„Hallo, Eve!“, grüßte er.
„Hallo, Bob!“ Evelyne schob ihm das Glas herüber, das sie bereits eingeschenkt hatte. Sie kannte seine Marke. „Du siehst abgespannt aus.“
Bob Seiler seufzte. Es tat gut, von einer schönen Frau bemitleidet zu werden.
„Ist das ein Wunder? Heute haben wir die neue Kollektion erhalten. Die Kunden müssen das förmlich riechen. Sie kamen in Scharen und gingen erst wieder, als sie das letzte Stück gesehen hatten. Ein paar haben sogar etwas gekauft.“
„Doch nicht etwa meine Perlenkette?“, fragte die Blondine erschrocken.
Bob Seiler schüttelte den Kopf.
„Die Perlen nehme ich nicht aus dem Safe. Ich hoffe, dass du sie dir irgendwann einmal von mir schenken lässt. Es ist die einzige Möglichkeit für dich, sie jemals zu bekommen. Einem anderen Mann würde ich sie nie verkaufen.“
Evelyne lachte dunkel. Lange Wimpern senkten sich über ihre Augen.
„Du bist verheiratet“, erinnerte sie ihn.
„Ich erwarte ja auch nicht von dir, dass du meine Frau wirst, Eve. Ich bin dreißig Jahre älter als du. Aber es gibt ja auch noch andere Möglichkeiten, sich näherzukommen. Denk mal darüber nach!“
Evelyne musste andere Gäste bedienen. Darüber war sie froh. Immer nahm das Gespräch mit Bob Seiler die gleiche Richtung. Sie musste so tun, als würde sie seinen Vorschlag ernsthaft in Erwägung ziehen. Dabei dachte sie nicht im Traum daran, mit diesem alten Knochen ins Bett zu gehen. Die Kette war trotzdem nicht unerreichbar für sie. Peter hatte sie ihr versprochen. Der würde das schon hinkriegen.
Bob Seiler beobachtete jede Bewegung der Fünfundzwanzigjährigen. Seine Kehle wurde trocken, obwohl er gerade den Bourbon hinuntergekippt hatte.
Teufel! Die Kleine musste er haben. Lange ließ er sich nicht mehr hinhalten.
„Telefon für dich.“ Evelyne schob ihm den Apparat hin und gab ihm den Hörer in die Hand.
„Für mich?“ Bob Seiler wunderte sich. „Wer kann denn wissen, dass ich hier bin?“
Wahrscheinlich war es Susan. Seine Frau traute ihm schon längst nicht mehr. Sie vermutete, dass er sie betrog. Leider hatte sie nicht recht. Noch nicht.
„Hallo, Susan?“
Eine männliche Stimme antwortete ihm.
„Kleiner Irrtum, Mister Seiler. Aber das passiert Ihnen in letzter Zeit ja öfter.“
Verdammt! Das war der Kerl von heute früh. Was wollte der schon wieder?
„Wollen Sie nicht deutlicher werden, Mister?“
„Ist das wirklich nötig? Sie sollten sich etwas mehr um Ihr Geschäft kümmern, als in Bars herumzuhängen. Es gibt erstaunlich viele Liebhaber für Juwelen. Meines Wissens würde es sich heute besonders lohnen. Die neue Kollektion ...“
„Zerbrechen Sie sich nicht meinen Kopf!“, gab Bob Seiler ärgerlich zurück. „Wer bei mir einbrechen will, muss erst noch geboren werden.“
Unterdrücktes Lachen war zu hören. Der Juwelier zerbrach sich den Kopf, ob er die Stimme kannte, aber er kam zu keinem Ergebnis. Außerdem war sie zweifellos verstellt.
„Ich will Ihnen keine Vorschriften machen“, fuhr der Unbekannte fort. „Ich mache Sie aber darauf aufmerksam, dass ich die Versicherung informieren werde, dass ich Sie rechtzeitig gewarnt habe. Es ist unwahrscheinlich, dass man Ihnen dann noch den Schaden ersetzen wird.“
„Hören Sie, Mister ...“
Der Mister hörte nicht. Er hatte aufgelegt. Genau wie am Morgen.
Bob Seiler behielt den Hörer in der Hand und starrte vor sich hin. Der Kerl machte ihn noch ganz verrückt. Er hatte doch nichts vergessen, oder?
Evelyne kehrte zu ihm zurück, schenkte sein Glas wieder voll und nahm ihm den Hörer aus der Hand.
„Eine unangenehme Nachricht?“, erkundigte sie sich teilnahmsvoll. Bob Seiler fingerte eine Zehndollarnote aus der Brieftasche und legte sie auf den Tresen.
„Ich muss weg“, stieß er hervor. „Vielleicht komme ich noch mal wieder. Überleg dir inzwischen mein Angebot! Du wirst im Laufe deines Lebens schlechtere erhalten.“
Die Blondine wollte ihn zurückhalten, aber da war er schon fort.
Es gelang ihr nicht, ihre Nervosität zu verbergen. Hastig trank sie den Whisky, der für Seiler bestimmt gewesen war. Aber der konnte auch nichts an ihrer panischen Angst ändern.
2
Der Mann im Keller wartete genau zehn Minuten, bevor er sich herauswagte. Er durfte jetzt keinen Fehler begehen. Bisher hatte alles geklappt. Kein Mensch war auf die Idee gekommen, hier unten nachzusehen. Damit hatte er gerechnet.
Peter Brass grinste triumphierend. Was nützte die raffinierteste Alarmanlage, die Schaufenster und Tür sicherte, wenn sie nicht ausgelöst wurde. Er würde das Geschäft sogar unangefochten verlassen können, denn natürlich schaltete er die Anlage vorher aus.
Er schlich zur Treppe und lauschte. Nein, alles blieb ruhig. Er befand sich allein hier. Nicht einmal eine Putzfrau würde ihn stören. Er wusste, dass Seiler die Frauen nie unbeaufsichtigt ließ. Sie mussten ihre Arbeit während der Geschäftszeit verrichten.
Der Einbrecher stieg lautlos die schmale Treppe nach oben. Er trug einen zusammengefalteten Ledersack in der linken Hand. Der war für die Beute bestimmt. Er durfte gar nicht daran denken, was ihm in dieser Nacht alles in die Hände fallen würde. Er hatte sich den günstigsten Termin ausgesucht.
Seine Jeansjacke wurde auf der rechten Seite ein wenig heruntergezogen. In der Tasche steckte die Pistole, die er eigentlich nur mitgenommen hatte, weil sie nun mal zu seiner Ausrüstung gehörte. Er wollte nicht damit schießen. Auf wen denn? Es war ja niemand da. Außerdem war er kein Killer. Einbrechen und einen Menschen töten waren zweierlei Dinge. Peter Brass hatte sich berufsmäßig für Ersteres entschieden. Er hatte sich alles genau überlegt. So leid es ihm auch tat, aber er durfte nichts aus den Vitrinen in den Verkaufsräumen oder gar aus den Auslagen mitnehmen. Man hätte ihn von der Straße her beobachten können. Er musste sich auf den Safe beschränken, den er im Büro wusste. Hier konnte er sicher sein, nicht entdeckt zu werden. Er durfte sogar seine Lampe benutzen.
Peter Brass lachte in sich hinein. Wenn man etwas richtig anpackte, war es ganz einfach. Er dachte an Eve. Sie würde Augen machen, wenn er ihr die Perlenkette um den Hals legte. Sie hatte nicht geglaubt, dass er es schaffte.
Er brauchte sich nicht zu beeilen. Theoretisch blieben ihm zehn Stunden für die Ausführung seines Supercoups, aber so lange wollte er sich natürlich nicht aufhalten. In längstens einer Stunde war alles erledigt.
Der Gangster betrat das Büro. Er wusste, hinter welchem Bild sich der Tresor befand. Es gab noch einen zweiten, kleineren Safe in dem Juweliergeschäft, doch der enthielt nur Dokumente und einen Bargeldbetrag. Nicht hoch genug, um sich deswegen anzustrengen.
Vorsichtig nahm er das Gemälde von der Wand und stand nun seinem Gegner gegenüber: einem Gegner aus Stahlblech von einer der renommiertesten Geldschrankfabriken der Vereinigten Staaten. Er kannte die Firma gut. Schließlich hatte er zweieinhalb Jahre für sie gearbeitet. Der Lohn war nicht besonders hoch gewesen, doch das Wissen, das er sich während dieser dreißig Monate angeeignet hatte, glich das wieder aus. Einen Safe dieser Bauart zu öffnen, stellte ihn vor keinerlei Probleme.
Peter Brass begann mit der Arbeit. Drei Zahlentrommeln waren in der richtigen Reihenfolge zweimal