Ich halte abrupt inne und schaue mich um. Hinter mir stehen nur die geparkten Autos, Stoßstange an Stoßstange, und der Wind wirbelt ein paar Papierschnipsel in die Luft. Trotz der Straßenbeleuchtung ist es recht dunkel, da es hier so gut wie keine Geschäfte gibt, die durch Neonreklame erleuchtet werden.
Wieder dieses Knurren, das dieses Mal in ein Zischen übergeht – und es klingt näher!
Noch nie in meinem Leben habe ich solche Geräusche gehört. Mein erster Gedanke sind herrenlose Hunde, aber so klingen keine Hunde. So klingt einfach gar nichts, was ich kenne.
Als ich meine Schritte in Richtung Parkhaus beschleunige, wird das Knurren lauter, aggressiver. Vor Schreck bleibe ich wieder stehen und blicke mich ängstlich um.
Zu meiner Linken erkenne ich einen großen Parkplatz, auf dem etliche Autos stehen. Er wird nur von einer Straßenlaterne beleuchtet, da die anderen außer Betrieb sind. Hinter jedem dieser Autos könnte sich etwas oder jemand verstecken.
Starr vor Angst versuche ich in der Dunkelheit etwas zu erkennen, da höre ich wieder dieses schaurige Geräusch – grollender, wütender und gefährlicher. Eine eisige Kälte erfasst mich, die nichts mit den Temperaturen zu tun hat, und zieht langsam an meinen Beinen hoch, als wollte sie mich lähmen.
Ich nehme ein Geräusch hinter mir wahr und drehe vorsichtig den Kopf. Mein Atem wird immer flacher. Im Augenwinkel sehe ich einen dunklen Schatten hinter einem der parkenden Autos hervorschleichen, nur um sofort wieder hinter einem Mauervorsprung zu verschwinden.
Das ist definitiv kein Hund, Hunde können nicht aufrecht gehen.
Aber es ist kein richtiges Aufrechtgehen, eher eine gebückte Haltung mit nach vorne hängenden Armen, wie bei Schimpansen. Frei herumlaufende Affen in der Kölner Innenstadt? Noch absurder!
Vom dunklen Parkplatz weht wieder ein Knurren herüber, das in ein schauriges Kreischen übergeht. Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn, obwohl ich friere, da sehe ich plötzlich ein gelb funkelndes Augenpaar, das sich langsam auf mich zubewegt. Ein Schrei bleibt irgendwo auf dem Weg zu meiner Kehle stecken und meine Beine gehorchen mir nicht mehr.
Paralysiert starre ich auf dieses unheimliche Ding, das immer näher kommt.
Wie viele Meter sind noch zwischen uns? Zwanzig? Fünfzehn?
Ich habe jegliches Gefühl für Zeit oder Entfernung verloren. Dann taucht ein weiteres gelbes Augenpaar auf sowie ein drittes. Es sind keine Schritte zu hören, nur ein seltsames, leises Klackern.
Lauf!, schreit nur noch eine Stimme in mir und endlich reagiert auch mein Körper. Aber als ich mich rühre, registriere ich ein Geräusch hinter mir.
Verdammt! Das Ding hinter dem Mauervorsprung habe ich fast vergessen. Ich schiele zu dem blauen Neonschild des Parkhauses. Es ist eigentlich gar nicht mehr so weit, vielleicht zehn, fünfzehn Meter? Vorsichtig und sehr langsam beginne ich einen Fuß vor den anderen zu setzen, darauf bedacht, keine ruckartigen Bewegungen zu machen. Die Augen dieser Wesen, was auch immer sie sind, folgen mir stetig. Es ist alles so surreal. Panisch krame ich in meiner Handtasche nach der Parkkarte. Es sind jetzt nur noch wenige Schritte bis zur Eingangstür, aber ich höre, wie auch sie näher kommen.
Als ich das Parkhaus endlich erreiche, schiebe ich mit zitternden Händen die Karte durch das Lesegerät und warte, dass das grüne Lämpchen angeht. Aber ich muss sie nicht ordnungsgemäß durchgezogen haben, denn es passiert nichts.
Anja, konzentrier dich, verdammt noch mal!
Nächster Versuch. Das Klackern hinter mir wird lauter.
Das grüne Lämpchen blinkt auf und mit einem leisen Klick geht die schwere Metalltür auf.
Ein wütendes Kreischen erhebt sich hinter mir, und als ich mich umdrehe, schießen vier gelbe Augenpaare aus der Dunkelheit auf mich zu.
Ich schlüpfe durch die Öffnung und reiße panisch an der Klinke, aber es handelt sich um eine Brandschutztür mit einem Dämpfer, der die zufallende Tür abbremst. Etwas Schweres knallt von außen dagegen und erschüttert sie in ihren Grundfesten.
… noch zwanzig Zentimeter …
Vier riesige Krallen schieben sich um den Türrahmen, da fällt sie endlich mit einem dumpfen Knall ins Schloss.
Ein schrilles Kreischen ertönt und ich halte mir taumelnd die Ohren zu. Meine Beine sind kurz davor, zu versagen, als mein Blick auf den Boden fällt.
So etwas passiert nicht im realen Leben! Das ist nur ein Albtraum und ich wache gleich auf!
Vier abgetrennte klauenartige Finger liegen dort und zucken noch. In meinem Kopf beginnt sich alles zu drehen und ich stütze mich an der Wand ab, als mir plötzlich auffällt, dass es wieder still ist. Aber warum? Keine Schmerzensschreie mehr?
Egal, bloß weg hier!
Ich drehe mich um und haste zur Treppe. Taumelnd nehme ich zwei Stufen auf einmal und muss aufpassen, nicht wegzurutschen. Trotz meiner Panik registriere ich, wie muffig es in diesem Gebäude riecht. Die Wände sind mit Graffiti beschmiert und das Licht spärlich, da fast die Hälfte der Neonröhren kaputt ist. Mein kleiner Fiat steht im untersten Parkdeck, auf Ebene drei, und ist vermutlich das letzte Auto um diese Uhrzeit.
Ich überlege fieberhaft, was ich jetzt tun soll.
… noch zwei Parkdecks …
Polizei rufen! Ja, das ist naheliegend, aber was soll ich ihnen sagen? Ich werde von gelben Augen verfolgt? Lächerlich!
… noch ein Parkdeck …
Plötzlich schießt mir durch den Kopf, dass ich die Treppe für die Fußgänger genommen habe. Ob sich bei diesem Parkhaus ein Rollgitter über Nacht senkt?Sind diese Wesen eventuell schon im Gebäude?
Ich versuche meine Gedanken zu ordnen und reiße die Tür zu Parkdeck drei auf – und stolpere direkt auf ein wütendes gelbes Augenpaar zu.
Die hässlichste Fratze, die mir je begegnet ist, blickt mir entgegen, da durchfährt mich auch schon ein stechender Schmerz. Das Ding hat seine Krallen tief in meine Schulter gejagt, reißt mich herum und schleudert mich gegen die Betonwand gegenüber. Schreiend fliege ich durch die Luft und pralle mit einem dumpfen Knall gegen die Mauer. Irgendetwas knackt und für einen kurzen Augenblick wird mir die komplette Luft aus meinen Lungen gepresst. Ich japse wie ein Fisch an Land, dann beginnen sich meine Lungenflügel wieder langsam mit Sauerstoff zu füllen. Vorsichtig setze ich mich auf und lehne mich gegen die Wand. Die Schmerzen sind fast unerträglich, mindestens eine Rippe dürfte gebrochen sein.
Das Licht hier unten ist genauso spärlich wie im Treppenhaus, aber ich sehe genug – und was ich sehe, kann nur einem Albtraum entsprungen sein.
Die vier Wesen haben die aufrechte Haltung aufgegeben und schleichen knurrend auf mich zu. Sie sind groß und ihre grauen Körper sind schwer und massig, trotzdem bewegen sie sich mit einer erstaunlich agilen Eleganz. Ihre Haut wirkt ledern, fast schon panzerartig wie die Haut einer Schildkröte, und sie haben klauenartige Hände und Füße mit immens langen Krallen. Sie sind kahlköpfig und haben lange gelbe Zähne. Ihre Augen glühen vor Hass.
Die Panikattacke, die mich erfasst, lässt sogar die Schmerzen vergessen. In meinem Körper funktioniert nichts mehr, ich kann mich weder bewegen noch schreien.
Drei von ihnen bleiben abrupt stehen, während die größte Bestie, wohl das Alphatier, weiter auf mich zuschleicht. Es sind keine Geräusche zu hören, bis auf die mächtigen Krallen, die auf dem asphaltierten Boden klackern. Das war also das Klackern vorhin gewesen. Nur wenige Zentimeter vor mir bleibt es stehen und fixiert mich mit stechenden Augen. Ein Geruch von Fäulnis weht mir entgegen und ich muss unwillkürlich würgen. Da zischt es plötzlich: „Súrrr.“
Sein Atem stinkt bestialisch. Wieder zischt es mich an: „beszéjj súrrr“, und sein hässlicher Kopf kommt immer näher. Es bleckt seine langen Eckzähne und sein Speichel tropft auf meine Hose. Trotz meiner