Iron Annie. Lisa M Hutchison. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lisa M Hutchison
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783347100657
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sah ein, dass seine Tochter eine Herausforderung war und dass er eventuell zu viel von seiner jungen Ehefrau verlangte. „Werden du und Oma mit den Kindern klarkommen, solange ich weg bin?“, fragte er und legte liebevoll seine Arme um Charlotte.

      „Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht“, erwiderte sie. „Manfred ist kein Problem – er liebt Oma und wird alles tun, um das sie ihn bittet, aber Gisela kann ein kleines Ekel sein und kriegt Wutanfälle, bei denen sie die Spielsachen vom Kleinen kaputtmacht, Zeug vom Balkon wirft, Lehrern die Zunge rausstreckt … die Liste der Beschwerden ist endlos“, seufzte sie.

      „Ich werde mit ihr sprechen“, bot Albert an. „Vielleicht wäre es besser für sie, nach Erfurt zurückzukehren.“

      Charlotte schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht – sie wird sich vertrieben und ungewollt fühlen, ihre Großmutter erlaubt all die Dinge, die wir verbieten. Es wird also noch schlimmer werden, wenn sie dann zurückkommt.“

      „Vielleicht ein Internat hier in Berlin?“, schlug Albert vor. „Ich werde mal mit ihr darüber sprechen.“

      Charlotte hatte so ihre Zweifel, ob ein acht Jahre altes Kind reif genug dafür war, über irgendetwas zu diskutieren.

      Zur Überraschung aller war Gisela enthusiastisch angesichts des Internatsvorschlags. Albert fand eine kleine, exklusive Schule etwas außerhalb von Berlin, die auf problematische Kinder ausgerichtet war. Entgegen allen Erwartungen liebte Gisela das Internat ebenso wie ihre Ferien, die sie dann in Berlin, Erfurt und später auch in Stuttgart verbrachte. Sie entwickelte sich zu einem glücklichen, zwar noch draufgängerischen, aber ausgeglichenen jungen Mädchen.

      Als dieses Problem zur allgemeinen Zufriedenheit gelöst worden war, wurde es Zeit für Albert, sein afrikanisches Abenteuer zu beginnen.

      Sie alle begleiteten ihn zum Flughafen. Charlotte umarmte ihn fest. „Bitte, komm gut und sicher wieder nach Hause“, wisperte sie.

      „Ich versuch’s“, grinste Albert. „Ich werde Briefe mit der zurückkehrenden Gruppe an euch schicken, aber es wird schwierig werden, regelmäßig miteinander Post zu bekommen. Du weißt, dass du, wenn nötig, immer Hilfe vom Lufthansa-Büro kriegst“, versuchte er, sie zu beruhigen. Und nach einer schnellen Umarmung und einem Kuss bestieg er das Flugzeug mit dem Ziel Johannesburg.

       Kapitel 8

      Albert und die anderen Crew-Mitglieder bereiteten sich auf einen vierzigstündigen Flug nach Johannesburg mit nächtlichen Stopps in Kairo, Khartum und Nairobi vor. Als sie dann endlich in Johannesburg landeten, waren sie ausgelaugt. Ein heftiger Regenguss empfing sie, als sie in Richtung Halle eilten, wo sie von ausgelassenen Mitgliedern einer anderen Crew empfangen wurden, die sehnsüchtig darauf warteten, heim nach Berlin zurückzukehren. Man tauschte Begrüßungsfloskeln aus, schüttelte Hände, schlug auf Rücken, und machte Scherze.

      „Albert, ich habe gehört, du hast geheiratet“, neckte ihn einer. „Armes Mädel, sie weiß ja nicht, worauf sie sich einlässt“, lachte ein anderer. „Wohl eher, arme Mädchen, jetzt wo er nicht mehr frei ist.“

      Während sie sich gegenseitig neckten, gingen sie zum Bar-Bereich, um noch gemeinsam etwas zu trinken, bevor sich alle auf ihren jeweiligen Weg machten.

      „Wenn ihr die Flughalle verlasst, wartet draußen ein Fahrer auf euch und bringt euch zu euren Unterkünften“, wurde Albert und seiner Crew versichert. „Sein Name ist Winston und er spricht nur Englisch.“

      „Warum ist er draußen?“, wollte Albert wissen. „Es regnet doch.“

      „Er ist im Auto, ihm geht’s gut. Aber denkt dran“, wurde ihnen eingeschärft, „es gibt hier ein strenges Rassentrennungsgesetz. Schwarzen ist es nicht erlaubt, sich mit Weißen zu mischen und andersherum.“

      Albert hatte natürlich davon gehört, aber er hatte diesem Umstand bisher nicht viel Beachtung geschenkt; in seiner Vorstellung waren alle Menschen gleich. Er zuckte die Achseln und sie gingen nach draußen, um ihren Fahrer zu finden. Winston war ein junger Mann, der beim Lächeln eine Reihe perfekt weißer Zähne entblößte.

      „Willkommen in Johannesburg“, rief er auf Englisch aus, während er ihr Gepäck im Kofferraum verstaute. „Der Regen hört bald auf“, versicherte er ihnen. „Es wird Ihnen hier gefallen.“

      Alle saugten begierig die Sehenswürdigkeiten der Stadt in sich auf, während Winston durch die Straßen raste. Albert freute sich sehr darauf, Johannesburg in seiner Freizeit zu erkunden, sollte er denn hierbleiben. Manche Crew-Mitglieder wurden nach Durban oder Kapstadt weitergeschickt.

      Es stellte sich heraus, dass er nach Kapstadt gesandt werden sollte. Vom ersten Moment an war er in die Stadt und das Land verliebt und er entschied sich, so viel wie irgend möglich von der Stadt zu erkunden. Kapstadt hatte gerade seine neuen O-Busse eingeführt und Albert entschloss sich, in einem durch die Stadt zu fahren.

      Als er geduldig an der Bushaltestelle wartete, ließ er sich auf einer Bank nieder. Im selben Moment stand ein schwarzes Paar auf und entfernte sich von ihm; er dachte sich nichts dabei. Der Bus hielt an und er stieg ein. Nun stellte er fest, dass alle Passagiere den Bus verließen, als er einstieg. Aber erneut schenkte er ihnen keine Beachtung, setzte sich hin und wartete, dass der Bus losführe – der Bus inklusive Fahrer bewegte sich aber nicht. Albert war verwirrt, blieb jedoch sitzen und wartete – nichts geschah. Als er aus dem Fenster blickte, sah er all die Passagiere, die ausgestiegen waren, regungslos draußen stehen und offenbar darauf warten, wieder einzusteigen. Nach einer Weile stand er auf und fragte den Busfahrer, was das Problem war.

      „Mein Herr“, antwortete der Busfahrer, „Sie befinden sich in einem Bus für Farbige.“

      „Ich habe damit keinerlei Problem“, erwiderte Albert. „Lassen Sie sie wieder einsteigen und fahren Sie los.“

      „Das kann ich nicht.“ Der Fahrer lächelte nervös. „Ich würde meine Arbeit verlieren. Sie müssen den Bus für die Weißen nehmen.“

      Sobald Albert aus dem Bus trat, stiegen alle anderen Passagiere wieder ein und der Bus fuhr von dannen. Er saß nachdenklich auf der Bank und wartete auf den Bus mit der „richtigen“ Farbe und stellte erneut fest, dass er auf der falschen Bank gesessen hatte – sie war als „Farbig“ gekennzeichnet.

      Nicht wirklich anders als in Deutschland mit dem Davidstern, dachte er verärgert.

      Albert liebte Afrika, die Weite, das saftige Grün und vor allem das Klima. Während es in Berlin verschneit und kalt war, aalte er sich in der Sonne, schwamm und faulenzte am Strand. Ich muss Charlotte herholen, dachte er. Wir könnten ebenso gut hier leben. Er hatte ein noch ausstehendes Angebot von South African Airways erhalten, in Kapstadt zu leben. Er hatte ein schlechtes Gefühl, was die Entwicklung der Dinge in Deutschland und Europa im Ganzen angingen, und er überlegte ernsthaft, umzusiedeln. Es würde ihnen einen fantastischen Lebensstil in einem wunderschönen Land und eine vielversprechende Zukunft für die Kinder ermöglichen.

      Als er begeistert seine Überlegungen mit Charlotte teilte, war sie völlig dagegen. „Warum auf aller Welt würdest du dein Zuhause verlassen wollen? Was ist denn mit den Kindern, meiner Mutter, meiner Großmutter, meiner Schwester?“, fragte sie und erhob ängstlich die Stimme. „Du machst wohl Witze, das ist zu weit weg für meinen Geschmack – du musst diese verrückte Idee noch einmal überdenken.“

      Albert hatte geahnt, dass es eine Herausforderung werden würde, dies auch nur zu diskutieren, aber er fuhr dennoch fort: „Die Kinder werden natürlich mitkommen. Dort gibt es sehr gute Privatschulen und ich bin mir sicher, dass Omi nicht zurückbleiben möchte.“

      „Omi hat eine Mutter, an die sie denken muss. Dann sind da noch Hanni und ihre Familie; vielleicht würden wir sie nie wiedersehen.“

      „Unsinn! Ich werde weiterhin nach Deutschland fliegen und kann sie jederzeit mitnehmen“, konterte Albert, der inzwischen leicht verärgert war. „Und ich bin mir sicher, dass Hannis Kinder liebend gern für Besuche kommen würden.“

      „Nein, Albert, ich werde Deutschland