Severins Traumreise. Hermann J. Schuhen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hermann J. Schuhen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783960742494
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... doch ... das Klappern von Messern, Tassen und Tellern kann ich hören. Oh, Mama macht das Frühstück, gleich gibt’s ein Butterbrot“, jubelte Severin. „Vielleicht mit ganz dick Himbeermarmelade drauf.“

      „Aha, das also hast du gehört. Es gibt was zu essen, du kleiner Vielfraß, sonst hast du nichts gehört?“ Der kleine Wassertropfen wirkte im Sonnenlicht noch funkelnder. War es ein wenig Zorn, der ihn so funkeln ließ? „Typisch, die Menschen, essen, essen, essen! Ich glaube, die Menschen haben nur noch sich selbst im Kopf. Das ist so egoistisch!“

      „Was ist das denn, ergolistisch?“, warf Severin ein. „Das hab ich noch nie gehört.“

      „Gib Ruhe“, der Tropfen waberte vor lauter Erregung.

      „Was ist denn mit dir auf einmal los?“ Severin sah etwas erschrocken zu der Perle, die nur langsam wieder aufhörte zu wabern.

      „Schau mal, Severin, ich wollte dir erklären, was es heißt, mit dem Herzen zu hören. Ich meinte damit auch, die Geräusche der Natur zu hören. Die Pflanzen, die Tiere und auch die Wassertropfen, alle können und wollen dir was erzählen, aber was ist das Einzige, das du hörst? Dein Butterbrot mit Himbeermarmelade.“

      Severin kauerte sich an den Fensterrahmen und meinte kleinlaut: „Das Butterbrot hab ich ja gar nicht gehört, nur die Teller und so ...“

      Der Tropfen machte einen neuen Anfang, um ihm das Hören mit dem Herzen zu erklären, und versuchte, mit ruhiger Stimme zu reden, obwohl er immer noch ein wenig sauer auf Severin war. „Ich werde mir Mühe geben, damit es der kleine Kerl endlich versteht“, dachte der Tropfen. „He, Severin, wenn du jetzt mal nicht an dein blödes Butter...“

      „Mein Butterbrot ist nicht blöd“, fiel ihm Severin ins Wort. „Das schmeckt! Und wie das schmeckt.“

      „Severin, willst du nun was lernen oder nicht? Wenn ja, dann hör mir doch endlich einmal zu.“

      „Ja, ja“, brummelte Severin und der Tropfen versuchte einen neuen Anfang.

      „Was, was hörst du, Severin, wenn du nun mal die Augen schließt?“

      Der Bub schloss die Augen und drückte sich noch fester an den Fensterrahmen. Zwei Meter und fünfzig Zentimeter war nämlich das Fenster hoch.

      „Auweh“, dachte Severin, „wenn ich der Perle jetzt sage, was ich sehe, dann ist der Ärger wieder da.“ Er hatte nämlich schon ganz doll Hunger und ...

      „Nein“, sagte er leise zu sich, „ich will das Himbeermarmeladebrot nicht mehr hören.“ Er versuchte, es zu vergessen.

      Nach einer Weile der Stille öffnete Severin ganz vorsichtig das linke Auge ein wenig, um nachzusehen, ob der Tropfen noch da war.

      Er war noch da, und wie! Er funkelte so schön bunt in der Sonne, einfach herrlich. Schnell schloss Severin sein Auge, um neue Geräusche zu hören. Und tatsächlich, aus der Stille heraus hörte er direkt vor sich ein Zipp, zipp, zipp. Severin wusste, dass es das Piepsen einer Tannenmeise war. Das hatte er schon lange nicht mehr gehört, aber warum eigentlich nicht? In das Zipp, zipp, zipp des kleinen Vogels mischte sich ganz vorsichtig ein Wuuuuuhh und ein Schschschhhhh. Das war der Wind, der die Blätter im Kastanienbaum säuseln ließ. Severin erkannte die Geräusche sofort. Ach, das war ein schönes, wohliges Gefühl.

      Ein Murmeln und Plätschern drängte sich an seine Ohren. Severin strahlte: „Das ist der kleine Bach, der am Haus vorbeifließt, in den saftigen Wiesen verschwindet und unten im Dorf in den Hausbach mündet.“

      Auweh, der Hausbach.

      Severin dachte an den Lehrer und den Haselnussstecken, mit dem er schon oft bestraft worden war. Und was passierte im gleichen Moment? Severin hörte die Vögel nicht mehr, das Säuseln des Windes und das Murmeln vom Bach waren einfach weg. Nur noch den Haselnussstecken konnte er hören. Severin erschrak und riss die Augen auf. Konnte man überhaupt einen Haselnussstecken hören? Nee, nur spüren! Severin grinste frech in die Morgensonne und glaubte auf einmal zu wissen, was es hieß, mit dem Herzen zu hören.

      „Was grinst du so?“ Die funkelnde Wasserperle sonnte sich noch immer vor Severins Fenster.

      „He, Wassertropfen, ich hab’s kapiert, ich weiß es jetzt.“

      „Was weißt du?“, fragte der Tropfen.

      „Mit dem Herzen hören, ich weiß, wie es geht. Man darf nur nicht an den Herrn Lehrer und seinen Haselnussstecken denken. Dann kann man mit dem Herzen hören.“

      Die Perle lachte laut auf und begann dadurch so zu wabern, dass sie fast vom Blatt gekullert wäre. „Irgendwie hast du es kapiert, Severin.“

      Sie wurde nach dem Lachanfall wieder ernster. „Du hast also gemerkt, dass das Hören und Sehen mit dem Herzen nur dann gelingt, wenn man die schlechten Gedanken aus dem Herzen und aus dem Kopf verdrängt. Probleme versperren die Augen und die Ohren vor all dem Schönen auf der Erde.“

      „Ja“, erwiderte Severin, „und das Sehen mit dem Herzen geht so einfach und macht riesigen Spaß.“

      Die Perle und Severin schauten sich um, überall war Leben zu sehen und zu hören. Vögel sangen, jeder sein eigenes Lied. Die Grillen zirpten laut um die Wette, die Ziege meckerte fröhlich in der Morgensonne und die Kühe, die vorhin noch im Stall standen, erfreuten sich am saftigen Gras. Ihr Schnauben beim Fressen hörte sich ganz zufrieden an.

      Aber was war auf einmal mit Severin los?

      Der Wassertropfen schaute rüber zu ihm und bemerkte, dass die Fröhlichkeit aus seinem Gesicht verschwunden war. „Was ist los mit dir, was hast du nur?“, erkundigte sich der Tropfen.

      „Ach, weißt du, Perle, ich kenn mich bei meinen Eltern nicht mehr so genau aus. Ich habe zugehört, als sie gestern ganz traurig darüber sprachen, dass sie arm wären, zu wenig Geld hätten. Das sind doch auch Probleme oder?“ Der Tropfen konnte nicht widersprechen und nickte nur.

      „Aber ... aber dann können meine Eltern gar nicht mit dem Herzen sehen und hören oder?“

      „Das wird momentan so sein bei deinen Eltern.“ Der Tropfen überlegte, wie er Severin aus seiner Traurigkeit herausholen könnte. Er grübelte eine Weile und er merkte, dass es schwierig werden würde.

      Dann aber ...!

      „Severin, eigentlich bräuchten deine Eltern gar nicht traurig oder verbittert zu sein. Gut, sie haben harte Arbeit zu verrichten, bekommen zu wenig Geld für ihr Tun, aber reich sind sie trotzdem.“

      „Das ist jetzt schon wieder so was, wie mit dem Herzen sehen ... ich kapiere es bestimmt erst wieder später“, brummelte Severin.

      „Kann schon sein, ich will dir auch das erklären, aber da müssten wir auf eine lange Reise gehen, wir zwei.“

      Die Perle sah Severin ins Gesicht, in dem viele Fragen standen. Auf die erste brauchte sie auch gar nicht lange zu warten. „Da haben wir es schon wieder“, legte Severin los. „Du willst mit mir auf eine Reise gehen. Ich weiß aber schon, dass man dafür Geld braucht, viel Geld. Und ich habe dir eben gesagt, dass wir keins haben. Wo willst du eigentlich hin mit mir? Bis ins Dorf runter schaff ich es ja noch, wenn es hinter dem Dorf noch viel weiter geht, vielleicht noch bis zu einem großen Meer, dann ... Du, Perle, wie viele Tage braucht man bis zum Meer?“

      „Warum fragst du?“

      „Ach, nur so“, meinte Severin und ein kurzes Grinsen huschte über sein Gesicht.

      „Ich habe dir gesagt, dass man ohne Geld reich sein kann, glücklich sein kann. Mit dem Herzen sehen und hören kostet auch kein Geld“, meldete sich die Perle wieder.

      „Aber essen, wir müssen doch essen.“

      „Überall lässt der liebe Gott für die Menschen, Tiere und Pflanzen das wachsen, was sie brauchen, da musst du dich nicht sorgen. Komm einfach mit.“

      „Haha“,