Syltleuchten. Sibylle Narberhaus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sibylle Narberhaus
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839253229
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ihm. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da irgendetwas im Argen liegt. Es ist besser, du klärst das so schnell wie möglich, ehe sich die Fronten verhärten. Den Tipp hat mir übrigens vor Kurzem eine sehr gute Freundin gegeben.«

      Ich zwinkerte ihr zu, und ein zaghaftes Lächeln erschien auf Brittas Gesicht. Sie holte tief Luft.

      »Ich hoffe, du hast recht. Jetzt muss ich leider los. Die Jungs haben Hunger, wenn sie aus der Schule kommen, und der Kühlschrank ist fast leer. Ich muss schnell etwas einkaufen. Ich weiß noch nicht, was ich kochen soll. Zurzeit stehe ich ein bisschen neben mir.«

      »Spaghetti oder Pizza gehen immer! Halte mich auf dem Laufenden, okay? Und melde dich jederzeit, wenn du mich brauchst oder reden willst«, fügte ich hinzu.

      »Mach ich«, erwiderte Britta und zog sich die Jacke an.

      »Das mache ich, lass mal«, sagte ich, als Britta in ihrer Handtasche nach ihrem Portemonnaie suchte.

      »Danke, Anna. Also, bis später. Grüße an Nick!«

      »Tschüss, Britta! Werde ich ausrichten.«

      Ich sah ihr nach, als sie auf den Ausgang zusteuerte und um die Ecke verschwand. Pepper hatte nur leicht den Kopf gehoben und blickte zu mir hoch. Als er merkte, dass ich keine Anstalten machte aufzustehen, legte er sich wieder auf die Seite und schlief weiter. Brittas Verdacht machte mich traurig. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ihr Mann eine Affäre haben sollte. Das passte überhaupt nicht zu ihm, und das traute ich ihm nicht zu. Er liebte Britta und seine Kinder. Er würde das alles nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Oder doch? Aber irgendetwas musste nicht stimmen, wenn Britta so niedergeschlagen war. Sie war sonst der reinste Sonnenschein und sah stets das Positive im Leben. Die Rolle der Skeptikerin wurde mir zuteil. Ich war misstrauisch und rechnete oft mit dem Schlimmsten. Aber nicht Britta. Ich fühlte mich hilflos und wünschte mir in diesem Augenblick, dass sie sich gründlich täuschen möge.

      Kapitel 5

      »Chef, könnten Sie bitte kommen? Hier ist Besuch für Sie«, sagte die junge Sprechstundenhilfe und steckte den Kopf durch den Türspalt des Behandlungszimmers.

      »Jennifer, Sie sehen doch, dass ich zu tun habe. Hat das nicht bis später Zeit?«, antwortete Marcus verärgert, ohne sie anzusehen.

      »Ich glaube, es wäre ratsam, wenn Sie gleich kommen könnten.« Sie lachte verlegen. »Die beiden Herren sind etwas ungehalten«, fügte Jennifer hinzu und zog eine Grimasse.

      »Herr Gott, ja, meinetwegen, ich komme«, stöhnte Marcus. An seinen Patienten auf dem Behandlungsstuhl vor sich gerichtet fuhr er fort: »Einen Moment, Herr Münzer, es geht gleich weiter. In der Zwischenzeit können Sie in Ruhe Abschied von Ihrem Zahn nehmen. Die Betäubung braucht ohnehin noch ein paar Minuten.«

      Der Mann, der nervös das Papiertaschentuch zwischen seinen Fingern knetete, sah Marcus mit weit aufgerissenen Augen ängstlich an. Kleine Schweißperlen waren an seinem Haaransatz zu erkennen, die sich in Richtung seiner Stirn auf den Weg machten. Mit panischem Blick sah er zu der Zahnarzthelferin, die ihm wohlwollend zunickte. Dann reichte sie dem Mann ein neues Papiertuch und schenkte gleichzeitig ihrem Chef einen mahnenden Blick. Aber Doktor Marcus Strecker zog sich davon unbeeindruckt die Gummihandschuhe aus, nahm den Mundschutz ab, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und verließ das Behandlungszimmer. Wer weiß, was für ein Notfall das war, überlegte er auf seinem Weg zum Empfang. Er kam am Wartezimmer vorbei. Ein Blick hinein bestätigte ihm, dass er noch einige Patienten bis zur Mittagspause zu behandeln hatte. Aus dem Augenwinkel konnte er eine junge blonde Frau erkennen, an der sein Blick kurz hängen blieb. Sie widmete ihre Aufmerksamkeit allerdings gerade einem kleinen Kind, das auf dem Boden saß und die Kiste mit den Bauklötzen ausräumte. Uninteressant, dachte Marcus und ging weiter. Er mochte keine Kinder, denn seiner Meinung nach kosteten sie Geld, Zeit und vor allem Nerven. Außerdem hatte man sie sein Leben lang am Hals. Als er mit Anna zusammen war, hatte sie ihm ewig mit ihrem Kinderwunsch in den Ohren gelegen. Er hatte sie immer wieder mit neuen Ausreden vertrösten können. Marcus richtete jetzt seine Augen weiter zum Empfangstresen, und seine ohnehin üble Laune an diesem Vormittag verschlechterte sich schlagartig um ein Vielfaches. Dort standen zwei hünenhafte Gestalten in schwarzer Kleidung mit kurz rasierten Schädeln und sahen düster drein. Sie sahen aus, als ob sie vor lauter Kraft kaum zu gehen vermochten. Jedenfalls waren sie alles andere als Notfallpatienten. Daran bestand kein Zweifel. Auch wenn die beiden Hünen verkniffen umherblickten, Menschen mit Zahnschmerzen sahen anders aus. Und erschienen zumeist nicht im Doppelpack. Jedenfalls Kerle in dieser Größe. Bei Schulkindern mit ihren Eltern war das etwas anderes, aber darum handelte es sich hier definitiv nicht.

      »Guten Tag, die Herren«, begrüßte Marcus sie und versuchte seine aufsteigende Nervosität zu überspielen. »Womit kann ich Ihnen weiterhelfen?«

      Er wusste, dass dies kein Freundschaftsbesuch war, obwohl er die beiden Männer persönlich nicht kannte. Pharmareferenten waren es ganz offensichtlich nicht. Die sahen für gewöhnlich anders aus und lächelten in aller Regel äußerst freundlich. Diese beiden Muskelpakete dagegen sahen ihn nur mit verächtlichen Mienen an und erwiderten zunächst nichts.

      »Ich würde vorschlagen, wir gehen in mein Büro. Was meinen Sie?« Marcus räusperte sich. Dann ging er ein paar Schritte an den beiden vorbei und öffnete eine Tür. Er gab der Sprechstundenhilfe ein Zeichen, dass er unter keinen Umständen gestört werden wollte. Sie verstand und nickte. Die beiden Männer folgten ihm wortlos, und Marcus schloss sofort die Tür hinter ihnen. Bevor er irgendetwas sagen konnte, wurde er bereits mit dem Rücken gegen den Einbauschrank gepresst, und einer der beiden Männer hielt ihm dabei eine Hand fest an die Kehle. So fest, dass Marcus kaum Luft zum Atmen blieb. Mit solch einem tätlichen Angriff hatte er in keiner Weise gerechnet. Sein Rücken und sein Kopf schmerzten von dem heftigen Aufprall gegen das Möbelstück.

      Der zweite Kerl stand genau neben ihm und sagte mit hartem osteuropäischen Akzent: »Jetzt pass mal gut auf, Doktor Strecker! Herr Karmakoff hat langsam die Nase voll von dir. Letzte Chance heute in einer Woche. Bis dahin hast du das Geld, verstanden? Sonst …«

      Er griff mit einem süffisanten Grinsen nach der rechten Hand von Marcus und zog zeitgleich mit der anderen Hand ein Taschenmesser aus der Hosentasche. Marcus schielte mit panischem Blick auf die Waffe. Der Mann legte die blitzende Klinge an den Daumen von Marcus’ Hand und grinste noch breiter. Marcus konnte das kalte Metall an der Haut spüren. Er schluckte. Dann zog der Mann das Messer ganz langsam mit mäßigem Druck über Marcus’ Handballen. Marcus stöhnte leise auf und biss die Zähne zusammen, denn ein brennender Schmerz durchfuhr seinen Körper. Ein kleines rotes Rinnsal lief über seine Hand. Blut tropfte zu Boden.

      »Ist nicht gut, Zahnarzt ohne Daumen!«, bemerkte der andere der beiden, der Marcus die Hand an die Kehle drückte und ihn somit in seiner Gewalt hatte.

      Er roch unangenehm nach billigem Aftershave, und Marcus konnte nur mit Mühe ein Niesen unterdrücken. Sein Kollege mit dem Messer gab ein glucksendes Geräusch von sich. Beide empfanden die Situation als äußerst erheiternd.

      »Ich denke, wir haben uns verstanden, Strecker. Und keine Tricks! Das würde dir schlecht bekommen. Sehr schlecht.«

      Der Mann ließ von Marcus ab, der sich sofort reflexartig an die Kehle griff und zu husten begann. Er war nicht in der Lage zu antworten, sondern nickte bloß. Schweiß lief ihm den Rücken hinunter, und in seinen Schläfen pochte das Blut. Der eine der beiden Männer wischte das Messer mit einem Papiertaschentuch ab, klappte es zusammen und ließ es in der Hosentasche verschwinden. Dann wandte er sich zur Tür. Sein Mitstreiter folgte ihm, nicht ohne vorher Marcus einen kräftigen Stoß gegen die Schulter zu geben, sodass dieser fast gestürzt wäre. Er taumelte und prallte erneut gegen den Schrank. Als die beiden endlich den Raum verlassen hatten, begutachtete Marcus seine Hand. Er griff nach einer Sprayflasche neben dem Waschbecken und desinfizierte als Erstes die Wunde. Anschließend klebte er ein Pflaster auf die verletzte Stelle. Die Blutung hatte jedoch nicht aufgehört, genauso wenig wie der brennende Schmerz. Wie sollte er damit vernünftig arbeiten? Er ließ sich auf seinen Bürostuhl fallen und vergrub sein Gesicht für einen Augenblick in den Händen. Er hatte Mühe, seine Gedanken zu sortieren, und durfte unter keinen