Tochter der Inquisition. Peter Orontes. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Orontes
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783839250686
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Sache gemeinsam anzugehen, und ich glaube nicht, dass sie sich ihm widersetzen werden.«

      »Stimmt. Dazu ist der Ternberger zu mächtig. Schließlich is’ er stinkreich und hat verdammt gute Beziehungen zum Herzog«, räumte Bodo ein.

      An ihre ursprüngliche Mission war nun nicht mehr zu denken. Der tote Ketzer würde warten müssen. Sie kamen überein, dass Bodo bei der Leiche wachte, während Siegbert so schnell wie möglich nach Steyr zurückreiten und den Stadtrichter informieren würde.

      Kapitel 2

      Donnerstag, 30. Juli 1388

      Die beiden Reiter, die an diesem Donnerstagvormittag die Brücke über die Steyr passierten, hatten alle Mühe voranzukommen. Sie ließen sich inmitten eines nicht enden wollenden Stroms von Menschen, Tieren und Fuhrwerken, der sich schon seit den frühen Morgen­stunden in die Stadt hineinwälzte, einfach treiben. Man sah den beiden Personen an, dass sie von weit her kamen. Aber nur ein Eingeweihter hätte wissen können, dass es sich bei einer von ihnen um eine Frau handelte. Denn was ihr Äußeres anging, schien sie sich um die von Gott und der Kirche gewollte Ordnung wenig zu scheren, trug sie doch von Kopf bis Fuß männliche Kleidung. Das lange, blonde Haar verbarg sie unter einer zu einem Turban gewickelten Gugel, während ein Schal, um Mund und Nase geschlungen, die Schönheit ihrer Gesichtszüge verhüllte. Allein die großen, ausdrucksstarken Augen, mit denen sie energisch die Umgebung musterte, sowie die vollendet geschwungenen Brauen ließen vermuten, dass sie nicht das war, für was sie sich ausgeben wollte.

      Der Begleiter der Frau, groß und kräftig gebaut, mit schwarzem Bart und auffallend blauen Augen, seufzte.

      »Wären wir bereits gestern Abend eingetroffen, wäre uns das Ganze hier erspart geblieben; Donnerstag ist immer Hauptwochenmarkt in Steyr«, sagte er und wich einem hinkenden Buckligen aus, der ihn mit seinem Handkarren gegen das Geländer der Brücke zu drücken drohte.

      »Ja – hätten dran denken sollen«, entgegnete seine Begleiterin einsilbig. Sie ritt dicht hinter ihm.

      Der Mann wandte sich um.

      »Du bist heute nicht gerade sehr gesprächig, Liebes. Willst du mir nicht sagen, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist?«

      Die Frau sah kurz auf.

      »Es gibt keine Laus.«

      »Bitte, Christine. Du kannst mir nichts vormachen. Was bedrückt dich? Heraus mit der Sprache.«

      Es dauerte etwas, bis sich die Frau zu einer Antwort durchrang.

      »Also gut. Ich … ich wollte es dir schon heute Morgen sagen, aber …« Sie seufzte.

      Ihr Begleiter hob witternd eine Augenbraue.

      »Aber was, Christine?«

      »Ich wollte dich nicht beunruhigen. Ich mache mir Sorgen, Falk. Heute früh in der Herberge – du warst gerade beim Wirt, um für unsere Übernachtung zu bezahlen, ich wartete im Hof bei den Pferden – da wurde ich zufällig Zeuge eines Gesprächs zwischen zwei Männern. Sie … sie sprachen davon, dass der Inquisitor Petrus Zwicker noch vor Einbruch des Winters in Steyr Quartier nehmen werde.«

      Der Mann zügelte augenblicklich sein Pferd. Seine Begleiterin bemerkte, wie er plötzlich die Farbe wechselte.

      »Was sagst du da? Der Ketzerjäger? Er kommt nach Steyr?«

      Die Frau nickte bedrückt. Sie hatte ihren Falben ebenfalls zum Stehen gebracht.

      »Ich habe Angst, Falk. Was, wenn er erfährt, dass du in der Stadt bist?«

      Petrus Zwicker. Falks Kiefer begannen zu mahlen. Vor vier Jahren, ein Jahr, bevor er und Christine sich kennengelernt hatten, war er dem berüchtigten Ketzerjäger im Stift zu Melk begegnet. Der Cölestinermönch hatte damals auf dem Weg nach Steyr für einige Tage im Kloster Station gemacht und versucht, ihn, der damals im Dienst des Stiftes stand, in seinen Dienst zu zwingen. Ein Mann wie Falk, der die »scharfen Waffen des Geistes« besitze, so der Inquisitor, sei verpflichtet, seine Fähigkeiten der Mutter Kirche zur Verfügung zu stellen. Es war Bodo von Schachnitz, der Prior von Melk, der der Forderung des Cölestiners erfolgreich Widerstand entgegengesetzt und ihm klargemacht hatte, dass Falk als sein persönlicher Sonderbeauftragter eine Abordnung des Stiftes nach Italien geleiten müsse. So war aus dem Ansinnen des Inquisitors nichts geworden und Falk im letzten Moment seinen Klauen entwischt.

      »Was genau sagten die Männer, Christine?«

      »Der eine behauptete, er habe gehört, dass Petrus Zwicker noch vor Eintreffen des Winters die Stadt visitieren werde. Worauf der andere entgegnete, das sei nur ein Gerücht, und er gäbe nichts darauf. Schließlich sei Zwicker vor vier Jahren erst hier gewesen.«

      Falk atmete auf. »Da siehst du’s. Ein Gerücht. Davon lassen wir uns nicht ins Bockshorn jagen. Wir waren ge­mein­­sam übereinge­kommen, dem Ternberger beizustehen. Und wir halten uns an diese Abmachung. Das sind wir Klara und ihrer Tochter schuldig.«

      »Und wenn das Ganze nun doch kein Gerücht ist?«

      Falk schüttelte unwillig den Kopf.

      »Es gibt keinen Grund, sich über ungelegte Eier Gedanken zu machen. Außerdem sind wir vor Einbruch des Winters längst wieder im schönen Salerno.«

      »Dein Wort in Gottes Ohr«, seufzte Christine.

      Knapp eine Stunde später traten sie über die Schwelle des wohl prächtigsten Hauses, das den Stadtplatz zu Steyr säumte. Hier residierte der Mann, der weder Kosten noch Mühe gescheut hatte, sie in die Stadt zu holen. Vor drei Wochen hatte er einen Boten ins ferne Salerno geschickt, um Falkmar und Christine von Falkenstein darüber in Kenntnis zu setzen, dass Klara, seine Frau, einem heimtückischen Mord zum Opfer gefallen war, und Falk darum zu bitten, an der Aufklärung des Falles mitzuwirken. Die Nachricht hatte die beiden außerordentlich erschüttert. Mit der Ehefrau des Ternbergers hatte sie mehr als nur eine oberflächliche Freundschaft verbunden. Vor drei Jahren hatten sie Klara zusammen mit ihrer Tochter Sofia in Salerno kennengelernt. Da war sie noch die angesehene Kaufmannswitwe Chiara dal Como gewesen. Nach dem Tod ihres Gatten Lorenzo hatte sie mit viel Fleiß und Geschick dessen gut gehende Seiden­manufaktur weitergeführt und aus­ge­baut. Schnell waren weitere Filialen entstanden. Eine davon in Venedig. Dann, vor zwei Jahren, war Wernher von Ternberg in die Lagunenstadt gekommen, um sich des verwaisten Kontors eines ehemaligen Steyrer Handelshauses anzuneh­men. Hier hatte er auch Falkmar wiedergetroffen, der ihm bei dieser Gelegenheit sowohl seine Frau Christine als auch Chiara vorgestellt hatte. Was nicht ohne Folgen geblieben war – Wernher und Chiara hatten sich prompt ineinander verliebt. Nur ein halbes Jahr später war Chiara, begleitet von ihrer Tochter Sofia, als Gattin Wernhers in das Ternbergsche Anwesen in Steyr eingezogen und hatte ihren Vornamen in Klara abgeändert …

      »Christine! Falk! Seid von ganzem Herzen willkom­men. Ich …«, die Stimme Wernhers geriet plötzlich ins Wanken, was ihm das Weitersprechen verwehrte. Hilflos hob er beide Arme.

      Falk und Christine hatten den Ternberger stets als stattliche Erscheinung in Erinnerung gehabt. Doch der Mann, der da neben seinem Schreibtisch stand, schien ein völlig anderer zu sein. Fahl und mit eingefallenen Gesichtszügen, wirkte er trotz seiner imposanten Größe erschreckend alt und hinfällig.

      Falk reichte ihm die Hand. »Auch uns fehlen die Worte, Wernher. Was gäben wir darum, wäre der Grund, weshalb wir uns sehen, ein freudiger. Nehmt unser aufrichtiges Mitgefühl entgegen«, kondolierte er mit heiserer Stimme.

      Christine umarmte ihn. »Das Schicksal hat Euch eine furchtbare Last aufgebürdet, Wernher. Möge Gott Euch helfen, sie zu tragen«, schloss sie sich den Worten ihres Gatten an und wischte sich eine Träne von der Wange.

      »Nun ja, mit dem Schicksal ist es so eine Sache«, räsonierte der Ternberger und sah Christine kummervoll an. »Schon als Euer Gatte und ich uns das erste Mal begegnet sind, geschah dies unter dramatischen Umständen, wie Ihr ja wisst. – Aber verzeiht, ich bin ein schlechter Gastgeber. Nehmt doch erst einmal Platz.«

      Der Magistrat wies mit einer einladenden Geste auf zwei behäbige