"Und Vandermoore?"
"Er hat für die Batistutas gearbeitet."
"Du meinst den Mord an Minchew, dem Ukrainer."
"Zum Beispiel. Aber er muss noch andere Dinger für sie gedreht haben. Aufträge, bei deren Erfüllung er an Informationen gelangte, mit denen er die Batistutas erpressen konnte."
Lew zuckte die Acheln. "Die Tatsache, dass er Gillinger umbrachte, bedeutet meiner Ansicht nach, dass Vandermoore von diesem Insider-Kreis gewusst hat."
Ich sah Lew an. "Die Batistutas haben eine Million bezahlt. Wäre doch denkbar, dass Vandermoore glaubt, nochmal absahnen zu können."
"Ja. Und möglicherweise waren die Namen der anderen Beteiligten das, was Vandermoore aus Gillinger herausgepresst hat!"
Ich atmete tief durch.
"Vielleicht will er jetzt auch gar nicht so sehr Geld, sondern einen Unterschlupf. Alle drei auf unserer Liste wären gezwungen, ihm den zu geben, denn sonst wären sie selbst dran."
Eine Pause entstand.
Dann sagte Lew plötzlich: "Du sprichst immer von 'den Batistutas'."
"Was ist verkehrt daran?"
"In dem abgehörten Telefongespräch zwischen Vandermoore und Torturro wurde nur Alana erwähnt. Und was immer man auch über 'Big Boss' John Batistuta sagen mag - er war eher ein Gangster der alten Schule. Börsenbetrügereien passen überhaupt nicht in seine bisherige Vita.Schon die Umstellung von der klassischen Schutzgelderpressung zur Müll-Branche soll ihm nicht geschmeckt haben."
"Du meinst..."
Lew nickte. "Genau, Alter! Es wäre doch möglich, dass Alana Geschäfte auf eigene Rechnung gemacht hat - auf Big Boss Johns Kosten!"
Ich griff zum Handy.
Unser Spezialist für Wirtschaft, Agent Dwight L. Richards, musste Auskunft darüber geben, ob diese Theorie mit den Tatsachen in Einklang zu bringen war, die die Durchsuchung des Batistuta-Hauses ergeben hatte.
Eine Minute später wusste ich, dass das der Fall war.
Und ich erfuhr noch etwas anderes.
Orry und Cleve hatten im Central Park bei den Rosenbeeten zwischen West Drive und Heckscher Playground eine Leiche gefunden, die seit mindestens einem halben Jahr dort vergraben gewesen war. Die Verwesung war schon zu weit fortgeschritten, um noch Fingerabdrücke nehmen zu können geschweige denn, dass irgend ein Fotovergleich Sinn gehabt hätte.
Aber die wertvollen Überkronungen und Inlays im Mund des Toten waren unverwüstlich. Mit ihrer Hilfe würden die Gerichtsmedizinier früher oder später die Identität des Toten herausfinden.
"Ich vermute, unsere Kollegen haben das Grab des seit geraumer Zeit vermissten John Batistuta gefunden", meinte ich.
Lew nickte. Er hatte denselben Gedanken gehabt.
"Wenn sich das herausstellt, ergibt alles einen Sinn...
Alana hat Geld ihres Schwiegervaters abgezweigt für eigene Geschäfte. Der kam dahinter, deshalb musste er sterben."
"Und für so einen Job brauchte man einen Spezialisten wie Vandermoore!", vollendete ich. "Alana musste den Tod des großen Bosses vorerst geheimhalten, sonst wären in der Organisation sofort Nachfolgekämpfe ausgebrochen. Sie musste erst ihre Schäfchen ins Trockene bringen. Aber das machte sie für Vandermoore erpressbar. Nach und nach hat der dann wohl auch noch weitere Einzelheiten herausgekriegt."
Wir gingen die Namen auf der Liste durch, telefonierten.
Proctor befand sich seit drei Tagen auf einem Auslandsaufenthalt wie ich von seiner Firma, der Generel Electronics Inc. erfuhr.
Bazhinsky hatte vor einer Woche einen Schlaganfall erlitten, lag jetzt in einer Privatklinik in Albany und rang mit dem Tod.
Blieb Nummer drei.
McFadden.
Er bewohnte eine der protzigsten Villen in den Hamptons auf Long Island.
Ein Ort, wie geschaffen, um eine Weile unterzutauchen.
Vandermoore konnte dort abwarten, bis sein Bild nicht mehr täglich in den Medien erschien. Und McFadden war gezwungen, ihm zu helfen. Einen seriösen Wall Street-Mann wie ihn würde man kaum verdächtigen, den Fluchthelfer für einen gesuchten Gangster zu spielen.
"Bis jetzt ist alles Theorie!", stellte Lew klar.
Er hatte leider recht.
Aber wir würden bald sehen, was an dieser Theorie dran war.
24
McFaddens Villa auf Long Island lag auf einem umzäunten Gelände direkt am Meer. Fast ein halber Kilometer Strand gehörten mit dazu. Das Gebäude selbst war zweistöckig und den herrschaftlichen Landhäusern in Louisiana oder Alabama nachempfunden.
Alle Zufahrtswege zu dem Anwesen wurden durch Kräfte der State Police und des zuständigen County Sheriffs abgesperrt.
Etwa hundert Kilometer lagen zwischen den Hamptons und New York City.
Wir ließen uns per Helicopter zum Büro des zuständigen County Sheriffs bringen. Außer Lew und mir begleiteten uns noch die Agenten Fred Raska, Les McClell und Joe Dornberg. Weitere Special Agents waren auf dem Landweg mit mehreren Einsatzfahrzeugen unterwegs.
Sie würden daher erst später eintreffen.
County Sheriff Jay Peterson stellte uns zwei seiner Einsatzfahrzeuge zur Verfügung. Er selbst fuhr mit seinem Wagen vor und führte uns zu einer Anhöhe, von der aus man einen guten Überblick über das gesamte McFadden-Gelände hatte.
Leibwächter mit Hunden patrouillierten um das Gelände herum.
McFadden schien sehr viel Wert auf Sicherheit zu legen.
Peterson nahm das Fernglas kurz vor die Augen und senkte es dann wieder. Er wandte sich an mich.
"Bis jetzt hat sich nichts getan. Meine Leute beobachten das Anwesen bereits eine Dreiviertelstunde. Es ist niemand herein- oder herausgekommen."
"Halten Sie Ihre Leute bitte absolut im Hintergrund", sagte ich. "Davon hängt viel ab. Sobald der Mann, den wir suchen, merkt, dass er eingekreist ist, läuft er vielleicht Amok..."
Sheriff Peterson verzog das Gesicht. "Ich hoffe, Sie haben einen vernünftigen Plan, um den Kerl ohne Blutbad gefangen zu nehmen..."
"Leichter gesagt, als getan."
Jetzt mischte sich Lew in das Gespräch. "Erstmal müssen wir sicher sein, dass Vandermoore wirklich da drin ist...
Sonst ist dieser ganze Aufzug nämlich der größte Reinfall in der Geschichte unseres Special Case Field Office..."
"Was?", zischte Sheriff Peterson. "Sie sind sich noch nicht einmal ganz sicher, ob der Gesuchte überhaupt hier ist? Das darf doch nicht wahr sein! Haben Sie eigentlich mal daran gedacht, dass unsereins von der Bevölkerung gewählt wird? Das Schlimmste, was euch G-men passieren kann ist doch, dass ihr ewig auf einen langweiligen Schreibtischjob abkommandiert werdet und in der Karriereleiter hängenbleibt. Aber für einen County Sheriff sieht das anders aus."
Ich sah ihn ruhig an.
"Ich habe vor allen Dingen daran gedacht, diesen skrupellosen Killer zu fangen, Sheriff. Einen Mann, der mehr als zwei Dutzend Menschen umgebracht hat - und den man nicht umsonst 'die Bestie' nennt. Und ich habe auch an die zukünftigen Opfer dieses Killers gedacht..."
"Murray, da tut sich was!", meldete sich Joe Dornberg zu Wort. Der ehemalige Cop der City Police beobachtete mit einem Fernglas die Südfront des Anwesens.
Zwei Männer waren auf dem Balkon zu sehen.
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