Der Abgerichtete. Maxi Magga. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Maxi Magga
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347097537
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dem Boden schwebte und sich daher unbehindert von den unterschiedlichsten Untergründen immer die kürzesten Wege suchen konnte, dauerte die Fahrt etliche Stunden. Sie wurde nur ein einziges Mal unterbrochen, als die neuen Sklavenbesitzer ein Restaurant aufsuchten. Um Moron kümmerten sie sich dabei nicht. Aber das hatte er auch nicht erwartet. Das hätten auch die weniger hochgestellten Mitglieder der Gesellschaft nicht getan. Immerhin, er hatte reichlich Zeit, die Furcht vor dem unbekannten Fahren in einem Wagen zu überwinden und dann die Gedanken in sein Dorf zurückzuwandern zu lassen. Arme Sora, sie sollte recht behalten. Es war mehr als unwahrscheinlich, dass Moron sie oder die Kinder noch einmal sehen würde. Nicht bei der Entfernung, die sie zurücklegten, und der Mühe, die sie sich gaben, um ihn im Ungewissen zu lassen, wo das Ziel der Reise sein würde. Er hoffte nur von ganzem Herzen, dass sie wenigstens seine Frau darüber informiert hatten. Lange quälte er sich mit der Vorstellung, wie Sora Stunde für Stunde, Tag für Tag und Monat für Monat vergeblich nach ihm Ausschau hielt und schließlich jede Hoffnung verlor. Er nahm sich fest vor, später allen Mut zusammenzunehmen und in aller Demut seinen Herrn danach zu fragen. Zumindest dachte er es sich so.

      Als sie in das Anwesen des Herrn einfuhren, das von nun an seine Heimat sein sollte, war es fast 22 Uhr. Moron war so weit weg von seinem bisherigen Leben wie nur möglich.

       3

      Lange, nachdem der Petrona zum Stillstand gekommen war, holten sie ihn endlich heraus. Steif vom stundenlangen, bewegungslosen Liegen, die Muskeln schmerzhaft verhärtet, fiel es ihm schwer alleine zu stehen, geschweige denn zu gehen. Rücksichtslos stießen und zerrten sie ihn dennoch weiter, über scheinbar endlose Flure, treppauf und treppab, links herum und rechts herum. Endlich schienen sie am Ziel zu sein. Man nahm Moron die Augenbinde und die Fesseln ab. Sofort fühlte er sich verloren. Sein Blick irrte ziellos in der Gegend umher. Er hatte nicht einmal geahnt, dass es so etwas Schönes, so eine Pracht wie diese hier überhaupt geben konnte.

      Er befand sich in einem luxuriös eingerichteten, großen Raum. Seine Füße verschwanden fast in einem Teppich, der so dick war, dass Mäuse leicht darin hätten Verstecken spielen können. Helle, hochglänzende Möbel und chromblinkende Lampen reflektierten das Licht, das den Raum dezent durchflutete. Einzelne Bilder an den Wänden und ein riesiger Blumenstrauß mit roten, weißen und orangefarbenen Blüten auf dem Tisch zogen die Blicke magisch an. Noch nie hatte Moron solche Blumen gesehen. Mit

      Bedauern wandte er den Blick ab. Vor ihm saßen der Herr und die Dame, denen er sich verkauft hatte, entspannt auf einem Sofa. Neben ihnen standen ein Mann und zwei Frauen. Ihre Abzeichen wiesen sie als Mitglieder der E-Kaste aus. Eigentlich war es nur eine Frau, die Zweite schien eher noch ein Mädchen zu sein, kaum erwachsen, jünger als Moron auf alle Fälle. Zwei weitere Männer hatten sich links und rechts von ihm aufgebaut. Jeder Einzelne von ihnen musterte ihn abschätzend. Niemand sprach zunächst ein Wort. Damit konnte Moron besser umgehen als mit dem Luxus der Umgebung, denn diese abwertenden, beleidigenden Blicke waren ihm vertraut. Er brachte ein zaghaftes Lächeln zustande, das die Angst verbergen sollte, die ihn regelmäßig überfiel, wenn er in der Nähe von Menschen aus der E-Kaste war. Sogar jetzt fürchtete er sie, obwohl er doch ganz auf den Schutz des Herrn vertraute, der ihn wohlwollend ansah.

      „Können wir mehr von ihm sehen?“, bat die sehr große, stattliche Frau aus der Gruppe schließlich.

      „Klar. Los, Kerl, zieh dich aus! Vollständig!“

      Der Befehl des Herrn war eindeutig, dennoch starrte Moron ihn ungläubig an. Der Mann sah so liebenswürdig, so vornehm aus. Mit seinen an den Schläfen nur ganz leicht ergrauten Haaren wirkte er sehr distinguiert. Das Material seines maßgeschneiderten Anzugs hatte einen leichten, edlen Schimmer. Die Krawatte aus seltener, echter Seide war sündhaft teuer. Obwohl Moron nichts von solchen Stoffen wusste, nahm er den Unterschied zu dem, was er kannte, deutlich wahr. Von diesem Mann mit seiner so sanften Stimme konnten die rüden Worte doch auf keinen Fall gekommen sein!

      Der Herr wartete nicht lange. Er nickte ganz leicht in Richtung des gedrungenen Mannes links neben Moron, der anscheinend schon darauf gewartet hatte: „Kovit!“

      Augenblicklich klatschte eine Peitsche mit großer Wucht auf Morons Rücken. Er schrie laut auf, krümmte sich und versuchte sich möglichst klein zu machen.

      „Du hast meinen Befehl gehört“, schaltete der Herr sich mit derselben ruhigen, schmeichelnden Stimme wieder ein.

      „Ich wiederhole meine Anweisungen nie. Gehorche!“

      Wie in Trance tat Moron, was von ihm verlangt wurde. Dann musste er sich drehen, seine Muskeln zeigen, auf der Stelle hüpfen und Kniebeugen machen. Brennende Scham, Verwirrung, Angst und der heftige Schmerz raubten ihm fast die Sinne. Endlich ließen sie ihn in Ruhe, aber sie begannen sich ungeniert über ihn zu unterhalten, genauso wie sie über ein Tier reden würden. Er hörte die Worte, aber alles in ihm weigerte sich, ihren Sinn zu erfassen. Schließlich wurde Moron wieder direkt angesprochen.

      „Ich habe sehr viel Geld für dich bezahlt, mehr als für einen normalen Sklaven üblich. Du wirst schnell merken, was das für dich bedeutet. In erster Linie: Ich erwarte von dir bedingungslosen, sofortigen Gehorsam und absolute Ergebenheit. Das bist du jedem hier im Raum schuldig. Mich wirst du mit ‚Herr‘ anreden, meine Frau mit ,Herrin‘. Das gilt ebenso für unsere Gäste. Meine Leute hier wirst du ,Madam‘ bzw. ,Master‘ nennen. Hast du das verstanden?“

      Moron zögerte nur einen Augenblick zu lang. Sofort traf ihn der nächste Peitschenhieb.

      „Ja, ja! Ich hab ja verstanden! Bitte, nicht mehr schlagen. Bitte!“, flehte er.

      „Nein, ich glaube nicht, dass du völlig verstanden hast.“

      Erneut ein leichtes Nicken in Kovits Richtung. Erneut ein Peitschenhieb.

      „Wage es niemals wieder, deine Stimme einem von uns gegenüber zu erheben. Und ein für allemal, niemanden interessiert es ob du glaubst etwas sagen zu müssen. Du redest nur, wenn du gefragt wirst, und du beantwortest jede, wirklich jede Ansprache mit ‚Ja, Herr‘ oder ‚Ja, Herrin‘ und so weiter. Mit einer deutlichen Sprechpause nach dem Ja. Wirst du das behalten können?“

      Moron hatte längst resigniert. Er war kaum noch in der Lage irgendetwas aufzunehmen. Zum ersten Mal kam ihm das mechanische „Ja, Herr“ über die Lippen.

      Dennoch fiel die Peitsche.

      „Wo bleibt die Pause?“, fauchte Kovit. „Kannst du denn gar nichts richtig machen, du Idiot?“

      Es war mehr ein Glückstreffer als eine durchdachte Antwort, dass Moron „Ja“– Pause - „Master.“ stammelte.

      „Ist vielleicht doch noch nicht alles verloren, Chef. Wie soll er denn eigentlich heißen?“

      „Diese Frage hätte ich von Ihnen nicht erwartet, Kovit. Nummer Fünf ist dran. Sie können ihn jetzt haben. Gute Nacht zusammen.“

      Die Angestellten des Hauses erwiderten den Gruß sehr respektvoll und drängten mit Moron aus dem Zimmer, hinunter in den Aufenthaltsraum der Dienstboten. Dort gab man ihm einen Becher Wasser, in das weißes Pulver eingerührt worden war. Seine Hände zitterten, als er den Becher ansetzte. Bevor er am frühen Morgen seine Hütte verließ, hatte er nichts gegessen, nur etwas Wasser aus dem Fass getrunken, das lauwarm und abgestanden geschmeckt hatte. Seitdem hatte er weder etwas trinken noch essen können. Dieses Wasser hier war kühl und schmeckte süß und frisch. Zuerst vorsichtig, um auch nicht einen Spritzer davon zu verschwenden, dann in langen Zügen leerte Moron den Becher bis zum letzten Tropfen. Dankbar sah er sich um, aber die grinsenden Gesichter der Angestellten verunsicherten ihn. Nur wenige Augenblicke später wurde ihm schwindelig und sein Puls fing an zu rasen. Das Blut schien in heißen Wellen durch seinen Körper zu schießen. Zu Tode erschrocken, schlug er mit hochrotem Kopf die Hände schützend vor seinen Intimbereich, eine Geste, die den anderen nur ein lautes Gelächter entlockte. Als der erste von ihnen diesen spärlichen Schutz wegschlug, war das wie ein Startsignal. Sie fielen völlig enthemmt über den neuen Sklaven ihres Arbeitgebers her. Mehrere Stunden lang missbrauchten und misshandelten sie ihn mit allem, was ihnen in die Hände fiel. Der Kovit genannte Mann mit der Peitsche und dem markanten Kinn,