"ERKENNE DICH SELBST" - HEGELS THEORIE DER PERSÖNLICHKEIT. Peter Schöber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Schöber
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Афоризмы и цитаты
Год издания: 0
isbn: 9783347034402
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Stufe der fühlenden Seele, der Stufe der Verrücktheit, in einem Gegensatz zum objektiven Bewusstsein, zum Verstand. Um jene Entwicklungsstufe zu verdeutlichen, führt Hegel den Begriff der „Magie“ ein, bei der es darum geht, dass der Geist eines Menschen auf eine „vermittlungslose“ Art und Weise auf den Geist eines anderen Menschen oder auf ein Tier einwirkt. Die vermittlungsloseste Magie ist diejenige, die der individuelle Geist auf seinen Körper ausübt. Hegel sieht zwei Formen des „magischen Verhältnisses“, spricht bei der einen von einer nur „formalen Subjektivität“ und sieht in dieser Form drei Zustände, nämlich das natürliche Träumen, sodann das Leben des Kindes im Mutterleibund schließlich das Verhalten unseres bewussten Lebens zu unserem geheimen inneren Leben, zu unserer geistigen Natur, zu dem, was Hegel den „Genius des Menschen“ (im Sinne einer „inneren Führung“, d. Verf.) nennt.

      Bei der zweiten Form des magischen Verhältnisses, nach Hegel, die krankhafte Form, die er als „reale Subjektivität“ bezeichnet, nennt er fünf Hauptmomente, nämlich den Somnambulismus, die Nostalgie, das Hellsehen, die hypnotischen Beziehungen und das Einschlafen der Sinnesorgane. Es handelt sich hierbei um ein gestörtes Seelenleben, dem Hegel das Begreifen, die verständige Reflexion, gegenüberstellt, die nach den Vermittlungen zwischen den Erscheinungen, nach Verstandesgesetzen, Kausalität und Grund fragt. „Real“ nennt Hegel diese Subjektivität, weil hier, im Gegensatz zur „formalen Subjektivität“, ein wirklich zweifaches Seelenleben hervortritt, das seine beiden Seiten zu einem eigentümlichen Dasein entlässt. Sei die eine dieser beiden Seiten das unvermittelte („direkte“) Verhältnis der fühlenden Seele zu ihrer individuellen Welt und deren substanzieller Wirklichkeit, so sei die andere Seite dagegen die (durch Tätigkeiten von Bewusstsein und Geist) vermittelte Beziehung der Seele zu ihrer in einem objektiven Zusammenhang stehenden Welt. Würden sich diese beiden Seiten jedoch voneinander trennen und gegeneinander selbständig machen, dann müsste man, so Hegel, dies eine Krankheit nennen. Es geht hier also um Krankheitszustände, die dadurch entstehen, dass sich das Seelische vom geistigen (objektiven, Sprache einschließenden) Bewusstsein trennt. In dieser Trennung zeigt sich im Seelenleben nach Hegel ein unmittelbares, fühlendes, eben ein vermittlungsloses Wissen, und er nennt solche Erscheinungen, wie die Metall- und Wasserfühler, das Schlafwandeln, das Ahnen oder das schauende Wissen von etwas, was räumlich oder zeitlich vom Individuum entfernt ist. Solche Erscheinungen können sowohl bei körperlich kranken als auch bei gesunden Menschen auftreten. In beiden Fällen handelt es sich nach Hegel um „Naturzustände“, sie können aber auch absichtlich, so durch Hypnose, hervorgerufen werden, der er eine besondere Beachtung schenkt.

       Das Selbstgefühl

      Die fühlende Seele besteht nach Hegel darin, sich in sich selbst zu differenzieren, und so hat sie besondere Gefühle und ist mit Bezug auf diese Gefühle Subjekt. Und als ein Subjekt setzt sie die besonderen Gefühle als ihre Gefühle in sich, versinkt in ihnen, verschmilzt mit ihnen, schließt sich in ihnen mit sich, so Hegel, zu einem „subjektiven Eins“ (ders.) zusammen und ist auf diese Weise Selbstgefühl, das, ihm zufolge, nur in einem besonderen Gefühl (z. B. Eitelkeit, Stolz, Selbsthass, Minderwertigkeitsgefühl, Größenwahn) enthalten ist. Da zunächst nach Hegel die Leiblichkeit im Selbstgefühl noch ungetrennt vom Geistigen enthalten und weil das Gefühl selbst ein besonderes und damit eine „partikulare Verleiblichung“ (ders.) ist, kann das Subjekt, obwohl es schon zum verständigen Bewusstsein aufgestiegen ist, noch krank werden, und zwar dann, wenn es das besondere Gefühl auf dem Weg von Wahrnehmung und Verstand nicht verarbeitet und überwindet. Das Subjekt gerät dann in einen Widerspruch zwischen der in seinem Bewusstsein systematisierten Welt einerseits und dem in ihm beharrenden besonderen Selbstgefühl (z. B. im Gefühl der Eitelkeit) andererseits und folglich in den Zustand der Verrücktheit In einem solchen Zustand ist das Seelische im Verhältnis zum objektiven Bewusstsein (Wahrnehmung und Verstand) nicht nur ein Verschiedenes, sondern ein dem objektiven Bewusstsein Entgegengesetztes. Als Arten des verrückten Zustandes nennt Hegel den Blödsinn, die Zerstreutheit und die Faselei, ferner die Narrheit und schließlich den Wahnsinn. Zugleich verweist er auf die Möglichkeit, diesen verrückten Zustand erfolgreich zu behandeln, indem der aufgeklärte Seelenarzt davon ausgeht, dass in den Kranken jeweils noch ein Rest an Vernunft vorhanden ist und als Grundlage einer Heilung herangezogen werden kann.

       Methode

      Wie Hegel zu Beginn seiner Anthropologie ausführt, müsste notwendigerweise mit dem noch natürlichen Geist (der natürlichen Seele) die philosophische Betrachtung des subjektiven Geistes beginnen und, wie aus dem entwickelten Begriff der Verrücktheit hervorgeht, sollte einleuchten, weshalb die Verrücktheit vor dem gesunden, verständigen Bewusstsein abgehandelt wird, obwohl sie den Verstand zur Voraussetzung hat. Um diesen Fortgang von einem Abstrakten zu einem Konkreten zu verdeutlichen, verweist Hegel auf seine Rechtsphilosophie, wo ein ähnlicher Fortgang stattfindet. So beginnt Hegel dort auch mit einem Abstrakten, nämlich mit dem Begriff des Willens, schreitet von dort aus zur Idee des abstrakten (privaten, individuellen) Rechts und im Weiteren zu den Ideen der Moralität und der Sittlichkeit, zunächst Familie und bürgerliche Gesellschaft, fort, um schließlich bei der Idee des freiheitlichen Staates anzukommen. Doch muss der so begriffene Staat von vornherein im Gang der Theoriebildung vorausgesetzt werden, gleichwohl darf man mit ihm, dem Konkretesten, nicht beginnen.

       Die Gewohnheit

      Indem die Seele sich zu einem „abstrakten allgemeinen Sein“ (Hegel) macht und das Besondere der Gefühle, auch des Bewusstseins, zu einer nur seienden Bestimmung an ihr reduziert, wird sie, ihm zufolge, zur Gewohnheit. Die Seele hat so den Inhalt einer Gewohnheit in ihrem Besitz und enthält ihn in der Weise, dass sie in den seienden Bestimmungen weder empfindend ist noch sich von ihnen unterscheidet und in einem Verhältnis zu ihnen steht, noch in sie versenkt ist, sondern sie empfindungs- und bewusstlos an sich hat und sich in ihnen bewegt. So ist die Seele in der Gewohnheit, ihm zufolge, frei von den Gefühlen und Empfindungen sowie vom Bewusstsein, indem sie an ihnen weder interessiert noch mit ihnen beschäftigt ist. Indem die Seele in den Gewohnheiten (z. B. bei der täglichen Arbeit) existiert, bleibt sie zugleich für eine weitere Tätigkeit und Beschäftigung sowohl der Empfindung als auch des Bewusstseins, des Geistes überhaupt, bereit. Dieser Vorgang, in dem sich das Besondere oder das Leibliche der Gefühle und Empfindungen in das Sein der Seele einprägt, erscheint, so Hegel, als eine Wiederholung und die Erzeugung der Gewohnheit als eine Übung. Die Gewohnheit ist, ihm zufolge, wie das Gedächtnis, ein wichtiger Punkt in der Organisation des Geistes und hat drei Formen: Die eine besteht darin, dass die unmittelbare Empfindung negiert und als gleichgültig gesetzt wird (z. B. Abhärtung gegenüber äußerlichen Empfindungen wie Frost, Hitze usw.); die andere darin, dass gegenüber der Befriedigung (von Trieben oder Bedürfnissen) eine Gleichgültigkeit eintritt, und die dritte besteht in der Geschicklichkeit. Indem die einzelnen Tätigkeiten durch wiederholte Übung den Charakter einer Gewohnheit und die Form eines Inhalts erhalten, der in die Erinnerung, also in die Allgemeinheit des geistigen Inneren aufgenommen wird, bringt die Seele in ihre Äußerungen eine allgemeine Weise des Tuns, eine Regel, ein.

       3. Die wirkliche Seele

      Die Seele in ihrer Leiblichkeit, die sie gestaltet und sich zu eigen gemacht hat, so in der Gewohnheit, ist nach Hegel, ein einzelnes Subjekt für sich. Die Leiblichkeit sei so die Äußerlichkeit als Prädikat, in dem das Subjekt sich nur auf sich selbst bezieht, eine Äußerlichkeit, die ein Zeichen der Seele sei, in der sie sich aber nicht selbst vorstelle. Die Seele ist, ihm zufolge, die Identität des Inneren mit dem Äußeren (der äußeren Erscheinung), das dem Inneren unterworfen ist, und so ist sie wirklich. Zum menschlichen Ausdruck gehört die Bildung, insbesondere der Hand, des „absoluten Werkzeugs“ (ders.), des Mundes, ferner das Lachen, das Weinen usw. Für den Geist ist die Gestalt eines Menschen