„Das soll eine Art Pferdehof sein, auf dem Berliner, die sich das leisten können, ihr Pferd unterstellen, mit dem sie dann übers Wochenende mal ausreiten“, meinte Olli.
„Sofern sie dazu überhaupt Zeit haben“, gab Jürgen zurück.
Sie parkten den Wagen direkt vor der Haustür des Haupthauses.
Die beiden Kommissare stiegen aus.
Olli ging mit seinen guten Schuhen wie ein Storch durch den aufgeweichten Boden. Er galt als bestangezogendster Mitarbeiter des ganzen Präsidiums – aber hier draußen hatte er definitiv nicht das Richtige an den Füßen.
„Etwas overdressed, würde ich sagen“, meinte Jürgen grinsend.
„Hauptsache, wir sind nicht umsonst hier raus gefahren.“
Sie gingen zur Tür des Haupthauses. Es gab keine Klingel. Jürgen klopfte heftig. Es dauerte ein paar Minuten, ehe sich innen etwas regte. Wenig später öffnete ein großer, kräftiger Mann in einem karierten Hemd und musterte Jürgen und Olli von oben bis unten.
Jürgen hielt ihm seine ID-Card entgegen.
„Jürgen Caravaggio, Bundeskriminalamt. Dies ist mein Kollege Kommissar Medina. Sind Sie Herr Ronald Kehrmich?“
Der Mann im karierten Hemd verschränkte die Arme. „Der bin ich. Was wollen Sie?“
„Sie waren doch vor ein paar Jahren mit einer gewissen Svetlana Bykow verheiratet.“
„Das liegt Jahre zurück. Wollen Sie mir jetzt die Rechnung präsentieren und mir doch noch nachweisen, dass es sich um eine Scheinehe handelte? Hören Sie, wir sind damals deswegen angeklagt worden und es kam zu einem Freispruch. Und soweit ich weiß, kann man wegen desselben Delikts nicht zweimal vor Gericht gebracht werden.“
„Darum geht es auch nicht, Herr Kehrmich. Können wir vielleicht kurz hereinkommen?“
Kehrmichs Körperhaltung entspannte sich etwas. Ein paar Augenblicke schien er mit sich zu ringen, dann nickte er.
„Okay, kommen Sie!“
„Danke“, sagte Jürgen.
Kehrmich führte Jürgen und Olli in die Wohnküche.
„Wollen Sie Kaffee?“
„Nein danke“, sagte Jürgen. „Sie müssen zugeben, dass der Verdacht, dass Sie mit Svetlana Bykow eine Scheinehe führten, nicht ganz von der Hand zu weisen war. Ich meine, jetzt könnten Sie es doch gefahrlos zugeben.“
Kehrmich grinste. „Ich habe zwanzigtausend Euro von einem reichen Kerl bekommen. Es war ihr Bruder – Wladimir Bykow. Dafür habe ich Svetlana geheiratet, damit sie die deutsche Staatsbürgerschaft schneller bekommen konnte.“ Kehrmich zuckte mit den Schultern. „Hat sich für und beide gelohnt, würde ich sagen! Aber ich bin schon seit Jahren von meiner Frau geschieden und habe nicht die geringste Ahnung, was Sie von mir wollen!“
„Wir suchen Svetlana“, erklärte Olli.
„Tut mir leid, ich habe keine Ahnung, wo sie ist. Und damit, würde ich sagen, ist das Gespräch zu Ende. Ich muss mich um die Pferde kümmern. Es bezahlen ein paar reiche Pinkel aus dem Großraum Berlin schließlich ein Heidengeld dafür, dass ich mich um ihre edlen Reittiere kümmere!“
„Wir müssen Ihre Ex-Frau unbedingt finden“, sagte Olli. „Ihr Bruder ist verschwunden. Wir haben eine Blutspur gefunden und brauchen Svetlana Bykows DNA, um mit Sicherheit sagen zu könne, ob der Verschwundene einem Verbrechen zum Opfer fiel. Also helfen Sie uns bitte.“
Kehrmich runzelte die Stirn. „Wie kommen Sie darauf, dass ich noch Kontakt zu meiner Ex-Frau habe?“, empörte er sich.
„Sie sind einfach unser einzige Ansatzpunkt. Svetlana Bykow alias Svetlana Kehrmich ist nämlich anscheinend untergetaucht. Sie hat keine uns bekannte Adresse und keine Kreditkarte.“
„Zumindest nicht unter diesem Namen“, ergänzte Jürgen.
Kehrmich kratzte sich am Hinterkopf. Er trat zum Fenster, wandte uns den Rücken zu und blicke nachdenklich ins Freie. „Ich habe mich mit Svetlana immer gut verstanden, trotz allem. Nach unserer Scheidung hat sie eine ganze Weile in Oranienburg gewohnt und eine Boutique betrieben.“
„Das wissen wir. Aber es gibt weder die Boutique, noch ist sie unter ihrer alten Adresse in Oranienburg zu erreichen“, stellte Jürgen fest.
„Am besten, Sie lassen sie einfach in Ruhe“, meinte Ronald Kehrmich. „Sie hatte schon während unserer Ehe etwas dagegen, wenn sich ihr Bruder eingemischt hat...“
„Ich fürchte, Herr Bykow ist im Moment gar nicht in der Lage, sich noch irgendwo einzumischen“, erwiderte Jürgen etwas gereizt. „Und die Leute, die ihn möglicherweise auf dem Gewissen oder entführt haben, könnten vielleicht auch nach seiner Schwester suchen.“
Kehrmich machte eine ruckartige Bewegung. „Ich habe Svetlana eigentlich versprochen, nichts zu verraten.“
„Wollen Sie sie auf dem Gewissen haben?“
Kehrmich schluckte. „Sie nennt sich jetzt Jana Petersen und wohnt in Potsdam. Und jetzt wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie verschwinden könnten. Ich habe nämlich vor kurzem wieder geheiratet und möchte mir eigentlich ersparen, meiner Frau von den alten Geschichten erzählen zu müssen!“
Jürgen langte in die Innentasche seiner Jacke und reichte ihm erst einen Notizblock und anschließend einen Kugelschreiber.
„Scheiben Sie uns die Adresse auf, Herr Kehrmich!“, verlangte unser Kollege.
„Die kenne ich nicht. Wir hatten nur zwischenzeitlich einmal Telefonkontakt, als sie mich bat, für sie eine Rechnung bei einem Versandhaus zu begleichen.“
„Und das haben Sie getan?“, frage Jürgen.
„Ja. Sie hat mir das Geld in bar zurückgezahlt. Ich habe sie dazu kurz auf einem Parkplatz getroffen.“
„Sie wollte wohl vermeiden, dass sie mit einer Kreditkarte Spuren hinterlässt!“, schloss Olli.
Jürgen nickte. „Sie wollte untertauchen.“
25
Es gab insgesamt drei Personen in Potsdam, die Jana Petersen hießen.
Es stellte sich heraus, dass eine dieser Personen eine Boutique eröffnet hatte.
„Das ist sie!“, meinte Jürgen, als Max Herter ihm diese Erkenntnisse telefonisch durchgab. „Sie versucht beruflich wieder dort Fuß zu fassen, wo sie auch vorher schon tätig war!“
Über das Internet war auch die Adresse dieser Boutique schnell zu finden. Das Geschäft lag in der Elisabeth Reitmeier Straße in Potsdam.
Olli und Jürgen betraten den Laden.
Die Chefin persönlich stand hinter dem Kassentisch und sah ein paar Rechnungen durch, als die beiden Kommissare ihr die Marke entgegenhielten.
„BKA. Sind Sie Jana Petersen?“, fragte Jürgen.
Sie blickte auf, strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und wurde dunkelrot.
„Ja“, murmelte sie.
„Wir müssen Ihnen ein paar Fragen stellen, vielleicht gehen wir dazu in einen Nebenraum.“
„In Ordnung.“ Sie fasste sich und wandte sich der einzigen Angestellten des Ladens zu, einer jungen Frau mit brünetten, gelockten Haaren. „Würdest du mal eben übernehmen, Dana?“
„Ja klar!“
Jürgen und Olli gingen zusammen mit der Frau, die sich nun Jana Petersen nannte, in einen benachbarten Lagerraum.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
„Was ist? Was werfen