Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747784
Скачать книгу
auch immer von vier Meter hohen Türmen herunterspringen; misstrauische Nachbarn äugen herüber, und wir wollen Büsche in unserem Garten pflanzen –

      – in einer unterirdischen Cafeteria gibt es frische Dampfnudeln mit Vanillesoße, in frischem Fett ausgebacken, herrlich schmeckend, ich esse sie mit Hochgenuss und helfe dann bei einem improvisierten Theaterstück, ziehe den Vorhang auf und springe in einer kleinen Rolle ein, doch dann zieht es mich wieder zu den Dampfnudeln, und ich lobe sie in den Himmel gegenüber der Verkäuferin, die sich freut, betone, dass man schmeckt, dass sie in frischem Fett ausgebacken sind, und sie freut sich und holt mir eine; ich soll aber warten, bis sie nicht mehr ganz so heiß ist; bezahlen müsse ich nicht, dafür gebe ich ihr einen Kuss auf ihre weichen, alten, gepuderten Wangen; ich wundere mich nur noch, dass sie Dampfnudeln mit einer Schokoladensoße isst, aber das macht ja nichts, im Gegenteil –

      – erwische in letzter Sekunde noch die Maschine nach Berlin – aber sie hebt nicht ab, sondern fährt durch die Straßen, rast –

      – wir fahren zum Flughafen und müssen eine Straße überqueren, vierspurig mit Mittelstreifen, der Fahrer verschätzt sich in Bezug auf zwei auf uns zukommende Lastwagen, den ersten schaffen wir noch, aber der zweite rast unerbittlich auf uns zu, und kurz bevor der Krach alles beendet, blendet sich das Bild aus, es ist mir nichts passiert, aber das weiß ich auch erst hinterher, als ich auf dem Flughafen stehe, und erneut versuche, die Maschine zu bekommen, es ist Winter − das war auch der Grund für den Unfall, alles glatt, der Wagen kam kaum vom Fleck, der andere konnte nicht bremsen − und man muss mit Privatautos zu den Fliegern fahren und wir warten auf jemanden, der uns abholen will; kommt aber nicht; es wird immer knapper, ein Kind, das etwas isst, steht herum, wir treffen andere, meine Freundin ist weg, ich bin gezwungenermaßen mit ihrer Freundin zusammen, und mich graust vor dem Gedanken, mit ihr im Bett liegen zu müssen, jemand lästert über mich, ich hätte ja gar kein Geld: und das stimmt: fünfundzwanzig Mark hatte ich, siebzehn Mark fünfzig sind für Bücher ausgegeben; wir fahren in einem Ruderboot an unsere Kutter heran und driften immer weiter ab, es schlingert und wir drohen zu kippen, aber ein anderes Schiff kommt zu Hilfe –

      – in einer Auseinandersetzung bekomme ich einen Schlag auf den Kopf mit einer gefährlichen Wunde, aber die Angreifer können zurückgewiesen werden, und einige Leute versorgen mich; ich werde in ein Zimmer gebracht, aber es ist alles noch unsicher, unklar, ob sie zurückkommen und die Türen dichthalten; dazu kommt, dass wir einige Leute erwarten, die Zeug bringen, getarnt, unklar auch, was; sie haben es unter Mänteln und Jacken versteckt, kleine Dosen, Schachteln, Schokoladen, aber das ist es jetzt auch nicht selbst, sondern nur Tarnung für Stoffe unklarer Art; ich komme in ein anderes Zimmer, aber eine Frau fragt besorgt, ob es nicht zu staubig für meine Kopfwunde ist; lässt sich wohl nicht ändern, und es kommen immer mehr, die Zeugs bringen, auf einem riesigen Tisch steht alles voll, bis es endlich Morgen wird –

      – komme mit einer Seilbahn irgendwo an und da hocken alle alten Freunde, es sieht sogar so aus, als sei Volker Speitel dabei, und nachdem ich stehe, stehen sie alle auf – sie sitzen in vier Reihen – und singen ein »Happy Birthday«-artiges Lied, das mich sehr rührt; Julia kommt zu Besuch, ich warte auf einem Hochhausdach mit ruinenartigen Aufbauten, sie tritt aus dem Aufzug und ist zurückhaltend liebenswürdig wie immer; wir sind teilweise unbewacht, einmal auf einem großen Bett, aber passieren tut nichts, wir wandeln durch die Ruinen und ab und zu schleicht neben mir ein Bulle; nachdem sie sich von mir verabschiedet hat, kommen plötzlich die Bullen und eröffnen ihr, dass ihr Auto beschlagnahmt sei, sie ist ziemlich geschockt, aber kann nichts dagegen machen, und dann kommt auch der zweite, den sie besuchen will, ein Typ, den ich nicht kenne, auch Gefangener, der mich gar nicht beachtet, und nur kurz grüßt und mit ihr geht; aus dem Haus ragt ein Kran, auf den ich, ohne zu wissen, warum, klettere, totales Schwindelgefühl befällt mich und das Ding fängt dann auch noch an zu schwanken, kreist um den ganzen Häuserblock herum, fast wie fliegen –

      – wir sind in der Besetzung der Berliner Fotos zusammen, aber plötzlich gibt es furchtbaren Krach: die Frauen, vor allem Julia, werfen uns vor, chauvinistisch, rücksichtslos und unterdrückend zu sein, vor allem ich, sie packen ihr Zeug und ziehen aus; und je weiter, desto trauriger wird alles, auch wieder versöhnlich, aber sie gehen natürlich trotzdem, und wie wir Männer dann alleine sind, wissen wir nicht, was wir sagen sollen –

      – wir fahren zu dritt in einem abschüssigen Wald Ski, und einer bricht sich den Fuß; ich gehe Hilfe holen und komme in eine Dichterinnenlesung; Bachmann-Scholl-artige Frauen, alle kennen mich und zwinkern mir zu, ein Funksprechgerät stört und meldet den Beinbruch; ich suche weiter, aber Autos kommen und fangen an, auch durch Schnee und Wald sich einen Weg vorab zu bahnen, immer mehr, ganze Wagenkolonnen rasen hinunter, und ich stehe in einer Schneise zwischen zwei Autoströmen und komme weder vorwärts noch rückwärts –

      – wir besichtigen ein Schloss, das wir kaufen oder mieten wollen, aber nur von außen, und an einer Tür steht bei den Klingelknöpfen unter anderem DKP; wir wundern uns, ein Einheimischer ist dabei, der auch nichts Genaues weiß, wir rätseln, ob es zehntausend Mark im Monat kostet oder mehr oder weniger; dann kommen wir auf einen Platz, auf dem Jugendliche Fahrrad fahren, die ich nach einer Kneipe frage, in der man was trinken kann, sie fahren im Kreis um mich herum, und sagen: »wir sind erst sechzehn und dürfen nicht in die Kneipe, sie ist erst ab vierzehn Uhr offen« und »es gibt keinen Alkohol« – ich sage, dass ich etwas trinken will, Durst habe etc., aber sie weichen weiter aus, und ein Mädchen in einem hellen Kleid fährt mit geheimnisvollem Lächeln um mich herum! –

      – in einem Konzertsaal spielen auf der Bühne drei Leute, einer sieht aus wie Udo Lindenberg, Gitarre, Gesang und Flöte, der Saal ist leer, und ich komme mit einer älteren Künstlerin rein, die ihn mir zeigt, ich will einsteigen und suche eine Trommel, zwei Schlagzeuge und Bongos stehen rum, aber alle Trommelfelle sind zerfetzt, nichts geht; wir gehen raus, das Ganze ist auf einem Berg, und sehen im Tal unten eine Atombombe fallen – es ist also so weit, der Atomkrieg ist da; wir rennen den Berg runter, um in den Bunker zu kommen, komischerweise kommen uns aber ganz viele Leute entgegen, die den Berg hochpilgern, Nebelschwaden schwappen uns entgegen, es soll schon radioaktiv verseuchter Nebel sein, aber wir rennen durch und kommen dann auch in unterirdische Anlagen, ähnlich wie U-Bahnhöfe, aber auch mit Läden und Cafeterias, ich treffe Julia und wir umarmen uns –

      – wir gehen durch eine flache Landschaft spazieren; die anderen sind fremd, eine Frau ist interessant, ein Haus im Rohbau steht auch da, sie geht rein und winkt mir; es hat einen mittelalterlich wirkenden Turm, völlig blöde gebaut, unpraktisch, wir regen uns auf, lästern, ich fürchte, dass die Hausbesitzer kommen und merken, wie mein Schwanz aufgeht unter der kurzen Hose, aber es lässt sich noch kaschieren, und da hat Holger Börner auch schon Tischtennisschläger gekauft und vier spielen, bloß die Frau und ich nicht, aber jetzt ist auch Duschen, Julia sitzt lächelnd auf dem Boden und macht Gymnastik, sie gehört zu einer Frauengruppe, Schule oder ähnlichem, ich habe meine Kleider vergessen, ein Wächter schmiert an Flecken auf dem Mantel und der Hose Waschmittel, weil es so dreckig sei, Spritzer; ich renne, treppauf, treppab zum Duschraum – wie ein Langstreckenläufer, im Radio erzählt ein DDR-Dissident, wie er vom Staatsschutz angequatscht wurde, ich sehe Rolf Löchel neben einem Regal stehen und das neue, weiße DIN-A5-Buch lesen, ich gebe ihm einen Arschtritt, weils mir stinkt, weiß aber nicht genau, ob er es ist –

      – ganz genau nur dieses einzige Bild und ganz stark diese Stimmung: ein großes Zelt, in dem Massenspeisung veranstaltet wird, eventuell nach dem Atomkrieg, große Hoffnungslosigkeit und Apathie, aber auch Zusammengehörigkeitsgefühl, undeutlich, ob man in Gruppen rumsitzt oder alle an einem Tisch –

      – wir sind in einem U-Bahnschacht, in dem es plötzlich immer voller wird, ich verliere Julia aus den Augen, die Leute werden unruhig, es tut fast schon weh, so eng ist es, klaustrophobisch, empörtes Gemurmel, ich werde an die Wand gedrückt – endlich steigt die Erste über den Zaun und alles leert sich wieder – wir treffen uns draußen; sie hat einen weißen Hosenanzug an, der etwas bedeutet, ich weiß nicht, ob sie weiß, was es auf sich hat damit, sie verschwindet und Fips kommt und sagt, dass er ein Haus gemietet hat; wir sind auf dem anderen Ende einer Art Leopoldstraße –

      – bin in dem Zimmer von Mi, irgendwo im fünften Stock, draußen ist ein Staatsbesuch, von dem