Mühlviertler Blut. Eva Reichl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eva Reichl
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839256565
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dem anderen zu uns herein«, wies Stern ihn weiter an.

      Während Plattlbauer der Anweisung Folge leistete, lehnte sich Grünbrecht hinter ihrem Chef nahe dem Fenster an die Wand und murmelte, als die erste Zeugin eintrat: »Jetzt bin ich aber gespannt.«

      »Mein Name ist Herta Bachmeier. Ich bin … ich war die Pfarrersköchin«, stellte sich die etwa 1,50 Meter große Frau den Kriminalbeamten vor, die allein durch ihre Erscheinung Sterns Bild von bei der Kirche beschäftigten Personen gehörig durcheinanderwirbelte. Ihre kurzen, rot gefärbten Haare standen wirr vom Kopf ab und bildeten einen starken Kontrast zu ihrem blassen Teint. Ihr grell pink geschminkter Mund biss sich mit dem Orange ihres T-Shirts. Der Rest steckte in einem Jeansrock und rosa geblümten Leggings. Über dem Ganzen trug die Pfarrersköchin eine rote ärmellose Weste mit schwarzen Fransen am Saum. Der Chefinspektor hatte bislang gedacht, Pfarrersköchinnen wären graue alte Jungfern, gekleidet in schwarzen Röcken und beigen Blusen. Dass er mit diesem Vorurteil gewaltig irrte, zeugte die vor ihm sitzende, ungefähr 35 Lenze zählende Frau, die alles andere als langweilig zu sein schien. Zumindest nicht, was ihre Kleidung anbelangte.

      »Frau Bachmeier, können Sie sich vorstellen, warum der Pfarrer, also Ihr Chef, ermordet worden ist?«, fragte Stern bemüht, sein Erstaunen wegen des schillernden Aussehens seines Gegenübers nicht durchscheinen zu lassen.

      »Nicht im Geringsten. Der Pfarrer ist …« Die Frau brach ab und räusperte sich. »Er war ein herzensguter Mensch. Er hat keiner Fliege etwas zuleide getan, in seinem ganzen Leben nicht. So ein lieber Mensch, wissen S’? Wenn alle so wären, wie unser Herr Pfarrer es g’wesen ist, dann wäre die Welt eine viel bessere. Und glauben S’ mir, die hat das auch dringend nötig bei dem, was man so alles im Fernsehen sieht!« Herta Bachmeier schüttelte den Kopf.

      »Ja, ja, das Fernsehen. Man soll aber nicht alles glauben, was man im Fernsehen sieht, Frau … äh.«

      »Bachmeier. Herta Bachmeier.«

      »Ja, Frau Bachmeier. Kommen wir zurück zum Pfarrer: Hat er Feinde gehabt?«, versuchte Stern, etwas für den Fall Relevantes aus der Frau herauszubekommen, und fand, dass die Farbkombination Rosa mit Orange und Rot sogar seinen für Mode äußerst unausgeprägten Sinn störte.

      »Nein, Herr Inspektor, er hat gewiss keine Feinde gehabt. Ich hab Ihnen doch schon gesagt, dass er ein ganz lieber Mann gewesen ist. So einer hat keine Feinde.«

      Für Stern war die Sache klar: Entweder wollte die Frau nichts Schlechtes über ihren toten Chef sagen, oder sie empfand den Dahingeschiedenen als tatsächlich so, wie sie behauptete. Um sich ein Urteil über den Priester bilden zu können, war es aber zu früh. Schließlich standen sie noch ganz am Anfang mit ihren Vernehmungen.

      »Gibt es sonst etwas, das Sie uns über den Pfarrer erzählen möchten?«, mischte sich Grünbrecht ein. Die dick mit Kajal umrandeten Augen der Pfarrersköchin wanderten in ihre Richtung und blieben an ihr haften.

      »Ich hatte da so ein Gefühl …«, begann sie zu erzählen und tippte sich dabei auf die Brust. Schon allein, wie sie es sagte, verkrampfte sich Sterns Magen. Er hasste Gefühle in Mordfällen, er brauchte Fakten, Fakten und nochmals Fakten.

      »Ein Gefühl?«, wiederholte er argwöhnisch.

      »Ja, als hätte ich es gespürt, dass etwas Schlimmes passieren wird.«

      »Spüren Sie so etwas denn öfter?«, hakte Grünbrecht nach, worauf ihr Stern einen finsteren Blick zuwarf. Die Gruppeninspektorin wusste, was ihr Chef von Äußerungen über Gefühle hielt, und wollte schneller sein als er, bevor er die Vernehmung abbräche und die Zeugin hinausschicken konnte.

      »Nun ja …« Die Frau suchte offenbar nach den richtigen Worten. »Ach, vergessen Sie’s!«, sagte sie dann und stand auf.

      »Aber bleiben Sie doch …«

      »Danke, Frau Bachmeier«, fiel Stern Grünbrecht ins Wort. »Und wenn Sie rausgehen, schicken Sie uns bitte den Nächsten herein.« Stern war erleichtert, dass ihm die Gefühlsduselei der Frau erspart blieb.

      »Also ich hätte schon gern gewusst, was sie uns zu sagen versucht hat«, meinte Grünbrecht, als die Frau den Pfarrsaal verlassen hatte.

      »Sie haben doch gehört, dass sie selber gesagt hat, dass wir es vergessen sollen. Sie wollte halt nicht mehr darüber reden, warum auch immer.«

      »Weil Sie gleich so abwehrend reagiert haben«, warf Grünbrecht ihrem Chef vor.

      »Hab ich doch gar nicht! Aber wahrscheinlich hat die gute Frau selber erkannt, dass ihre Aussage für die Aufklärung des Falls nicht relevant ist. Wenn sie über Gefühle reden will, soll sie zu einem Psychiater gehen. Wir haben einen Mord aufzuklären.«

      Die Tür ging auf und der nächste Zeuge marschierte herein, streckte dem Chefinspektor die Hand entgegen und tippte sich an Grünbrecht gewandt als Gruß an den Hut. Er trug eine Lederhose, ein rot-weiß kariertes Hemd und brachte mindestens 30 Kilo zu viel auf die Waage, die meisten davon vorne an seinem Bauch. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – war er eine stattliche Erscheinung. Selbstbewusst setzte er sich auf den Stuhl, der unter seinem Gewicht ächzte, was jeder im Raum aber ignorierte.

      »Ihr Name?«, fragte Stern.

      »Siegfried Bauer.«

      »Herr Bauer, was können Sie uns über den Pfarrer sagen?«

      »Ja mei, recht viel net«, antwortete der Mann und steckte beide Daumen in den Bund der Lederhose. Die Hände ruhten dabei auf seinem Bauch wie bei einer Schwangeren.

      »Aber Sie sind doch extra hergekommen, um auszusagen?« Stern war verwirrt.

      »Ja, schon.« Der Mann hingegen war die Ruhe selbst. Sein Blick wanderte zwischen Stern und Grünbrecht hin und her, und es schien, als wartete er auf etwas.

      »Und … was bedeutet dann dieses recht viel nicht?« Nun begann dieses Aus-der-Nase-Ziehen, wenn es denn überhaupt etwas aus der Nase zu ziehen gab. Außerdem knurrte Sterns Magen. Die Geduld des Chefinspektors wurde hart auf die Probe gestellt.

      »Ja mei, er war halt unser Pfarrer«, sagte der Zeuge gelassen.

      »Aber wissen Sie auch, warum er sterben hat müssen, Ihr Herr Pfarrer? Haben Sie irgendeinen Hinweis für uns?«

      »Ja mei, keine Ahnung. Dafür seid’s doch ihr da, oder? Das ist ganz klar Aufgabe der Polizei!«

      Stern stieß hörbar die Luft aus. Er musste sich zusammenreißen, um dem vor ihm sitzenden Mann nicht gehörig die Meinung zu sagen. Er befürchtete jedoch, dass der erst die Vorhut war und draußen vor der Tür noch viel Schlimmeres auf ihn wartete.

      »Und warum sind Sie dann zur Vernehmung gekommen?«, fragte nun Grünbrecht, da sie spürte, dass Stern einen Augenblick benötigte, um sich zu sammeln.

      »Ja, mei. Ich wollt mir das halt mal so ansehen, wie ihr das so macht. Sonst kennt man das ja nur aus dem Fernsehen, von den vielen Krimis. Und das mal live zu sehen, ist halt doch ganz etwas anderes.«

      »Danke, der Nächste bitte!«, komplimentierte Stern den Mann hinaus. Siegfried Bauer erhob sich, straffte seine Lederhose mit einem gezielten Griff unter die Hosenträger und schlurfte aus dem Pfarrsaal. Stern starrte ihm verärgert hinterher und einer kleinen, alten Frau mit grünem Kopftuch entgegen.

      »Rosa Hintersteiner«, stellte die sich vor.

      »Sehr schön, Frau Hintersteiner. Was können Sie uns über den Pfarrer alles erzählen?«

      »Pst!«, machte die Frau.

      Stern war verblüfft. Schon wieder. »Was meinen Sie mit Pst?«, fragte er.

      Die Frau lockte ihn mit ihrem knöchrigen Zeigefinger näher zu kommen wie einst die Hexe aus Hänsel und Gretel. Stern beschlich ein mulmiges Gefühl. Er fürchtete zwar nicht, in einen Käfig gesperrt zu werden, schließlich war er derjenige, der andere wegsperrte, aber das Verhalten der Frau war dennoch ein wenig unheimlich. Er beugte sich nach vorne, um zu verstehen, was die Frau gleich sagen würde, und auch Grünbrecht trat näher