernissage vom Vorabend und einen Fotostreifen, der sie schmunzeln ließ, als sie die vier Schnappschüsse von sich und Sonny überflog. Schließlich zog sie den Reißverschluss des Nebenfachs auf und fand seine Visitenkarte.

      So heißt du also mit vollem Namen.

      Plötzlich war sie hellwach, und ihr kamen gleichzeitig ein frivoler und ein mathematischer Gedanke. Der frivole ließ sie Sonnys Hände auf ihrer Haut spüren, der mathematische rechnen: Minus mal Minus ergibt immer Plus. Was ängstigte sie sich vor Sprichwörtern, Aberglaube und dem sonstigen kampanischen Blödsinn, wenn es die exakte Wissenschaft gab? Sie würde den Tag neutralisieren, auf ihre eigene Art.

      Giovanna füllte Kaffee in die Tasse, holte einen besonders knusprig aussehenden Keks aus der Dose und lief, mit dem Tablett in der Hand, zum Schlafzimmer.

      »Buongiorno, signor Omowura«, flüsterte sie.

      Es hatte einen vielversprechenden Klang.

K2

      Dass sie einen Fehler machte, begriff Giovanna schon, als sie die Schlafzimmertür öffnete. Statt als Verführerin kam sie als italienische mamma, was ziemlich das Letzte war, was sie jetzt sein wollte. Doch zu spät, der Mann in ihrem Bett hatte sie schon entdeckt.

      Sonny Omowura hatte sich aufgesetzt und lehnte entspannt an der Wand. Neugierig musterte er sie von Kopf bis Fuß, dann blieb sein Blick am Tablett hängen. »Es ist das erste Mal«, sagte er mit freudiger Überraschung in der Stimme, »dass ich Kaffee ans Bett gebracht bekomme.«

      Und auch das letzte Mal, dachte Giovanna. Je mehr sie in ihrem Hirn nach einer witzigen, gar intelligenten Antwort suchte, desto mehr wurde es zu Brei. So blieb sie erst mal wortlos stehen und lächelte gequält zurück.

      Dem Nigerianer schien das nicht aufzufallen. Er streckte sich ausgiebig, justierte das Kopfkissen und lehnte sich wieder zurück. Dunkle Haut auf hellem Stoff, sie konnte ihre Augen nicht davon abwenden.

      »Du passt gut in mein Bett«, sagte Giovanna.

      Sonnys Lächeln vertiefte sich. »Das habe ich mir auch gedacht.«

      Auffordernd schlug er die Decke auf und, wie von einem bösen Zauber erlöst, stellte Giovanna das Tablett auf den Boden und zog sich aus.

      Kaum hatte seine kompakte Hand ihre Brust umschlossen, klingelte ein Smartphone. Sie küssten und umarmten sich und versuchten, es zu ignorieren. Doch vergebens. Der Anrufer gab nicht auf.

      Sonny schnaubte und strampelte die Decke mit den Füßen weg, dann stieg er aus dem Bett und holte das Gerät aus seiner Anzugjacke.

      »Jetzt übertreibt sie’s aber!«, entfuhr es ihm, mit Blick auf das Display.

      Mit dem Rücken zu Giovanna stellte er sich ans Fenster und rief zurück. Obwohl er leise auf Englisch sprach, verstand sie jedes Wort.

      »Gib endlich auf!«, fuhr ihr Lover die Person am anderen Ende der Leitung an. »Der Chef der größten nigerianischen Gewerkschaft wird niemals einknicken. Und ich will nicht, verstehst du? Ich will nicht!« Pause. »Und wie? Abiola ist nicht käuf… Was? Ein Autounfall? Wann … Fuck, Fuck, Fuck! … Du bist verrückt …« Wieder hörte er nur zu. Dann ein unwilliges »Okay, okay, ich werde mit meinen Leuten sprechen … Ja, habe ich gesagt! Und ja, am Dienstag komme ich. Fuck!«

      Ohne sich zu verabschieden, drückte Sonny das Gespräch weg und drehte sich wieder um. Giovanna erschrak. Alles Lustvolle war aus dem Gesicht des Mannes verschwunden, als hätte ein Blutegel an ihm gesaugt.

      Sonny kehrte zum Bett zurück. Doch er legte sich nicht mehr neben sie, sondern küsste sie nur auf die Stirn. »Sorry, ich muss