Die Legende vom Hermunduren. G. K. Grasse. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: G. K. Grasse
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Die Legende vom Hermunduren
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347036284
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dein Selbstverständnis, deine Bescheidenheit sind es nicht, die dich zur Wahl brachten… Diese Vorzüge hätte ein Nero nicht einmal bemerkt. Es ist die Treue deines Vaters und deine eigene Treue zum Kaiser, die ihn bewogen, dich zu erwählen… Ich hörte von Unruhen in Gallien… Was also braucht er dort…“ Der Sohn ließ die folgenden Worte ins Schweigen fallen.

      Vindex war aufmerksam geworden.

      „Du bist dem Kaiser zugeneigt und stehst für ihn im Senat! Er aber wird eines Brandes bezichtigt, den er kaum zu verantworten hätte, würde er Rom nicht nach seinen Vorstellungen neu aufbauen wollen… Gönnte er sich dabei nicht ein Domus Aurea, obwohl ihm das Geld dafür fehlt, blieben ihm wohl Vorwürfe erspart… Trotzdem schenkte er den Achaier den Erlass ihrer Steuern, dafür schröpft er Gallien etwas mehr und dorthin gehst du… Was meinst du, wie du empfangen wirst?“

      „Rom herrscht in Gallien!“ erwiderte der Vater, mit Härte in der Stimme.

      „Und… bist du Rom?“ Vindex bemerkte, dass der Sohn ein Ziel verfolgte.

      „Was erhoffst du dir mit deinen Worten?“

      „Dich begleiten zu dürfen!“ lautete des Sohnes Antwort.

      „Ich werde darüber nachdenken…“ Er entließ den Sohn, musste er sich doch erst einmal über weit wichtigere Dinge Klarheit verschaffen und sich vor allem darum kümmern…

      Er dachte an kluge, starke und treue Männer und ging deren Namen sowie deren Erscheinung, Wissen und Einstellung durch, sonderte aus und entschied sich für sieben Personen, die er zur Ausübung seiner Macht zu brauchen glaubte.

      Dann widmete er sich seinem Schutz. Er würde in Lugdunum eine Kohorte vorfinden und keine Legion. Deren Kommandeur bestimmten Andere, vielleicht nicht mal der Kaiser… Würde der Mann sich ihm anpassen oder Front gegen ihn machen? Es sei, wie es sei, schloss er und befand, dass zehn seiner Männer zum Schutz ausreichen sollten…

      Also wählte er nach Verstand, Können, Mut und Treue.

      Würde einer der von ihm berufenen Männer zögern, ihm zu folgen oder gar ablehnen? Vindex wusste es nicht.

      Als er mit einem Schreiber kurze Botschaften an die Auserwählten verfasste, fiel ihm auf, dass nur zwei wirkliche Römer darunter waren. Die Mehrzahl gehörte zu den Galliern, Aquitanier, Sequaner, Haeduer, Treverer und merkwürdiger Weise fanden sich auch zwei Germanen darunter, sowie auch zwei Griechen…

      Als er die Einladungen zu einem abendlichen Essen in seiner Hand wog, war er sich sicher, die richtigen Männer erwählt zu haben.

      Sie kamen alle.

      Vindex sprach über seine Berufung, legte seine Vorstellungen zu den schon jetzt absehbaren Aufgaben dar, nannte bestimmte Verpflichtungen und wagte den Versuch der Zuordnung zu einzelnen Männern. Letztlich fragte er, ob es Einen gäbe, der nicht bereit wäre, ihn in seine Provinz zu begleiten…

      Zuerst starrten sich alle an, knieten dann nieder und zeigten damit ihre Bereitschaft an. Innerlich jubelte Vindex, erschrak jedoch, als in der sich in diesem Augenblick öffnenden Tür sein Sohn erschien.

      „Vater, warum fragst du nicht auch mich?“ Sein Blick streifte die Runde der knienden Männer. „Im Augenblick bin ich wohl neben dir der Größte im Raum…“ Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „… aber ich bin auch der Jüngste und wohl die Meisten deiner Erwählten sind älter, viele auch Größer, alle wesentlich Erfahrener, auch sicher Nützlicher als ich und dennoch würde dir etwas Fehlen, ließest du mich zurück…“

      „Was wäre das, mein Sohn?“ polterte er.

      „Die Jugend, die Unbekümmertheit und das Wagnis…“ Der Bursche war um eine Antwort nicht verlegen.

      „Du hast zu viel gewagt, mein Sohn! Hinaus!“ donnerte der Vater.

      „Warte, Vindex!“ meldete sich eine Stimme.

      Beide Vindex erstarrten, der Eine mit Wut im Blick und der Andere mit Hoffnung im Sinn. Der Mann, der sprach, war Grieche.

      „Es gehört schon Mut dazu, den Vater vor solchen Männern herauszufordern… Hast du seinen Wunsch schon gekannt oder hast du ihn gar bereits abgelehnt?“

      „Wir sprachen darüber, doch ich sagte nur zu, darüber nachzudenken… “

      „Und hast du?“ fragte der Grieche.

      „Nein, noch nicht…“ gab Vindex zu.

      „Dann mache ich dir einen Vorschlag…“

      „Ich höre…“ Vindex war vom Auftreten dieses Mannes überrascht.

      „Lass die Männer, die eben vor dir knieten, darüber abstimmen… Nein, nicht vollständig…“ lenkte er ein als sich Vindex Miene verfinsterte.

      „Sagen wir, es sind mehr als drei Viertel für den Jungen, kommt er mit. Sind es weniger als die Hälfte, bleibt er in Rom… Was dazwischen liegt, bleibt bei deiner bisherigen Entscheidung…“

      „Warum?“ Vindex zeigte Verblüffung.

      „Zuerst einmal ist er dein Sohn… Er ist ein wichtiges Stück deiner Familie! Zum Zweiten wird er sehr viel lernen, zum Dritten besitzt er Mut und versteht sich auszudrücken… Letztlich besitzt er dein Vertrauen, oder… “

      Vindex nickte und traf, selbst in dieser Lage, eine bemerkenswerte Entscheidung. Siebzehn Männer beugten ihr Knie vor ihm…

      „Sind nur drei Männer von euch gegen ihn, wird er bei seiner Mutter bleiben… Wer von euch lehnt die Begleitung meines Sohnes ab?“

      Vindex starrte jeden der Erwählten an, als würde er bitten, betteln oder flehen, aber keiner von denen ließ sich erweichen.

      „Gut, ihr habt so entschieden… Dennoch stelle ich eine Bedingung!“

      „Welche, Vater?“

      „Die Zustimmung deiner Mutter!“

      Es schien, als hätte der Sohn diese Ausflucht schon vorhergesehen. Er beugte einfach sein Knie.

      Vindex verstand, dass der Sohn diese Verhinderung längst, in seinem Sinn, aus dem Weg geräumt hatte. Als er an diesem Abend sein Weib sprach, versicherte sie ihm, dass sie ihre Zusage von der Entscheidung des Vaters abhängig machte und hoffte, er würde ablehnen… Der Sohn spielte Vater und Mutter gegeneinander aus und bekam seinen Willen.

      Jetzt standen sie gemeinsam im Bug der Bireme und starrten auf die sich nähernde Stadt. Der Fluss teilte sich. Sie folgten dem linken Arm stromauf.

      Lugdunum wirkte, vom Wasser aus, prächtig. Es lag auf einem Hügel, am linken Ufer. Vom Fluss, vom Landesteg aus, stieg das Land teilweise sanft und an anderer Stelle wesentlich heftiger an.

      Als sie das Ufer erreichten, warteten schon Vertreter der Stadt, die Ala der Auxiliaren Roms und auch Würdenträger der Statthalterschaft.

      Die Planke wurde ausgelegt und Vindex betrat als Erster das Land. Ihm folgten seine sechs Fasces mit ihrem Rutenbündel.

      Vindex ging, gefolgt von seinen Begleitern, auf das wartende Empfangskomitee, bestehend aus dem bisherigen Stab des Statthalters und den Oberen der Stadt zu. Als er am Präfekt der Kohorte ankam, die seitlich des Weges angetreten war, machte Vindex Front zum Signum, und zur ‚Offenen Hand’. Sein Blick begegnete den Augen des Präfekt und die gegenseitige Musterung begann.

      Die nachfolgende Begrüßung war kurz, endete in einer Vorstellung der Oberen der Stadt und seiner sieben Ratgeber, die er für einzelne Funktionen seiner Herrschaft vorsah, ohne deren Stellung oder Aufgabe zu benennen. Seinen Sohn überging er. Was sollte es, mit dem jüngeren Vindex Eindruck schinden zu wollen… Gaius Iulius Vindex war angekommen.

      Was sollte er vom Empfang denken… Die beste Einstellung erschien ihm, weder zu viel Anteilnahme zu zeigen, noch die Dürftigkeit zu beklagen. Nüchtern, möglichst ohne Emotionen, sollte er sein Amt damit beginnen, die Bedingungen in der Provinz kennenzulernen und auch die Männer