Der Finnische Krieger. Günter Rippke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günter Rippke
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347089846
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      „Nur immer zu, Fragen bin ich ja gewohnt.“

      „Wie fanden Sie unsern Einstein da letztens?“

      „Nun, er war mir ja nicht unbekannt.“

      „Ich meine inhaltlich.“

      „Hochinteressant natürlich, wenn auch etwas gewöhnungsbedürftig.“

      „Nicht wahr? Ich hatte ebenfalls so meine …“

      „Er behandelt ja auch Fragen, die hier auf der Erde so nicht bestehen.“

      „In der Tat. Aber sind die Schlussfolgerungen nicht unglaublich?“

      „Was bedeutet unglaublich? In der Wissenschaft gilt kein Glauben an etwas, sondern die Realität.“

      „Selbstverständlich. Aber sollte die uns nicht wenigstens begreifbar sein?“

      „Hm – da fragen sie was! Wollen Sie darauf nur eine Antwort haben oder zehn?“

      „Eine würde vorerst genügen.“

      „Die lautet Nein.“

      „Was nein.“

      „Die Realität ist nicht begreifbar. Punkt.“

      Es entstand eine kleine Pause, Arpen nippte an seinem Tee.

      „Sehen Sie“, begann er wieder, „wir können bestenfalls verstehen, was wir unmittelbar wahrnehmen, unsere Vorstellungskraft will aber hinter die Dinge kommen, und da sieht es eben anders aus. Ziemlich anders. Ich würde sogar sagen, gänzlich anders. – Sie können mir folgen?“ Kleinermann hatte einen ziemlichen Schluck vom Pharisäer genommen, der ihm wie selbstverständlich auch ohne Bestellung gebracht worden war.

      „Absolut, Herr Studienrat, ich bin ganz Ohr.“

      „Also. Was können wir mit Sicherheit von den kosmischen Verhältnissen wissen? Wenig. Sie sind gewaltig, das ist fast schon alles. Von den atomaren? So gut wie nichts, die chemischen Regeln einmal ausgenommen, und die Atombombe.

      Und von den subatomaren Zuständen? Überhaupt nichts. Aber wir haben Theorien über diese Seiten der Realität. Das ist schon alles.“

      „Ich würde sagen, das ist allerhand.“

      „Ohne Frage. Sie hatten jedoch nach der Begreifbarkeit gefragt. Ich war noch nicht am Ende; … äh, also Theorien. Wir sind uns wohl einig, dass es sich dabei um Annahmen handelt, bestenfalls um Näherungen oder Wahrscheinlichkeiten, nicht wahr?“

      „Darin stimmen wir vollkommen überein.“

      „Sehr schön. Dann werden Sie mir gewiss auch darin beipflichten, dass unser sogenanntes Wissen, kein Begreifen der Wirklichkeit darstellen kann.“

      „Sie umfassen da mit dem Realitätsbegriff eine Gesamtheit, der ich im Augenblick nicht spontan folgen möchte.“

      „So nennen sie mir eine Begrenzung.“

      „Hm. Ich weiß nicht recht. Es hat dem Menschen bisher doch genügt, was er mit seinen Sinnesorganen …“

      „Ha, Sinnesorgane; wie viele haben wir denn? Was leisten sie? Sehen wir UV, hören wir Ultraschall? Können wir den Magnetismus wahrnehmen? Das sind doch ganz handfeste Erscheinungsformen der Wirklichkeit. Und ich könnte fortfahren: Radiowellen, Funk und Fernsehen, das ganze Ätherrauschen und so weiter.“

      „In der Tat. Ich muss da meinen Horizont wohl etwas erweitern, scheint’s.“

      „Die Einsicht ehrt sie, lieber Kleinermann. Aber ich sehe – vielmehr spüre vermittelst meines Temperaturempfindens, hahaha – dass der Tee inzwischen …“

      „Oh, erlauben Sie mir.“ Kleinermann winkte der Bedienung. „Und vielleicht etwas Gebäck?“

      „Ich hatte bereits einen vorzüglichen Apfelstrudel.“

      „Wer sagt denn, dass ein zweiter weniger gut sei? Eine willkommene Empfehlung auch für mich. Mit Ihrer Erlaubnis!“ Er ließ zwei Apfelstrudel und zwei Darjeeling FF kommen. „Wir sollten unser Gespräch noch nicht beenden, Herr Studienrat!“

      „Ganz wie sie wünschen, lieber Kleinermann, aber die wichtigsten Aspekte zu Einstein haben wir ja abgearbeitet, denke ich.“

      „Das Empfinden kann ich keineswegs teilen, ganz im Gegenteil. Mir scheint, dass man mit dieser Ausdehnung des Denkens auf das Universum nie zu einem Ende kommen wird.“

      „Eine interessante Position. Ich sehe, wir nähern uns einander an.“

      „Wie auch nicht, Herr Studienrat. Ich bin dankbar, in Ihnen einen geistigen Führer …“

      „Nun übertreiben Sie aber. Im Gegenteil: Ich bin überrascht von Ihrem allgemeinen Interesse.“

      „Alles nur angelesen. Man hat ja keine solide Ausbildung in Sachen Wissenschaft erfahren.“

      „Ach wissen Sie, das mit der Ausbildung wird oft zu hoch veranschlagt. Gewiss, sich einige Jahre ungestört den Studien hingeben zu können, ist dem Anliegen sehr förderlich. Andererseits erfährt man im Grunde nicht viel anderes, als auch einem Normalbürger zugänglich wäre – wenn er seine Zeit darauf verwenden könnte.“

      Das Bestellte kam, und man beschäftigte sich vorerst damit.

      „Großartiger Apfelstrudel“, meinte Herr Kleinermann.

      „Vorzüglicher Tee“, ergänzte Arpen. Wo bestellen sie übrigens Ihren Bedarf, wenn ich fragen darf?“

      „Tee nehme ich nur nachmittags, da genügt ein gelegentlicher Nachkauf im Teelädchen von Anke Tönnissen nebenan vollkommen. Ist ja nur zwei Häuser weiter. Anke weiß, dass ich Darjeeling FF trinke, immer neueste Ernte.“

      „Ach ja? Sind Sie ein solcher Spezialist? Ich hielt mich bisher mehr an den Ostfriesentee.“

      „Ist ja auch in Ordnung. Ein guter Assam hat seinen Charakter. Ostfriesentee ist stets Assam, und oft auch sehr kräftig, es kommt auf die Feinheit der Mischung an. Ich bevorzuge grundsätzlich Gartentees.“

      „Diese Tasse überzeugt mich, ich sollte vielleicht meine Gewohnheiten ändern.“

      „Anke könnte Sie gut beraten.“ Er lehnte sich zurück. „Und Sie würden uns Laien Hoffnung machen, mit Fleiß in den Wissenschaften voran zu kommen?“, begann er wieder.

      „Nur mit Fleiß, lieber Kleinermann, nur mit Fleiß. Doch steht nicht alles in den Büchern. Die andere Hälfte ist immer noch das eigene Nachdenken.“

      „Und wenn man dabei zu anderen Schlussfolgerungen gelangte?“

      „Das ist natürlich möglich, doch eher selten. Ich würde sagen, in dem Fall verfügt man entweder noch nicht über einen ausreichenden Kenntnisstand und urteilt laienhaft, oder man ist bereits im Besitz einer vollkommenen Übersicht. Das wäre dann ein Glücksfall für die Wissenschaft. Adepten der ersten Art ziehen keine Schlüsse von einiger Bedeutung.“

      „Ich möchte aber doch annehmen, dass Fragen und Zweifel erlaubt sind.“

      „Höchst notwendig sogar, lieber Kleinermann, nichts ist sicherer. Aber Schlussfolgerungen sind etwas anderes.“

      „Da habe ich mich vielleicht etwas missverständlich ausgedrückt.“

      „Dachten Sie dabei an etwas Besonderes?“

      „Schon; es kann doch vorkommen, dass jemand die Einsicht gewinnt, die ganze Richtung wäre Unsinn, also die wissenschaftliche Weltsicht, und wendet sich einer anderen Deutung zu. Ich habe da zum Beispiel selbst …“

      „Na, Sie sind mir aber einer! Wollen Sie etwa in die Esoterik abdriften?“

      „Ich überlege noch“, erwiderte Kleinermann etwas gereizt über die ständigen Unterbrechungen. „Aber man bietet mir da gegenwärtig noch etwas zu wenig.“

      Arpen blickte sein Gegenüber mit