Emma-Sophie war sich nicht sicher, ob nun eher sie Max oder er sie anstarrte. Vermutlich spielte es auch keine Rolle. Es war der Moment der zählte. Dieser eine kleine Augenblick der sie vollkommen in ihren Bann zog. Es fühlte sich an, als gäbe es plötzlich nur noch sie beide. Es war egal, dass sich um sie herum mehrere Leute sowie das Personal befanden und im Hintergrund irgendeine Musik lief. Irgendwo ging eine Tür auf, sie spürte den leichten Wind an ihrer Haut, dann fiel sie wieder ins Schloss. Max rührte sich nicht, sondern ließ sie weiterhin nicht aus den Augen. Dann trat der Kellner an den Tisch, servierte ihren Zander und das Rinderfilet und der Moment war verflogen.
Kurz darauf kam ihr Weißwein und sie blinzelte ein paar Mal um wieder klar denken zu können.
Sie versuchte sich an Max letzte Worte zu erinnern. Das was er über die Kinder gesagt hatte, nicht über sie. »Was meinst du damit? Du weißt wie sie sich fühlen? Sind deine Eltern...« Sie suchte das passende Wort. Tot klang so furchtbar. »...nicht mehr da?«
Max schnitt sich ein Stück von seinem Fleisch ab. »Doch. Sie leben nicht weit weg von hier. Aber es gab eine Zeit in meiner Vergangenheit da waren sie ziemlich lange fort.«
»Wie alt warst du da?«
»Acht.«
»Und wie lang ist ziemlich lang genau?«
»Etwa drei Jahre.«
Emma nahm einen Bissen ihres Fischs. Er schmeckte tatsächlich köstlich. »Wie können Eltern einfach für drei Jahre verschwinden und dann wieder auftauchen?«
»Das ist eine lange Geschichte,« wiegelte er ab. Seine Vergangenheit war ein Teil von ihm. Das Leben in einem Zeugenschutzprogramm. Der Zeitpunkt in dem seine Eltern verschwunden waren und er geglaubt hatte, sie seien tot. Aber auch wenn er das mittlerweile hinter sich gelassen hatte, sprach er mit niemanden darüber. »Es ist auch nicht wichtig. Ich weiß dadurch nur wie man sich als elternloses Kind fühlt.«
»Wer hat sich in diesen Jahren um dich gekümmert?«
»Meine Schwester Hannah. Sie war damals schon volljährig.« Bei dem Gedanken an seine Schwester musste er lächeln. »Sie war toll.«
Emma-Sophie lächelte zurück. »Ich stellte es mir schön vor Geschwister zu haben.«
»Hast du keine?« fragte Max und tupfte mit seiner Serviette einen Soßenfleck vom Tisch, während er Emma weiterhin beobachtete.
»Nein. Ich bin auch Waise. Meine Mutter starb als ich vier Jahre alt war. Meinen Vater kenne ich nicht. Was bedeutet, dass ich vielleicht sogar irgendwo einen Bruder oder eine Schwester habe.« Sie zuckte mit den Achseln. »Nur weiß ich dann eben nichts davon.«
»Darum ist dir dieses Kinderheim auch so wichtig, oder?«
»Ja. Es war und ist mein zu Hause. Ich bin dort aufgewachsen. Natürlich ist es nur ein Gebäude, aber es ist ebenso meine Kindheit. Ich habe gerne dort gelebt. Es war nicht schlecht. Auch wenn ich natürlich noch lieber Eltern gehabt hätte.«
Max versuchte nicht auf Emmas Körper zu starren, der sich verdammt sexy und ganz sicher vollkommen unabsichtlich etwas weit nach vorne beugte, sodass er direkt auf ihre perfekt geformten Brüste sehen konnte. »Wir werden es retten.«
»Das kannst du nicht wissen.«
»Doch.« Denn wenn alle Stricke rissen, könnte er das Geld selbst spenden. Er wusste nicht wie viel sie benötigten, aber er verdiente mehr als genug. »Max?«
»Ja?«
»Ich bin froh, dass du mir die Tür an den Kopf geknallt hast.«
Die nächste Tage verbrachte Emma-Sophie damit, beinahe alles und jeden anzulächeln. Der Abend mit Max war super gewesen. Sie hatte geglaubt er wäre so ein eingebildeter Idiot, der nur an sich selbst dachte, aber das Gegenteil war eingetreten. Auch wenn er manchmal vielleicht etwas zu sehr den Macho heraushängen ließ, war er doch durch und durch ein anständiger Kerl. Und die Idee mit der Charityveranstaltung war wirklich grandios gewesen. Seit langem verspürte sie einen ersten Hoffnungsschimmer für ihr Kinderheim.
»Emma, Emma, Emma!« Sie hörte die aufgeregten Schreie der kleinen Maja und noch bevor sie sich umdrehen konnte hing das Mädchen auch schon an ihrem Bein. »Was ist denn los meine Süße?« Sie nahm sie auf den Arm und setzte sie dann auf einen Stuhl. »Ist was passiert?«
»Schwester Gretchen hat uns gerade erzählt, dass sich jemand für uns interessiert!« rief die Kleine eifrig und strahlte Emma-Sophie an. Uns, das war Maja und ihr Zwillingsbruder Joshua.
»Das ist ja toll.« Emma streichelte Maja sanft durchs Haar, dann gab sie ihr einen Kuss auf die Stirn. »Wann wollten sie den kommen? Hat Schwester Gretchen das auch gesagt?«
»Hmh. Morgen glaub ich.« Maja sprang wieder vom Stuhl, nahm Emmas Hand und hüpfte aufgeregt hin und her. »Vielleicht werden wir bald wieder Eltern haben!«
»Ja.« Emma ignorierte den eigenen Schmerz, der sie bei diesen Worten durchfuhr. Er war egoistisch und gehörte nicht hier her. Maja und Joshua verdienten es in einem geregelten zu Hause aufzuwachsen bei Menschen die sie liebten. Es war nur so, dass Emma die beiden selbst so sehr ins Herz geschlossen hatte. Die Zwillinge waren kaum älter als ein Jahr gewesen als sie zu ihnen gekommen waren. Fast zeitgleich als Emma dort zu arbeiten angefangen hatte. Natürlich mochte sie alle ihre Schützlinge, aber Maja und Josh standen ihr einfach besonders nahe.
»Weiß es dein Bruder schon?« fragte Emma und verdrängte die Gedanken daran, dass die beiden möglichweise bald nicht mehr da sein konnten. Die Kleine schüttelte den Kopf. »Ich wollte es zuerst dir sagen.«
»Das ist lieb, aber ich denke jetzt ist dein Bruder dran. Er freut sich bestimmt genauso sehr wie du.«
»Ja. Ich geh ihn suchen!« freudig tänzelnd verließ Maja den Raum und Emma-Sophie blieb alleine zurück. Ihre eben noch so gute Laune war verflogen.
»Was ist dir denn auf einmal über die Leber gelaufen?« fragte Bea die gerade durch die Tür kam. »Ich dachte schon, dein Grinsen wäre irgendwie festgewachsen oder so.«
»Sehr witzig.« Emma ließ sich auf den Stuhl fallen, in dem gerade noch Maja gesessen hatte. »Maja und Josh werden vielleicht adoptiert.«
Bea runzelte die Stirn. »Und das ist schlecht?«
»Nein. Nein natürlich nicht. Ich dachte nur....«
»Du dachtest du könntest irgendwann diejenige sein die das tut.« beendete Bea den Satz.
Emma-Sophie nickte. Bea kniete sich seufzend vor sie und nahm ihr Hände. »Schätzchen, ich weiß du liebst die beiden. Aber du weißt, dass die Behörden sie dir mit deinem Gehalt und als alleinstehende Frau nie gegeben hätten.«
»Ja.«
Bea drückte ihre Hände. »Vielleicht sind sie ja nicht die Richtigen.«
»Vielleicht.« Die Frage war nur, was das für einen Menschen aus ihr machte, dass sie sich genau das wünschte.
5. Kapitel
»Verdammte Scheiße Christensen, das war einfach der Hammer!«
Kevin Anderson, einer der Verteidiger, warf sich von hinten auf ihn, legte kameradschaftlich den Arm um seine Schulter und schüttelte ihn heftig. Zusammen liefen sie mit dem Rest der Mannschaft in die Umkleidekabine. »Was zur Hölle