Italienischer Traum am Gardasee. Gabriele Raspel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gabriele Raspel
Издательство: Bookwire
Серия: Moderne Heimatromane
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783475548727
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Sie eine Sondergenehmigung für Ihre kindliche Hochzeit?«

      Sie antwortete nicht, doch er bemerkte, wie sich der Glanz in ihren Augen verstärkte.

      »Mit acht Jahren bereits mit Herrn de Saint-Martin verheiratet, das nenne ich ein schweres Los. Soweit ich weiß, ist das selbst unter Adeligen nicht mehr Usus.«

      Sie ergriff hektisch die Zeugnisse, raffte die anderen Papiere zusammen und stand vom Stuhl auf. »Ich denke, die Sache hat sich erledigt«, brachte sie wütend hervor. »Adieu.«

      Erstaunt registrierte er, dass sie nicht etwa verlegen, sondern schlicht wütend war. Wieder einmal versetzte die Dame ihn in Erstaunen und das, wo sie sich doch erst so kurz kannten. Wobei kannten wohl zu viel gesagt war.

      Sie ergriff ihre Handtasche, dabei segelten erneut einige Blätter auf den Boden. »Oh nein.«

      Diesmal klang ihre Stimme so, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Dies galt es zu verhindern. Er hatte den Satz kaum zu Ende gedacht, da war er bereits um den Schreibtisch herumgestürzt und hatte die Zeugnisse eingesammelt.

      »Flucht ist nicht immer der beste Ausweg«, bemerkte er süffisant und hielt ihr die Unterlagen hin.

      Der Blick, den sie ihm zuwarf, verlangte ihm Hochachtung ab.

      »Ich sehe, dass ich mit Ihnen nur meine Zeit verschwende.«

      Ihre Stimme hatte die Fassung wiedererlangt. Gottseidank.

      »Reden Sie keinen Unsinn. Setzen Sie sich hin und erklären Sie mir, was hier eigentlich läuft.«

      Sie zog die Brauen zusammen und herrschte ihn an: »Ich kann nicht mit jemandem zusammenarbeiten, der solche Vorurteile gegen andere Menschen hegt.«

      »Holla, da sind Sie aber die Erste, die mir das vorwirft.«

      »Dann wurde es höchste Zeit.«

      »Lady, wenn wir ins Geschäft kommen wollen, sollten Sie Ihren Ton zügeln«, entgegnete er scharf. »Und jetzt bitte ich Sie inständig, setzen Sie sich hin und lassen Sie uns vernünftig wie zwei Erwachsene verhandeln.«

      »Ich bin vernünftig.«

      »Sie hatten soeben vor, mich zu betrügen.«

      »Ich betrüge Sie nicht, wenn ich Ihnen vorspiele, dass ich demnächst wieder meinen Mädchennamen annehmen werde.«

      »Darüber kann man streiten.« Leicht genervt deutete er auf ihren Stuhl und tatsächlich gab sie sich die Ehre und nahm wieder Platz. »Ich finde, eine kleine Entschuldigung wäre zumindest angebracht«, sagte er und trat wieder hinter den Schreibtisch. Lässig sank er in seinen bequemen Arbeitssessel. »Und jetzt geben Sie mir bitte wieder Ihre Papiere.«

      Sie folgte seiner Aufforderung diesmal kommentarlos, wie er zufrieden bemerkte. »Sie waren also verheiratet und tragen jetzt wieder Ihren Mädchennamen de Saint-Martin. Es ist der Name Ihres Vaters? Habe ich bis hierhin alles richtig verstanden?«

      »Ja. Aber … aber er ist nur ein Seigneur, also ein Gutsherr, ein verarmter. Er hat aber kaum mehr Verbindung zu seiner eigenen Familie, nachdem er meine Mutter geheiratet hatte. Meine italienische Mutter. Das mit dem Namen meines geschiedenen Mannes ist Unsinn. Ich habe seinen Namen sofort nach unserer Scheidung abgelegt, die übrigens nicht erst im vorigen Jahr erfolgte, sondern bereits vor …«, sie zählte an den Fingern ab, »… vor einundzwanzig Jahren stattfand. Es fällt mir nicht leicht, es Ihnen zu gestehen«, gab sie mit waidwundem Blick von sich, »aber ich habe Sie belogen, weil ich unbedingt die Stelle haben möchte.«

      »Die Zeugnisse Ihres letzten Arbeitgebers sind hervorragend. Ich hoffe, sie sind nicht gefälscht?«, konnte er sich nicht verkneifen hinzuzufügen.

      Sie schnappte nach Luft. Dann sagte sie: »Meine Zeugnisse sind echt. Sie können sich ja bei meinem letzten Arbeitgeber erkundigen.«

      »Haben Sie selbst gekündigt oder wurden Sie rausgeworfen?«

      »Die Firma ging in Insolvenz, daher muss ich mir jetzt eine neue Arbeit suchen.«

      Er nickte wortlos. »Wo wohnen Sie?«, fragte er und widmete sich erneut dem letzten Arbeitszeugnis, das sich als brillant erwies.

      »In Riva.«

      »Ich sehe, Ihre Sprachkenntnisse sind beachtlich. Das ist gut, denn ich spreche kein Französisch und nur wenig Deutsch und erst recht kein Spanisch.« Er nahm wahllos aus einem Stapel neben sich ein Schreiben an einen französischen Hotelier, zu dessen Übersetzung seine Exsekretärin nicht mehr gekommen war, und warf es mit einer spielerischen Gebärde vor sie auf den Tisch. »Übersetzen Sie!«

      Sie übersetzte. Flüssig und fehlerlos. Doch dann passierte ihr ein Fauxpas, wenn man die Unverschämtheit so nennen wollte, der so rotzfrech war, dass ihm beinahe der Atem stockte, der sie ihm jedoch irgendwie auf Anhieb sympathischer machte.

      »Und Sie, Monsieur«, endete sie in demselben phlegmatischen Tonfall wie sie die ersten Sätze des Geschäftsbriefs begonnen hatte, »sind ein entsetzlich ungehobelter Klotz, dem man unbedingt einmal beibringen müsste, wie man sich anständig benimmt! Mit freundlichen Grüßen von mir, die auf eine Stelle wie die Ihre pfeift.«

      Aha, die Dame konnte auch anders. Minuspunkt oder Pluspunkt, keine Ahnung. »Was bedeutet rustaud?«

      Peng! Dieser Schuss hatte sie zum ersten Mal komplett aus den Latschen katapultiert. Bravo.

      »Rustaud bedeutet ungehobelt, also ungehobelter Klotz«, kam es heiser nach einer winzigen Sekunde über ihre Lippen – hübsche Lippen, wie er erneut feststellte.

      »Dieser ungehobelte Klotz könnte Ihnen immerhin eine Stelle anbieten, nach der sich andere Frauen die Finger lecken. Und ich versichere Ihnen, dann und wann bin ich durchaus in der Lage, mich zu benehmen«, sagte er mit hochmütiger Stimme.

      Mit Vergnügen registrierte er, wie sie puterrot wurde. Die Stille, die eintrat, genoss er ebenso und er hatte nicht vor, sie von sich aus zu beenden.

      Sie handelte, wie er es vorausgesehen hatte. Mit hektischen Bewegungen ergriff sie ihre Handtasche und stand auf. »Ich bitte um Entschuldigung.«

      Sie hatte beinahe schon die Tür erreicht, da rief er sie zurück. »Pardon, Madame. Eine perfekte Sekretärin übersteht auch eine solche Situation mit Contenance«, sagte er ironisch. »Außerdem haben Sie Ihre Bewerbungsunterlagen vergessen.«

      Schweigen.

      »Jetzt kommen Sie zurück. Ich bin mir sicher, so ein Lapsus wird Ihnen in Zukunft nicht so schnell wieder passieren.« Da war er sich allerdings gar nicht sicher.

      Sie antwortete immer noch nicht, doch ihr Schritt verzögerte sich.

      Er verdrehte ungeduldig die Augen. »Jetzt machen Sie schon. Zeit ist Geld, und ich habe heute Morgen noch nicht gefrühstückt.«

      Endlich drehte sie sich mit einer unschlüssigen Bewegung um. Auf ihren Wangen hatten sich hektische rote Flecken gebildet, als sie an den Schreibtisch zurückkehrte. Aus ihren Augenschlitzen schossen Feuersalven.

      Er hob die Hand und deutete auf den Stuhl ihm gegenüber. »Voudriez-vous prendre place? Je vous en prie!«, fügte er mit samtener Stimme hinzu.

      »Sie dürfen ruhig weiter mit mir Italienisch reden, ich weiß ja nun, dass Sie Französisch können«, sagte sie, während sie seiner Bitte nachkam, sich setzte und ein Bein über das andere schlug, wieder ganz die selbstbewusste Dame, die vor wenigen Minuten sein Büro betreten hatte. »Was Sie bisher leugneten«, äußerte sie kühl, nun beinahe wieder kontrolliert wie zu Beginn, wenn auch mit einer Spur Trotz in der Stimme.

      »War gelogen«, grinste er.

      Die Stille, die eintrat, war erneut so spannungsgeladen, dass man meinte, das Wasserglas vor ihr müsse gleich zerbersten, wie bei einem Sänger, der das hohe C meisterhaft in die Welt schmetterte.

      Aber dann tat sie etwas, das ihm nicht nur Spaß bereitete, sondern auch Respekt abverlangte, und er eindeutig als Pluspunkt vermeldete: Sie fiel in herzhaftes