»Hast ja recht. Trotzdem ...«
»Ja, ich weiß. Aber so tragisch ist das jetzt auch nicht und vor mir muss dir das auch echt nicht peinlich sein.«
»Darum geht es nicht. Also ja, auch, aber das hätte generell nicht sein müssen. Wer weiß, was sie dir sonst noch alles erzählt hat, und - Nein! Ich will es gar nicht wissen!«, meckert er brummelnd und ich lasse erst mal ganz kleinlaut und sehr reumütig - obwohl ich ja echt nichts dafürkann! - die Schultern hängen.
»Ich sag nichts und ich weiß auch was du meinst, aber, um jetzt nochmal auf die Kernfrage zurückzukommen ...«
»Welche Kernfrage? Ich habe doch geantwortet?«, sagt er abwehrend, aber ich bin noch nicht fertig mit ihm.
»Na, ich würd gern noch wissen ... Mochtest du es? Also, mit den Fingern?«, frage ich und hoffe, dass ich den Bogen damit nicht endgültig überspannt habe, aber fuck, ich will das wissen! Ich meine klar, Hannahs Aussage hat schon auf einiges schließen lassen, aber ich will aus seinem Mund hören.
»Habe ich doch eben gesagt«, wehrt er ab, nachdem er hektisch eingeatmet hat. Ich wiege unsicher den Kopf.
»Nicht so richtig. Also komm! Ja oder nein, ist ganz einfach«, raune ich, beuge mich zu ihm und lächle ihn auffordernd an.
»Wie ist das denn bei dir? Magst du es?«
Maaah, der soll nicht ausweichen, der Sack!
»Also ... hm ... das ist nicht so einfach. Ich bin normal lieber Top. Ich stecke lieber.«
»Ich weiß, was ein Top ist, danke.«
»Haha, sorry! Okay, also ich bin jetzt nicht so der Fan von Dingen in meinem Hintern, aber, ich sag mal, wenn man sich Zeit lässt, mit nem guten Blowjob zusammen, weiß ich ein bis zwei Finger auch schon zu schätzen. Mehr allerdings nicht. Ich kann mich da nicht so entspannen. Bottom war ich einmal und seitdem nie wieder. Ist ziemlich scheiße gelaufen. Vielleicht liegt´s auch daran, dass ich das nicht mag, keine Ahnung.«
»Inwiefern scheiße?« Wir schweifen immer weiter ab, das war so eigentlich gar nicht geplant!
Aber gut, wenn es ihm dann leichter fällt … Mir macht das nichts aus, darüber zu reden.
»Na ja, der Typ damals war älter als ich - ich war siebzehn - und der Meinung, dass ich deswegen ›unten‹ sein müsste. Ich war ziemlich verknallt in ihn und dachte, okay, versuchst das halt mal. Der wird schon wissen, was er macht. Jedenfalls war ich dann einfach so nervös, dass ich nicht richtig lockerlassen konnte. Nach ein paar Minuten Vorbereiten ist er ungeduldig geworden. Nicht direkt grob, aber ich hab halt gemerkt, dass ihm das alles zu lange gedauert hat und statt mich zu beruhigen oder halt dafür zu sorgen, dass ich mich wieder einkriege, hat er es ignoriert und gefragt, ob ich jetzt mal soweit bin. Und ich Trottel hatte dann so Schiss, dass er einfach geht, wenn ich nein sage, also hab ich genickt.«
»Oh, das klingt ziemlich unschön.«
»Ja, war´s auch. Ich hätte ihm sagen können, was er falsch gemacht hat, aber ich wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen und lag dann halt da, hab mich krampfhaft drauf konzentriert mich zu entspannen, aber angenehm war´s trotzdem nicht.«
»Hat er ... Also hast du ...«
»Nein, er hat mir nicht den Arsch aufgerissen, falls du das meinst«, sage ich leise und schüttle dabei den Kopf, dann seufze ich tief. Hach ja, das war was, mit Andreas. »Es war nur einfach alles andere als schön. Danach wollte ich erst mal lange gar nichts in mir drin haben, aber vor etwa drei Jahren hatte ich jemanden, der hat mich mitten beim Vorspiel einfach kalt erwischt. Wir hatten das dritte oder vierte Mal Sex und es war klar, dass ich ihn toppe, und dann hat er mir einfach beim Blasen einen Finger reingeschoben und ich fand das tatsächlich gut. Aber wie gesagt, mehr will ich nicht. Ich gebe lieber, als zu nehmen.«
Hoffentlich hab ich ihn jetzt nicht abgeschreckt. Aber eigentlich glaube ich das nicht. Er weiß ja schon, dass er es gut findet. Glaube ich.
Sein Blick lässt keine wirklichen Rückschlüsse zu, also verlege ich mich auf die altbewährte Taktik und frage. »So, jetzt hab ich erzählt, du bist dran. Magst du es jetzt oder nicht?«
Sein Mund verzieht sich ganz leicht und ich sehe meine Felle schon davonschwimmen, aber dann tritt ein entschlossener Ausdruck in seinen Blick und ich spüre das leise Echo dazu in meinem Schritt. Komm schon ...
»Ja«, gesteht er schließlich leise und das Kribbeln nimmt zu. Fuck ... Mir entkommt ein ziemlich merkwürdiger Laut, weil mein Kopf sich sofort Bilder dazu vorstellen muss. Wir zwei, wie damals in der Gasse, nur, dass er keine Hose anhat und meine Finger - Oh Gott, ich muss aufhören, darüber nachzudenken! Meine Wangen werden heiß und außerdem unter Garantie auch rot.
»Alles okay?«
»Hnn, ja, alles ... gut ...«
»Sicher?« Jetzt lächelt er, sogar ziemlich breit und vor allem sehr gehässig.
»Ja ...«, bringe ich raus, fahre mir mit der Hand übers Gesicht und versuche, die Gedanken loszuwerden.
»Stellst du es dir gerade vor?«, fragt der Arsch dann auch noch mit tiefer Stimme und mir fällt fast alles aus dem Gesicht, weil hallo? Grade hat er sich noch so geschämt!
»Scheiße nein! Ich denke nur ... ich ...« Mir ist scheiße heiß und als er plötzlich seine Hand auf meinen Arm legt, auf meinen bloßen Unterarm, weil´s hier drin so warm ist, dass ich die Ärmel meines Pullis hochgeschoben habe, bekomme ich Gänsehaut. Natürlich merkt er das auch und quittiert es mit einem anzüglichen Grinsen. Dieser Wichser.
»Du denkst also nicht drüber nach, wie es wäre, wenn du deine Finger in meinen -«
»So, die Tokyo Shoyu Ramen waren für Sie, oder?« Geschockt fahren wir beide auseinander als der Kellner plötzlich wie aus dem Nichts mit unseren Nudelsuppen neben uns am Tisch steht. Scheiße, ich hab den gar nicht kommen sehen! Und Leon auch nicht. Der sieht gerade so aus, als hätte er einen Geist gesehen und direkt seine Zunge verschluckt. Ha, jetzt ist er nicht mehr so cool!
Ich fange mich als Erster wieder und lächle freundlich.
»Danke, ja, das sind meine«, erkläre ich und greife schon nach den Stäbchen. Leon kriegt sein Gesicht auch wieder unter Kontrolle und bedankt sich ebenfalls, dann sind wir wieder allein. Boah, mein Herz rast. »Tja, das hast du jetzt davon«, sage ich, strecke ihm die Zunge raus und grinse breit. Er wirft mir einen halbwegs mörderischen Blick zu, bevor er den Kopf schüttelt und dann selbst lächelt.
»Ich kann nichts dafür, dass du ein Perverser bist«, brummt er leise und ich werfe ein Röllchen Frühlingszwiebel nach ihm.
»Bin ich gar nicht, du Arsch«, lache ich, und dann ... Oh Gott, wie geil das riecht! »Guten Appetit!«
»Danke, dir auch.«
»Und sorry.«
»Wofür?« Dann liegt mein Gesicht quasi in meinen Nudeln und die Welt um mich herum verschwindet, während ich voller Gier mein flüssiges Gold mit Nudeln in mich reinschlürfe. Shit, wie hab ich das vermisst! Nach ein paar stillen Sekunden werde ich dann aber von Leons tiefem, ziemlich melodischen Lachen unterbrochen und hebe den Kopf. Er sieht dabei wundervoll aus. Das ist gerade die perfekte Kombination. Ramen und ein lachender Leon. Kann ich das jetzt immer so haben? Bitte? Mir egal, dass er mich auslacht, weil ich esse wie ein Schwein. »Du bist unglaublich«, bringt er irgendwann raus und ich grinse ihn breit an. Mein Mund fühlt sich total verschmiert an von der Suppe, aber egal, ich bin gerade sehr glücklich.
»Ich weiß, danke!«
»Das war kein Kompliment!« Langsam beruhigt er sich wieder, bricht seine Stäbchen - perfekt in der Mitte, der Sack - und fängt dann an zu essen.
Plötzlich beginnt mein Handy in meiner Hose zu vibrieren. Ach ja, apropos!
»Ach du, was