Tochter der Inquisition. Peter Orontes. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Orontes
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783839250686
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auf ein Ereignis an, das sich vor siebzehn Jahren in einem dichten Waldstück am Fuß des Jauerling in der Wachau zugetragen hatte, etwa zwei Tagesreisen von Steyr und nicht weit vom Stift Melk entfernt. An einem heißen Juninachmittag war der Ternberger in Begleitung des Priors von Melk und dreier weiterer Mönche in einen Hinterhalt geraten und um ein Haar Opfer eines perfiden Mordanschlags geworden – wäre Falkmar von Falkenstein nicht zufällig zur Stelle gewesen. Ohne lange zu überlegen, hatte er sich beherzt in den Kampf gestürzt, der sich bereits zugunsten des mörderischen Gesindels zu neigen drohte, und hatte so mitgeholfen, das Blatt in letzter Minute zu wenden.

      »So schmerzlich es ist, Euch unter diesen Umständen begrüßen zu müssen – ich bin froh, dass Ihr den Weg hierher gefunden habt«, sagte Wernher, nachdem man sich gesetzt hatte. »Klara hat Euch beide sehr gemocht. Sie sprach stets sehr gut und mit großer Anhänglichkeit von Euch. Ich denke, Ihr wisst, wie sehr auch ich Euch schätze, Falk. Ohne Euren furchtlosen Einsatz an jenem Tag vor siebzehn Jahren wäre ich wahrscheinlich nicht mehr am Leben.«

      »Es war nicht allein mein Verdienst, Wernher. Ihr und der Prior habt Euch tapfer zur Wehr gesetzt«, versuchte Falk abzuwie­geln, doch der Ternberger schüttelte entschieden den Kopf.

      »Keine falsche Bescheidenheit, lieber Freund. Prior Beda hatte recht, als er sagte, dass Ihr Eurem Namen alle Ehre gemacht hättet. Schnell und unerbittlich wie ein Falke wart ihr über das verbrecherische Pack gekommen und habt uns herausgehauen. Auch dass die Drahtzieher des Überfalls so schnell ausfindig gemacht werden konnten, hatten wir Euch zu verdanken. Und natürlich Eurem Scharfsinn.«

      Falk ließ seine Gedanken schweifen. Er erinnerte sich noch gut an den Vorfall, der nun schon siebzehn Jahre zurücklag. Auch an das Gespräch mit Beda von Schachnitz, dem Prior zu Melk. Auf dessen Frage, wer er sei und welch glücklichem Umstand man seine Anwesenheit verdanke, hatte Falk sich ihm vorgestellt und ihn in kurzen Zügen über sein Schicksal informiert. Hoch oben im Norden läge seine Heimat, doch die habe er verlassen müssen. Ein mächtiger Verwandter seines verstorbenen Vaters habe ihn um sein Erbe gebracht und ihm nach dem Leben getrachtet. Hals über Kopf sei er in einer Gewitternacht geflohen und habe nur das nackte Leben retten können. Jetzt sei er auf der Suche nach neuen Aufgaben und Herausforderungen. Der Prior hatte ihn daraufhin nach Melk eingeladen und ihm die Gastfreundschaft des Stiftes zugesichert, was Falk dankend angenommen hatte. Tage später war es aufgrund einer Beobachtung, die Falk noch am Ort des Überfalls gemacht hatte, gelungen, der Hintermänner des Überfalls habhaft zu werden. Worauf Beda, beeindruckt vom Scharfsinn seines Gastes, diesem angeboten hatte, seine Fähigkeiten in den Dienst des Stiftes zu stellen. Falk hatte zunächst dankend abgelehnt, mit dem Hinweis, er wolle ein freier Mann bleiben. Den wahren Grund verschwieg er. Er hatte mit Klöstern nichts am Hut, alles, was nach Klerus und Kirche roch, war ihm suspekt. Was Gott und die Welt anging, hatte er seine eigenen Vorstellungen entwickelt. Und die waren so gar nicht im Sinne dessen, was die hohe Geistlichkeit von einem braven katholischen Christen erwartete. Doch als der Prior ihm eröffnete, er könne durchaus ein freier Mann bleiben, man werde ihn für seine Dienste bezahlen, wie man einen Kaufmann bezahle, hatte er eingewilligt.

      Kurz darauf war Falk das Amt eines Jagd- und Forstaufsehers zu Melk übertragen worden; im Laufe der Jahre wurde er mit weiteren Aufgaben betraut, die Scharfsinn und Mut erforderten. Über vierzehn Jahre hinweg hatte er dem Kloster gedient und auf diese Weise sein Auskommen gehabt. Dann, vor drei Jahren, hatte er Christine kennen und lieben gelernt.

      »Werdet Ihr mir dabei helfen, den Mörder meiner Frau zu finden, Falk ?«

      Die Frage des Ternbergers riss Falk aus seinen Überlegungen.

      »Das werde ich, Wernher«, versicherte er und sandte einen schnellen Blick zu Christine. In ihren Augen glaubte er Zustimmung – aber auch unverhüllte Sorge zu lesen.

      »Allerdings … gibt es da noch etwas, was ich Euch fragen möchte«, fügte er darum etwas zögernd hinzu.

      »Fragt ruhig zu.«

      »Ich will offen zu Euch sein. Wir hörten davon, dass der Inquisitor Petrus Zwicker beabsichtigt, nach Steyr zu kommen. Ihr wisst, dass sich daraus für mich … sagen wir … ein gewisses Problem ergeben könnte. Als wir seinerzeit in Venedig über vergangene Zeiten plauderten, habe ich Euch davon erzählt.«

      Der Ternberger runzelte die Stirn. »Ah ja, jetzt erinnere ich mich. Er wollte Euch als Ketzerjäger verpflichten. Doch was den Zwicker angeht, kann ich Euch beruhigen. Gerüchte, dass er auftaucht, gab es immer wieder, ohne dass sie sich bestätigt hätten. Ich sprach erst vergangene Woche mit Abt Nikolaus von Garsten darüber. Er sagte mir, ihm sei nichts von einem bevor­stehenden Besuch bekannt.«

      Falk sah erneut zu Christine hinüber. Diesmal sprach Erleichterung aus ihrem Blick.

      »Gut. Könnt Ihr mir etwas über den bisherigen Stand der Untersuchungen sagen? Stadtrichter und Burggraf führen sie wohl gemeinsam, wenn ich Eure Nachricht recht verstan­den habe?«

      »Ja, nachdem ich sie mehr oder weniger dazu zwingen musste. Aber sie sind beide unfähig. In sechs Wochen sind sie mit ihren Ermittlungen nicht einen Schritt vorange­kommen. Weder, was den Mord an Klara angeht, noch den an diesem Bürgel.«

      »Es gibt noch einen weiteren Mord?«, vergewisserte sich Falk erstaunt.

      »Ja. Lamprecht Bürgel. Ein allseits geachteter Hand­wer­ker: Fass- und Wagenmacher. Ein Fischer zog ihn aus der Enns, drei Wochen, bevor man Klara fand. Vor ein paar Monaten erst fischte der Mann fast an der gleichen Stelle zwei Mädchenleichen aus dem Fluss.«

      »Vier Morde innerhalb so kurzer Zeit? Gibt es Hinweise auf Gemeinsamkeiten?«

      Der Ternberger schüttelte den Kopf. »Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die beiden Mädchen wurden erst geschändet, dann erwürgt. Anschließend steckte der Mörder jede in einen Sack, band ihn zu und warf ihn in die Enns. In Steyr geht das Gerücht, dass es Ketzer waren; die Leute sagen, nur wer mit dem Teufel auf Du und Du stehe, könne so etwas tun.«

      »Ihre Mörder wurden also bis heute nicht gefunden?«

      »Nein.«

      »Und dieser Lamprecht Bürgel? Ihr sagtet, er wurde drei Wochen vor Klara getötet. Wie starb er?«

      »Man hatte ihm die Kehle durchgeschnitten. Die Leiche lag wahrscheinlich schon mehrere Tage im Wasser. Um den Fuß war ein Strick geknotet, der in einer leeren Schlinge endete. Der Mörder hatte den Leichnam versenkt und wohl ein Gewicht am Fuß des Toten befestigt, aber dieses löste sich, und so kam die Leiche wieder hoch.«

      »Das alles habt Ihr mir in Eurer Nachricht aber nicht mitgeteilt.«

      »Ich hielt es nicht für wichtig. Das mit den beiden Mädchen geschah schon vor Monaten. Sie dürften den teuflischen Trieben eines Wahnsinnigen zum Opfer gefallen sein; ob Ketzer oder nicht, sei dahingestellt. Was den Bürgel angeht, könnte ich mir vorstellen, dass ein Raubmörder ihn auf dem Gewissen hat. Eine Anfrage bei seiner Witwe ergab immer­hin, dass er einen prallen Geldbeutel hätte bei sich haben müssen. Der aber fehlte bereits, als der Fischer die Leiche aus dem Wasser zog. Bei Klara liegt die Sache anders. Obwohl Stadtrichter und Burggraf auch hier von einem Raubmord ausgehen. Aber ich sagte ja schon – sie sind unfähig, die wahren Hintergründe aufzudecken.«

      »Wenn ich Euch recht verstehe, wurde also auch Klara beraubt?«

      »Sagen wir es so: Man fand zwar ihre Leiche, doch ihre Geldbörse fehlte. Aber glaubt mir, es steckt mehr dahinter als nur Habgier.«

      »Ach, und wie kommt Ihr zu dieser Vermutung?«

      Wernher starrte einige Augenblicke vor sich hin, bevor er antwortete.

      »Klara ahnte ihren Tod voraus«, sagte er schließlich leise.

      Falk hob überrascht die Brauen.

      »Sie ahnte, dass sie sterben würde?«

      Der Ternberger nickte finster.

      »Ja, ich bin mir ziemlich sicher. Es gab da auch gewisse Vorzeichen. Sie machte schon seit geraumer Zeit einen … sagen wir … nun ja, einen etwas eigenartigen Eindruck. Sie