„Nein, es ist wahr. — Schwester, helfen Sie ihr beim Anziehen! Die Zeit ist knapp. Sie können mitfahren.“
Als die junge Schwarze sich über Helen Teflin beugte, machte die ihre Augen auf, lächelte befreit und sagte: „Schwester Betty! Oh, nun wird es doch wahr. Sie sind der einzige Mensch, an den ich geglaubt habe!“
„Schnell, Miss Teflin, wir müssen uns sehr beeilen!“, flüsterte Schwester Betty. Dann drehten sich die drei Männer taktvoll um, und Betty half Helen Teflin beim Anziehen.
Kaum waren die beiden Frauen fertig, sagte der Baron ungeduldig: „Los, Le Beau, die Tragbahre und den Bahrenwagen!“
„Kommt, steht, schon hier!“ Le Beau hatte den Wagen mit der Bahre von nebenan geholt, wo tatsächliche Verrückte eingesperrt waren.
Helen Teflin musste sich wieder auf den Wagen legen. Le Beau schob, die Schwester ging nebenher, auf der anderen Seite James in der Maske des Chefarztes, voraus der Baron als McGowan.
Mit den Schlüsseln, die Le Beau seinem Freund Alexander von Strehlitz gegeben hatte, schloss dieser die Gittertür auf und hinter dem Konvoi wieder ab, dann fiel auch die Tür hinter ihnen zu, und sie fuhren den langen Gang entlang. Sie machten es rasch, und wider Erwarten ging es gut. Dort grüßte eine Schwester, dann waren sie beim Lift.
„Alles fahrplanmäßig“, sagte der Baron. Sie schoben die Bahre in den Lift, der zufällig auf ihrer Etage hielt. Als sie alle drin waren, drückte Le Beau auf die Parterretaste. Der Lift ruckte an, fuhr ein Stück und hielt plötzlich unvermittelt mit einem Ruck.
„Was ist denn nun los?“, fragte James überrascht.
„Der Lift hat den Geist aufgegeben. Schöner Mist!“, knurrte Le Beau.
„Ruhe bewahren! Wenn der Hubschrauber jetzt kommt, geht alles in die Hosen.“ Der Baron drückte ein paar Knöpfe, aber der Lift stand wie ein Denkmal von Washington.
15
Der dicke Wärter war zuerst wieder aufgewacht, kurz nach ihm kam einer der Sinclairleute zu Bewusstsein, und da brüllten sie auch schon wie die Irren. Sie versuchten aus der Kartonkammer zu kommen. Der Wärter hing an der Handschelle fest, die anderen, die jetzt so nach und nach munter wurden, versuchten, die Tür aufzudrücken, aber in einer Irrenanstalt war nichts aus leichtem Material. Die Tür hielt.
Die Hilfe kam von anderer Seite. Schwester Claire, zuletzt eingeschläfert, hatte nur ein wenig vom Inhalt der Kapsel mitbekommen; der Rest war ihr aus dem Mund gelaufen. Und so wachte Sie viel rascher auf als die anderen. Sie brauchte noch eine Minute, ehe sie sich erinnerte. Dann aber war die resolute Frau auf den Beinen. Sie hastete zum Gitter ... die Gittertür war zu. Sie hörte aber von da aus das Gebrüll aus der Kartonkammer.
Ohne Schlüssel ließ sich die Gittertür nicht aufmachen. Also kehrte die Schwester um, hastete zurück bis zur Krankenzelle von Miss Teflin. Wie sie erwartet hatte, war der Vogel ausgeflogen - die Zimmerschwester gleich mit.
„Na wartet!“, keuchte sie entschlossen. Dann öffnete sie draußen auf dem Gang einen Kasten mit ihrem Vierkantschlüssel, zog einen Telefonständer heraus, aber die Leitung des darauf stehenden Telefons war tot. Doch Schwester Claire gab nicht auf. Sie drückte auf den Feueralarmknopf, der sich neben dem Telefon an der Wand befand. Und der Alarmknopf funktionierte. Plötzlich war das ganze Haus vom Rasseln unzähliger Klingeln erfüllt.
Sinclair hatte im Erdgeschoss weitere zwei Männer postiert, die vor allem den langen Gang von der Wache am Haupttor zum großen Anstaltsgebäude überwachten und darauf achteten, wer kam und ging. Denn das war immer noch der einzig reguläre Eingang.
Diese beiden Männer hörten das Feuerklingeln, und bevor sie dazu kamen, jemanden zu fragen, rief ihnen ein Pfleger zu: „Feuer im dritten Stock!“
„Das ist bei der Teflin!“, meinte einer der beiden. Und er raunte seinem Partner zu: „Los, wir müssen hinauf! Komm, zum Lift!“ Aber der kleinere Lift fuhr gerade ab, und der andere, in dem auch Lasten befördert werden konnten, kam nicht.
„Scheiß Fahrstuhl!“, knurrte Sinclairs Mann und rief dem anderen zu: „Los, das Ding kommt wieder ewig nicht. Die Treppe hinauf!“
Über die Treppe und den kleinen Viermannlift kamen sie nun von unten her nach oben. Und automatisch wurde auch schon die Berufsfeuerwehr von Oaks alarmiert. Das war der Augenblick, wo ein Hubschrauber sich dem Anstaltsareal näherte, tiefer flog und dann eine kurze Runde zog.
Wer in diesem Augenblick wirklich darauf achtete, da im Hause alles „Feuer“ schrie und zum dritten Stock hinauf wollte, der glaubte höchstens, es hinge mit dem Feueralarm zusammen.
Der Baron aber, Le Beau, James, die hübsche Schwarze und die Hauptperson Helen Teflin steckten mit dem Lift fest, auf den unten so viele gewartet und ihn verflucht hatten.
Und vielleicht lag es an dem irren Gedrücke, aber jemand hatte einen Mechanismus in Gang bringen können, jedenfalls ruckte der Lift plötzlich an und senkte sich.
„Na, das macht mir ja Laune. Jetzt stehen sie bestimmt schon mit einem Empfangskomitee bereit, wenn wir aussteigen.“ Le Beau lachte böse.
„Glaubst du, dass der Alarm unsertwegen ist?“, fragte James.
„Was denkst du denn?“
Der Baron schwieg, sah die ängstlichen Gesichter von Helen Teflon und der Schwester und entschloss sich dann, sie zu beruhigen.
„Wer Glück hat“, sagte er lächelnd, „dem kälbert ein Ochs.“
„Wie bitte?“, fragte Helen Teflin.
„Ein Ochse kalbt, bekommt ein Baby, wenn man Glück hat“, sagte Le Beau. Aber da war der Lift im Parterre und hielt an. Die Tür ging automatisch auf. Es stand kein Empfangskomitee da. Dafür drängten sich mehrere Feuerwehrleute in den Lift, kaum dass der Baron und James die Bahre mit ihrem Wagen herausgezogen hatten. Und einer dieser Feuerwehrmänner schimpfte: „Na, endlich ist dieses Dreckding wieder unten!“ Um die Ausgestiegenen kümmerte sich niemand. Feuerwehr quoll vom Gangtunnel her zur Treppe und dem Lift. James hatte Mühe, mit Le Beaus Hilfe die Bahre voranzuschieben.
„Rechts herum! Nach hinten!“, raunte Le Beau James zu. Und sie kamen zur hinteren Tür. Niemand kümmerte sich um sie. Ungehindert kamen sie dorthin. Le Beau machte die Tür auf und erstarrte.
Durch das große Tor, durch das er ebenfalls in den Park mit dem Jeep gelangt war, fuhren in diesem Augenblick zwei große Löschwagen der Feuerwehr, ihnen voran aber ein Volkswagen in den blauweißen Stadtfarben von Oaks. Solche VW-Käfer hatte die Stadtverwaltung in größerer Zahl laufen, meist wurden sie von Steuerbeamten oder Gewerbekontrolleuren benutzt. In diesem aber saßen der Zweite Bürgermeister und einer der Verwaltungsdirektoren der Anstalt. Der Baron und seine Begleiter kannten keinen der beiden, und es war auch völlig gleichgültig für sie, denn gerade als die Löschfahrzeuge an der Hinterfront vorfuhren und der Käfer ums Haus bog, umso zu fahren, wie Le Beau das vorhin getan hatte, nämlich zur Vorderseite, genau da schwebte der Hubschrauber ein.
Er senkte sich nieder und setzte auf, als die Feuerwehrmänner von ihren Wagen sprangen und zu den Schläuchen eilten. Offenbar hielten auch diese Männer den Hubschrauber für eine Art Einsatzleitung.
„Los, und nun die Luft angehalten!“, rief der Baron, und sie stürmten mit ihrem Bahrenwagen hinaus, direkt über den Kreidestrich auf den Hubschrauber zu, der mitten im Kreis gelandet war, den Le Beau gezogen hatte. Die Feuerwehr stand gut achtzig Meter weiter rechts. Man rollte dort jetzt die Schläuche auf einen Hydranten zu. der an der hinteren Gebäudeecke rot leuchtete.
Jetzt aber wurde man an den Fenstern im Haus und bei der Feuerwehr auf den Baron und seine Begleiter aufmerksam. Die Gruppe hatte den Hubschrauber erreicht. Der Pilot hatte die Kabinentür