Die Legende vom Hermunduren. G. K. Grasse. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: G. K. Grasse
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Die Legende vom Hermunduren
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347036284
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hervorrief, warum ausgerechnet Ihnen der Ruf des Kaisers galt.

      Keiner kannte die genaue Antwort. Wohl aber waren Gerüchte an ihre Ohren gelangt… Doch wer baute schon auf solche Nachrichten?

      Ein Bediensteter brachte sie in einen Audienzraum, wo sie von Helius und dem Praefectus Praetorio, Gaius Nymphidius Sabinus, erwartet wurden. Helius, so wusste Vindex, war mit der Führung der Staatsgeschäfte beauftragt worden, während Kaiser Nero die Provinz Achaea bereiste.

      „Senatoren Roms, unser gottgleicher Kaiser erwählte euch zu Aufgaben, die euch ehren sollen, euch verpflichten und euch zu begnadeten Vertretern seines Imperium erheben.“

      Helius klatschte in seine Hände und vier weitere Bedienstet erschienen. Die Männer gruppierten sich vor den vier Gerufenen und warteten.

      „Was erwartet euch?“ Helius antwortete selbst. „Für Jeden von euch liegt eine Bireme unserer Flotte bereit, die euch dorthin bringen wird, wo die neue Aufgabe euch erfordert! Ihr habt drei Tage Zeit, eure Angelegenheiten in Rom zu ordnen! Von heute an, am Morgen des vierten Tages sticht jede Bireme mit Einem von euch in See!“

      Der Freigelassene und zur Vertretung des Kaisers Berufene besann sich einen Augenblick.

      „Ihr werdet das Dokument eurer Berufung zur Kenntnis nehmen und euch sofort entscheiden, ob ihr diese Verpflichtung anerkennt, dann den Schwur leisten und von mir entlassen…“ Helius zögerte.

      „Jeder von euch hat das Recht abzulehnen…“ fügte er an.

      Vindex wusste, was dies bedeuten würde und sicher auch jeder der Männer neben ihm…

      „Lasst mich euch einen Rat geben…“ hob der Freigelassene an.

      Auch Helius schien sich der Besonderheit dieses Auftritts bewusst. Ein Freigelassener ließ Senatoren vor sich erscheinen… Fand der Kaiser keinen berufeneren Mann, diese Pflicht zu erfüllen?

      Der Senat schied zur Übergabe der Urkunden aus, dennoch wäre selbst der Präfekt der Prätorianer angemessener gewesen, dieser aber stand nur hinter dem Freigelassenen…

      Vindex begriff die ihn erhebende Ehre. Doch warum musste ein Freigelassener diese überreichen? Hatte Rom keine besseren Männer? Oder verband der Kaiser mit dieser Ernennung noch andere Ziele… Vielleicht war mit der Berufung eine Drohung verbunden, die besagte, dass kein noch so ehrenvoller Mann sich über einen Freigelassenen erheben sollte… Vindex wischte die sich ihm aufdrängenden Gedanken zu den Widersprüchen dieser Berufung einfach hinweg. Er würde sich später dafür Zeit nehmen dürfen, so dachte er damals und hörte dem früheren Sklaven des Kaisers aufmerksam zu.

      „Ordnet eure Verhältnisse in Rom, befindet vorerst, eure Familien hier zu belassen und übernehmt eure Pflichten… Erst dann ruft eure Angehörigen und bedenkt zu jeder Zeit, dass es nur unserem göttlichen Kaiser Nero zusteht, euch im Amt zu belassen oder abzurufen… Ihr könntet, wie schon Andere, Jahre lang dort verbleiben… Oder auch nach nur wenigen Monaten zur Rückkehr gezwungen sein, weil ihr für unfähig oder unwürdig erkannt worden seid…“

      Vindex wusste, dass sich keiner melden würde, der auf seine Berufung verzichten wollte… Er selbst sah keinen Grund, wenn ihm auch die an die Berufung gebundene Bedrohung irritierte. Vielleicht war es auch eine notwendige Bemerkung, weil Andere sich zu sehr Erhoben fühlten…

      Es gab noch eine andere Überlegung, die weit mehr zur Beunruhigung beitrug. Wohin würde ihn der Kaiser senden? Er erinnerte sich flüchtig, dass auch Numidia zur Auswahl stand…

      Obwohl er zu keinem Zeitpunkt glaubte, für eine Wahl zum Procurator oder gar Legatus Augusti in Frage zu kommen, waren ihm die zur Neubesetzung stehenden Provinzen bekannt. Numidia wäre nur nicht seine erste Wahl…

      „So…“ hörte er von Helius und sah ihn in die Hände klatschen, was die Bediensteten veranlasste, die Urkunden zur Berufung zu übergeben.

      „Öffnet und lest!“ befahl der frühere Sklave.

      Helius ließ ihnen Zeit, so schien es Vindex, obwohl ihm zuerst die Zeilen förmlich verschwammen und er jedes Gefühl für die Zeit verlor.

      Dann sah er den Namen der Provinz: Lugdunensis!

      Er hätte jubeln können… Es gab nur wenig mehr, dass ihn glücklich gemacht hätte… Einzig Aquitania wäre in der Lage gewesen, diese Freude zu übertreffen, nur Aquitania stand nicht zur Auswahl. Er brauchte Zeit zur Besinnung, hörte im Nebel der Betroffenheit Helius Stimme: „Lehnt einer von euch ab?“ und hatte Not, seine Freude zu beherrschen.

      Die größte und wichtigste Provinz Galliens war ihm zugefallen…

      Fast im selben Augenblick meldete sich, irgendwo in seinem Kopf, eine leise flüsternde Stimme: ‚Wieso gerade dir?’ Erst verstand er die Stimme nicht, dann aber überschwemmte ihn eine Erkenntnis und seine Zuversicht nahm Formen an. War er nicht ein dem Kaiser treuer Mann? Selbst seine Unscheinbarkeit… Da hörte er die flüsternde Stimme erneut.

      ‚Treu ja, aber auch blass, unscheinbar… unbedeutend… ohne Rückrat…’

      Vindex erschrak, was ihm sein Genius zuzuflüstern begann. Er wusste, dass er diese Bedenken würde nicht wieder abschütteln können… Was auch immer sich dahinter verbarg, würde ihn quälen und vor sich hertreiben… Er hatte solche Anwandlungen schon oft erlebt und bezwungen, auch wenn der Einfluss sich in seinen Nacken bohrte, ihn marterte und zu beherrschen drohte.

      Inzwischen hatte er gelernt, mit dieser Bedrohung umzugehen…, diese Stimme in seinem inneren Ich abzuwürgen und sich über jede von deren Einflüsterungen zu erheben. Vindex straffte sich.

      „Leistet den Schwur auf das Imperium Romanum und Kaiser Nero, den Senat und das Volk von Rom!“ forderte der ehemalige Sklave. Ein Bediensteter hielt ein Fascis auf beiden Armen, waagerecht vor jeden neuen Statthalter.

      In dem die rechte Hand des Mannes auf das Bündel gelegt wurde, schwor der Erwählte, mit den einfachen Worten: „Ich schwöre!“

      „Im Portus Romae liegt für jeden ein Schiff…“ hörte er. „Es ist eure Sache, wann ihr ablegt…, wer euch begleitet, welche Route ihr wählt und wann ihr ankommt… Nennt den Trierarchus eure Provinz und den Rest, bis zur Ankunft, übernimmt der jeweilige Trierarch. Meldet sich am vierten Tag einer der Trierarchus bei mir, ist eure Provinz verfallen… und der Präfekt wird euch einen Besuch abstatten…“ Helius nickte hinter sich und Vindex begriff, dass der Freigelassene sich seiner Rolle bewusst war.

      Er nickte seine Zustimmung, wie die Übrigen auch.

      „Eine letzte Bemerkung von mir! Der Vorgänger wird euch nicht erwarten… Er wird die Geschäfte nicht übergeben, aber dessen Gefolgsmänner stehen für euch bereit… Übernehmt, wem ihr vertraut, schickt weg, wen ihr glaubt nicht zu brauchen… Ihr seid die Statthalter dieser Provinzen und haftet mit eurem Kopf gegenüber dem Kaiser für jeden Vertrauten, sind es nun übernommene Männer oder von euch selbst Gestellte! Geht! Ich wünsche euch Glück und Erfolg!“

      Als Vindex das Domus Aurea verließ, war er glücklich über die vom Freigelassenen dürftig gestaltete Berufung. Bei Nero wäre das nicht so leise vor sich gegangen. Insofern gefiel ihm diese Zeremonie, obwohl diese der falsche Mann leitete.

      Sein Genius schien diese Kritik auch wahrgenommen zu haben. Er meldete sich sofort mit einem hämischen, leisen Lachen…

      Vindex beglückte sein Weib mit dieser Berufung und merkte, wie sich deren Figur straffte. Sie hatte wohl nicht mit einem derart günstigen Ereignis gerechnet und als ihr bewusst wurde, welche Provinz ihrem Gatten zugesprochen worden war, begann sie erst Wünsche zu äußern, dann Forderungen aufzumachen und letztlich verfiel sie in ein hektisches Treiben. Sie verstand nicht, dass sie und die Kinder vorerst in Rom blieben. Er wollte auch keine Erklärungen dazu abgeben, denn er wusste, dass er dann verloren hätte.

      Dann tauchte sein fast siebzehnjähriger Sohn auf.

      Vindex hegte den Verdacht, die Mutter hätte ihn geschickt. Er verschloss sich vor dessen erstem Wort, hörte aber nach außen