Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Schrenk
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745212532
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einem Fenster des Nebengebäudes wurden resolut Blumentöpfe und Gardinen zur Seite geschoben. Ein Fensterflügel öffnete sich quietschend im ersten Stock, und eine Frauenstimme, der man die belgische Heimat noch anmerkte, sang herunter: »Wollen Sie zu wem Bestimmtes?«

      Und so würde der junge Polizist wohl zu seiner ersten Belobigung in der Personalakte kommen. Die freundliche Nachbarin wusste nämlich genau, dass der Hennes Schmitz - »Fuffzich, und schon in Rente! Dä hat et joot!« - seit Oktober schon auf Mallorca ist und vor Mai nächsten Jahres nicht zurückkommen wird. »Wie dä sisch dat leisten kann! Also unsereiner kann dat nich!«

      Bis vor zwei Wochen sei die Wohnung von einer jungen Frau einmal die Woche gelüftet worden.

      »Dat war komisch von dä Hennes. Dat Mädschen kannte hier kein Mensch. So wat seh’n wir hier nich so jerne!«

      Aber vor zwei Wochen habe das Mädchen die Wohnungsschlüssel einer anderen Bewohnerin des Hauses auf der Everhardstraße übergeben.

      »Die macht dat jetz. So jehört sich dat auch!«

      Und gerade als der junge Beamte noch überlegte, ob das etwas Ungewöhnliches sei, dem er nachzugehen habe, kam aus Richtung Subbelrather Straße mit Taschen beladen eben jene Hausbewohnerin. Die Nachbarin von nebenan ließ ihm keine Chance und teilte der schwer atmenden Frau das Ansinnen des »jungen Mannes von der Polizei« mit. Wenig später schon fand sich der Beamte in der sauber aufgeräumten Junggesellenwohnung des Johannes Schmitz wieder.

      Geduldig hört sich Benedict im Wagen des Kölner Einsatzleiters den Bericht an. Draußen tummelt sich eine Menge Volk. In einem Kneipeneingang an der Ecke Subbelrather drängen sich angetrunkene Neugierige. Kleine Jungen mit kurzgeschorenen Rundköpfen bewundern aus großen Augen die grünen Polizeikräder.

      In der Wohnung im zweiten Stock haben die Kölner Beamten auf Plastikfolie die nummerierte Strecke ausgelegt. Die Fundstücke sind nur vor oberflächlicher Betrachtung verborgen gewesen. Kleine Schilder mit Zahlen markieren die Fundorte in der Wohnung. Die 1 auf der Küchenanrichte gehört zu einem unter Bestecken gefundenen PKW-Kennzeichen für englische Militärfahrzeuge, die 2 auf dem Beistelltischchen in der Wohnzimmerecke zu einem Sprengzünder, der in der Erde eines gewaltigen Ficus Benjamin verborgen war, die 3 zu einem Lageplan der Bonner Residenz des britischen Botschafters zwischen uralten Fernsehzeitschriften unter dem Fernseher und die 4 auf dem Wäschefach des geöffneten Kleiderschranks zu einer Neun-Millimeter-Browning-Pistole.

      »Ist wie Ostern heute, nicht?«, meint Captain Hart distanziert.

      »Bist du sicher? Und was meint ihr?«

      McGrath spuckt aus und schüttelt den Kopf.

      Mit einem lauten Prusten lässt O’Connell Luft ab. Auf seinem Gesicht spiegelt sich Unschlüssigkeit wider. »Lass uns das nachher im Büro besprechen. Wir müssen das alle erst mal verdauen!«

      »Okay«, nickt Benedict. »Sie untersuchen das ja noch nach Spuren, Fingerabdrücken und so«, wendet er sich dann dem Kölner Einsatzleiter wieder zu. »Wenn Sie was finden ... Sie haben ja unsere Nummer. Ach ja, den Wohnungsinhaber müssen Sie natürlich auch sofort vernehmen lassen. Wir müssen wissen, wie das hier gelaufen ist und wie tief der da mit drinsteckt!«

      »Aber der ist auf Mallorca!«

      »Ihr Problem, Kollege!«

      Berlin. Benrath. Hilden. Köln. Bonn.

      Wenn nun doch nicht Benrath? Sondern wirklich Köln oder Bonn? Und Benrath ist nur der ablenkende Schachzug, während der richtige Anschlag in der Domstadt ausgeführt wird? Oder während der Fahrt in die Bonner Residenz? Oder ...

      Die Entdeckung der Wohnung in der Kölner Everhardstraße hat die Spannung innerhalb des ISAT erneut auf neue Höhen getrieben. Selbst Jerry Hart, sonst kaum von Selbstzweifeln geplagt, hat eine nachdenklich gefurchte Stirn bekommen.

      Benedict knispelt nervös mit den Fingernägeln. Was könnte man noch tun?

      Gernot Ganser ist doch in Benrath zu Hause gewesen. Der ist zwar voll und ganz mit der Spritzer-Sache beschäftigt, aber vielleicht könnte er sich ja trotzdem ganz nebenbei bei seinen Spezies umhören. Vielleicht wissen die was.

      Sollte er anrufen? Nein, er musste unbedingt mal raus aus dem beengenden Beieinander der ISAT-Kollegen.

      Drüben im zweiten Stock des Präsidiums herrscht erholsame Ruhe auf den Fluren, die sogar für einen Spätnachmittag unüblich ist.

      Im 1. K ist es still. Als er nur die Kommissarin Leiden-Oster an ihrem Schreibtisch sitzen sieht, will er sich eilig wieder verziehen. Doch zu spät.

      »Ach ... Tach ...«

      »Tag. Ist der Ganser nicht da?«

      »Nein.«

      »Wissen Sie, wo er ist?«

      »Hat sich bei mir nicht abgemeldet!«

      Normalerweise wäre der Leiter des 1. K bei dieser Bemerkung schon in die Luft gegangen, aber er sagt nur lahm »Na denn ...« und versucht sich enttäuscht davonzumachen. In Gedanken ist er schon wieder mit den Orten Benrath, Bonn und Köln beschäftigt, und er hört nicht einmal mit einem halben Ohr auf das, was die Kommissarin ihm in sehr entschlossenem und irgendwie bedrohlichem Tonfall sagt. Dieser Tonfall, der sich wesentlich von den heftigen Zornesausbrüchen unterscheidet, mit denen Benedict in den letzten Wochen häufiger konfrontiert war, hätte bei ihm unter normalen Umständen sämtliche Alarmglocken aufschrillen lassen.

      »Nein, Kollege Benedict. Ich weiß nicht, wo der Kriminalhauptmeister Ganser ist. Ich weiß aber, dass Läppert, Neumann, Franzen und Schippers bis gestern bei dem PDV-130-Einsatz eingeteilt waren und heute Freizeitausgleich haben, Kollege Doemges als Zeuge im Garath-Prozess sitzt, die Leute vom 2. K nur noch sporadisch hier erscheinen und Sie offensichtlich kein Interesse an den Ermittlungen zeigen und ... na, ist ja egal Es langt!«

      Das alles wird kühl und sachlich vorgebracht, ohne jedes Anzeichen innerer Bewegung.

      »Ja, ja. Sie haben sicher recht ... sagen Sie dem Ganser, er soll mich anrufen, wenn er auftaucht. Machen Sie’s gut ...«

      Wie gesagt, unter anderen Umständen hätte Benedict die Zeichen drohenden Unheils gespürt. So aber dreht er sich um, geht mit schlurfenden Schritten zum Lichtschacht und steigt, verfolgt von den kalten Blicken der Kommissarin, geistesabwesend in den klappernden Paternoster.

      *

      »Mensch, Schicki! Ist denn da noch keiner gewesen? Das ist doch jetzt schon fast zwei Monate her!«

      Der immer noch blasse Mann im Krankenbett stützt sich auf die Ellenbogen hoch und betrachtet kopfschüttelnd das verschmierte Berichtsblatt in Gansers Händen. Auf der Krankentafel am Kopfende des weißen Bettgestells steht sein Name: Karl-Heinz Dunklenbroich, eingeliefert am 21. September. Erst heute Mittag ist es Ganser gelungen, den Aufenthaltsort Dunklenbroichs herauszufinden. Zwar hat er schon am Montagnachmittag gehört, dass der Kriminalhauptmeister mit einer Gelbsucht krank gemeldet ist, aber ob er immer noch im Krankenhaus liegt, hat ihm niemand sagen können. Bei dem alleinstehenden Kriminalhauptmeister, der in Viersen wohnt, ging niemand ans Telefon. Ein offensichtlich völlig überlasteter Kollege auf der Sanitätsstation murmelte irgendwas vom Evangelischen Krankenhaus Viersen, da sei er schließlich zu Hause. Nachdem Ganser sämtliche dortigen Krankenhäuser vergeblich abtelefoniert hatte, rief er abends ziemlich verzweifelt bei Doemges in Korschenbroich an. »Was soll die Hektik? Der liegt doch in der Uni-Klinik Moorenstraße. Ich habe ihn da doch schon besucht!«

      So einfach war das.

      »Irgend so ein Blödmann bei uns hat deinen Bericht mit Kaffee oder Cola vollgekleckert, dadurch ist er hinter einem anderen Blatt festgeklebt und weggeheftet worden. Einfach verschwunden. Unter die Räder gekommen!«

      »Ferkelei«, murmelte der Rekonvaleszent, fährt dann aber alarmiert hoch,