Baltrumer Wattenschmaus. Ulrike Barow. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ulrike Barow
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839262467
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dass du da bist«, begrüßte der Inselpolizist den Totengräber.

      »Braucht ihr einen Sarg und die Totenkutsche?«, fragte Tim.

      »Warte ab. Ich denke nicht. Meine Kollegen werden die Grabstätte zunächst in Augenschein nehmen.«

      Die Männer schoben das Zelt zur Seite und entfernten die Folie.

      »Wo sind denn die Knochen?«, wunderte sich Brinkmann.

      »Da. Im Grab.« Röder deutete auf das Viereck.

      Haltegrund machte Fotos, während Brinkmann eine kleine Schaufel aus einer Metallkiste nahm. »Und wie tief?«, fragte er, als er Schicht für Schicht der trockenen Erde beiseiteschob.

      Tatsächlich, je tiefer sie gruben, desto mehr Knochen holten sie aus der Erde. Sogar den Schädel fanden sie. »Das ist bestens«, sagte Brinkmann und hielt ihn hoch. »Wir haben, sehr gut erhalten, das Gebiss. Wenn die Person offiziell als vermisst gemeldet wurde, können wir mit ein bisschen Glück sehr schnell herausfinden, um wen es sich handelt. Die Knochen sind meines Erachtens ausgewachsen.«

      Röders Telefon meldete sich. Hoffentlich eine gute Nachricht, dachte er und wurde belohnt. Es war sein Hilfssheriff. Genau genommen diesmal eine Kollegin, die ihn in den nächsten Wochen unterstützen und bereits am späten Nachmittag auf die Insel kommen würde. Er fragte sich kurz, ob es eine weibliche Form von Sheriff gäbe, aber es wollte ihm nichts einfallen. Anika Frederik. Interessanter Name. Er war gespannt auf die Kollegin.

      »Also, wie geht es weiter?«

      Martin Brinkmann deutete auf eine Metallkiste. »Hier hinein legen wir die Knochen und nehmen sie mit zur weiteren Untersuchung. Du bekommst so bald wie möglich Bescheid, wenn wir Neues haben. Wie es mit den Ermittlungen weitergeht, solltest du mit Müller besprechen.«

      Lars Haltegrund hatte den Deckel der Kiste geöffnet. Sie war mit dickem Vlies ausgelegt. Dorthin platzierte er vorsichtig Knochen für Knochen. Dann zeigte er auf ein Stück Stoff. »Das befand sich auch im Grab. Wir nehmen es mit zur Untersuchung. Ach ja, es könnte sein, dass du die Besitzer des Grabes zur DNA-Probe bitten musst. Nur, damit wir sichergehen können, dass es sich nicht um jemanden aus der Familie handelt. Aber das kannst du mit Müller besprechen. Bei dem werden alle Informationen auf dem Schreibtisch zusammenlaufen.«

      »Darf ich fragen, was hier vor sich geht?« Röder drehte sich um und sah die Pastorin, Nadja Recknagel, hinter sich auftauchen. Er hatte ganz vergessen, sie von dem Vorfall zu unterrichten. Das holte er nun nach. »Es ist sicher, dass hier nicht noch ein Familienmitglied beerdigt wurde?«, fragte er zum Schluss.

      Tim Seebald lachte auf. »Michael, wenn es so wäre, hätte ich dir davon berichtet. Schließlich bin ich der Totengräber. Mir entgeht nichts.«

      »Aha, wenn das so ist, dann kennst du die Umstände, wie und warum die Knochen hier lagen.«

      »Ach, ich meine doch die offiziellen, also die richtigen …«, stotterte Tim, »ach was, du weißt schon, die Beerdigungen mit Pastorin und so.«

      »Nun lassen Sie den armen Mann in Ruhe«, mischte sich Nadja Recknagel ein. »Er hat keine Ahnung und ich auch nicht. Auch wenn ich zugebe, dass ich schon gern wüsste, wer hier die Totenruhe gestört hat.«

      »Ich hoffe, die Experten am Festland finden es heraus.« Röder deutete auf die beiden Männer, die Kisten und Taschen auf der Wippe verstauten. Zuletzt nahmen sie mit Tims Hilfe die längliche Metallkiste mit den Knochen darin und trugen sie zu den anderen Sachen. »Die Knochen gehen nach Oldenburg zur Untersuchung.«

      »Dann braucht ihr die Totenkutsche also nicht?«, fragte Tim.

      Röder überlegte, dann meinte er: »Ich denke nicht. Es ist meines Erachtens nicht respektlos, wenn wir die Überreste zügig und ohne großes Aufsehen zum Flugplatz bringen. Oder was denken Sie, Frau Recknagel?«

      »Gehen Sie. Das ist schon in Ordnung«, erwiderte die Pastorin knapp. »Die schnelle Aufklärung der Sache ist viel wichtiger, um dem oder der Toten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.«

      »Der Hubschrauber ist unterwegs. Kommst du mit, Michael?«, fragte Brinkmann.

      »Natürlich. Bin gleich soweit.« Er klärte mit Axel Meinders ab, dass die Feuerwehr das Zelt abholen sollte, aber das Grab weiterhin mit der Folie abgedeckt und gesichert bleiben möge, und bat Tim, auf das Eintreffen der Feuerwehr zu warten. Dann rief er bei Kramers an und unterrichtete sie davon, dass das Grab vorerst nicht wieder herzurichten sei, da die Polizei gegebenenfalls noch einmal den Zugriff brauchte. Dass er wegen der Probe bei ihnen vorbeikommen würde, verschwieg er. Klaus Kramer schien ihm an diesem Morgen bereits nicht mehr ganz nüchtern zu sein. Er wollte keinen sinnlosen Streit riskieren. Er schaute auf die Uhr. Gleich zwölf. Da hatte er genug Zeit bis zu seinem Treffen mit dem Schulleiter.

      »Ich bin in Kürze wieder vor Ort«, rief er der Pastorin und dem Totengräber zu, die in ein Gespräch vertieft waren, dann verließen die Ermittler den Friedhof.

      »Liebe Güte, was für ein Krach«, bemerkte Lars Haltegrund, als sie auf die Straße zum Flugplatz abbogen.

      »Ringelgänse, Möwen, Austernfischer – alle reagieren ungehalten, wenn sich ein Fluggerät nähert«, erklärte Röder. »Aber wir befinden uns im Nationalpark. Da läuft nichts mit Abschießen. Auch wenn die Menge der Flattertiere ständig zunimmt.« Er zeigte auf die Hellerfläche, auf der sich die Vogelschwärme wie eine weiße oder graue Decke über das Grün gelegt hatten.

      »Das sollte den Gästen, deren Schlafzimmer zum Heller hinzeigen, besser vor der Anreise klargemacht werden. Ich könnte bei der Lautstärke kein Auge zutun«, überlegte Haltegrund.

      »Ginge mir ähnlich«, bestätigte Martin Brinkmann. »Und soweit ich weiß, geht das Geschnatter auf dem Heller den ganzen Sommer über, oder?«

      »Die Vögel kommen im Frühjahr und fliegen ab Mitte Juli weiter. Einige Arten bleiben sogar inzwischen. Schaut mal«, Röder zeigte auf einen weißen Vogel mit einem löffelartigen Schnabel, »ein Löffler. Gibt es nicht sehr häufig und noch gar nicht lange hier.«

      »Scheint mir aber recht zutraulich zu sein«, wunderte sich Brinkmann.

      Und tatsächlich: Der große Vogel erhob sich erst in die Luft, als sich der Hubschrauber mit lautem Getöse näherte.

      Sie luden alles ein und die Männer verabschiedeten sich. Röder fuhr zurück zum Friedhof und sah, dass die Feuerwehr das Zelt abgebaut hatte. Somit war alles geregelt. Die Pastorin war bereits gegangen, auch Tim und der Inselpolizist verließen den Friedhof.

      Er fuhr zurück in die Wache und räumte ein paar Papiere auf dem Schreibtisch zusammen. Die neue Kollegin sollte nicht gleich den Schreck ihres Lebens bekommen, wenn sie ihre Arbeitsstätte für die nächsten Wochen sah.

      Dann ging er in die Küche der Dienstwohnung und machte sich einen schnellen Kaffee. Es war ruhig in der Wohnung. Weder Sandra noch Amir waren da. Hatte sie etwas gesagt, wohin sie …? Ach ja. Er musste sich erst an den Gedanken gewöhnen, dass seine Frau tagsüber oft nicht da war. Sie hatte zusammen mit ihrer Freundin einen Bioladen auf der Insel aufgemacht. Gemüse und Obst bekamen sie vom Hof seines Freundes Arndt Kleemann und seiner Frau Wiebke. Seit zwei Monaten war der Laden geöffnet, und die beiden Frauen hatten gleich gut zu tun gehabt. Er setzte sich ins Wohnzimmer, genoss die Stille und dachte über den Fund auf dem Friedhof nach. Er war gespannt, ob sich herausstellen würde, wer der oder die Tote war und welche Ermittlungsarbeit auf der Insel es nach sich ziehen würde. Aber zunächst musste er sich anhören, was der Schulleiter zu sagen hatte.

      Er stand auf, spülte seine Tasse aus und fuhr los. Es war immer noch trocken, auch wenn sich gegen Westen ein paar dunkle Wolken sammelten.

      Er fuhr an der Volksbank vorbei und bog am Hotel »Seehof« links ab. Gleich darauf stellte er sein Rad in den Ständer an der Schule. Hoffentlich nimmt es keiner mit, dachte er. Ohne Rad war er aufgeschmissen. Er erinnerte sich an einen Sommer vor ein paar Jahren. Da waren einige Fahrräder der Kinder während des Unterrichts plötzlich verschwunden. Später stellte sich heraus, dass