WIE SCHATTEN ÜBER TOTEM LAND. S. Craig Zahler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: S. Craig Zahler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352780
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      Nachdem die beiden eine Weile in Stille gelaufen waren, sagte Brent: »Ich hab noch eine Frage und dann werd ich dich nicht mehr löchern.« Der Revolverheld stimmte der Anfrage weder zu, noch lehnte er sie ab. »Was ist passiert, als du in diesen Flur gegangen bist? Ich hab einen Schuss gehört.«

      »Du hast nichts anderes getan, als einen Hund zu töten und ein Kind zu knebeln«, antwortete Long Clay. »Das ist alles, was du wissen musst.«

      »Ich dachte schon, dass ich eigentlich wissen sollte, was passiert ist – weil ich schließlich dein Partner war.«

      »Kein Cowboy, der wegen eines dummen Hundes heult, ist mein Partner.«

      Brent war von der Äußerung gedemütigt, machte sich aber nicht die Mühe, sich zu verteidigen.

      Ein stummer und flotter halbstündiger Marsch brachte die beiden Männer zu dem Fußpfad, der in das wilde, schwarze Unterholz führte. Brent schlang seinen Sack über seine rechte Schulter und ging dem Revolverhelden voran hinein.

      Zwanzig Schritte später hörte Brent ein Jammern. Er verspannte sich und zog seinen Revolver, erkannte aber schnell, dass das Geheule von seinem Bruder kam, der zu singen versuchte.

      »Bring ihn zum Schweigen oder ich werd's tun«, drohte Long Clay.

      Brent hastete über den gewundenen Fußpfad, wo dunkle Äste und dunklere Yuccastacheln aus der undurchsichtigen Umgebung ragten wie die Waffen ungastlicher Ureinwohner. Während er rannte, tätowierte ihm eine Ecke der Holzkiste einen blauen Fleck auf den Rücken.

      Stevies Gesang wurde lauter.

      Ein orangefarbenes Glühen, das Brent als die Feuergrube erkannte, blitzte zwischen zwei Farnwedeln auf, die aussahen wie die Hände einer Hexe. Der Cowboy eilte nun direkt auf das Lager zu.

      Stevie sang: »Die Musketen blitzten überm Wachturm auf.« Fünf dumpfe, hölzerne Schläge unterstrichen die Zeile. »Der Donner des konföderierten Stolzes.« Holz dröhnte. »Eine Hand mit Unionsmanschette aus Blau griff runter wie 'ne gierige Judenklaue. ›Wir sind vereint‹, logen sie. ›Zahlt unseren Zoll!‹, riefen sie. Doch bis zum Schluss verteidigten wir uns mit einem Rebellenschild aus Stolz.« Der Sänger holte tief Luft. »Aus Stolz!« Eine klägliche Note wurde über einen Zeitraum gehalten, der nichts mit dem schlecht gesetzten Takt zu tun hatte.

      Als Brent die Lichtung betrat, sah er den Dandy, den Indianer und Patch-Up um die Feuerstelle herum sitzen und suchte nach seinem Bruder.

      »Aus eisigem Südstaatenstolz!«, kreischte Stevie und zog die letzte Silbe über zehn erniedrigte Noten, als wäre er ein Opernsänger anstelle eines völlig unmusikalischen Mannes.

      In der Dunkelheit machte Brent seinen Bruder aus. Der junge Mann saß mit nacktem Oberkörper hinten im Planwagen, auf der schwarzen Truhe, in der sie den Gefangenen verwahrten.

      »Stevie!«, zischte der Cowboy. »Geh da runter und halt die …«

      »Du bist wieder da!« Stevie pochte mit seinem Absatz gegen die Truhe, beugte sich vor und flüsterte: »Mein Bruder ist von seinem Sonderauftrag zurück.«

      Es war ein Glück, dass der Dandy von dem betrunkenen Sänger abgewandt saß.

      »Geh da runter und halt die Klappe.« Brent hörte Long Clays Schritte auf dem Pfad. »Auf der Stelle.«

      Stevie dachte über die Empfehlungen seines Bruders nach. Abhängig davon, wie betrunken er war, würde er Brent entweder gehorchen oder sein Lied lauter weitersingen.

      »Mit eisigem Südstaatenstolz!«

      Mit dem Lauf eines glänzenden, schwarzen Revolvers in seiner linken Hand erschien Long Clay aus dem Wald, bereit, dem jungen Trunkenbold eins überzubraten.

      Brent rannte auf seinen kleinen Bruder, den Säufer, zu.

      »Ich glaube«, bemerkte der Dandy neben dem Lagerfeuer, »dass das Wort, das Sie eigentlich singen wollen, ›eisern‹ heißt.«

      »Yankee!«, schimpfte Stevie.

      Brent packte seinen Bruder am rechten Arm. »Komm da runter und sag kein Wort, wenn du nicht willst, dass Long Clay dich wieder verdrischt.«

      Der Trunkenbold warf einen Blick übers Lager und wurde beim Anblick des sich nähernden Revolverhelden augenblicklich nüchtern.

      »Ich versuch nur, dir 'ne Tracht Prügel zu ersparen«, sagte Brent.

      Stevie nickte. »Okay.«

      »Jetzt komm von der Truhe runter.«

      Der junge Mann hüpfte zu Boden, landete auf zwei Füßen, schwankte in jede Himmelsrichtung und stand aufrecht.

      Eine große Gestalt löste sich aus den Schatten, schlurfte an den Geschwistern vorbei und auf den Revolverhelden zu. Brent bedachte seinen Bruder mit einem strengen Blick und folgte seinem Vater.

      »Habt ihr was beschafft?«, fragte John Lawrence Plugford.

      »Wir haben was beschafft.«

      Der Patriarch nickte, trat ans Lagerfeuer und stellte sich zwischen den Dandy und die Flammen. »Sie gehen in die Stadt.«

      Von dem deutlichen Befehl überrascht griff Nathaniel in seine Hose, holte seine Taschenuhr heraus und drückte auf ihren Entriegelungsknopf. Silberne Pfeile schimmerten in seinen müden, blauen Augen. »Es ist beinahe zehn nach eins in der Nacht.«

      John Lawrence Plugford, eine riesige Silhouette über der Feuerstelle, rückte drohend näher.

      »Die meisten Mexikaner bleiben lange wach.« Der Cowboy legte die Beute neben das Lagerfeuer. »Deswegen machen die diese gottverdammten Nachmittagsschläfchen.«

      Der Dandy sah zum Robbenledersack und runzelte die Stirn, als wäre er der Vater des gehäuteten Tieres.

      »Sollte genügend sein für Ihren Auftritt«, fügte Brent hinzu.

      Der Dandy griff in den Sack und holte die polierte Kiste heraus. Feuerschein funkelte auf den drei Blutstropfen, die wie Marienkäfer auf dem Holz klebten, aber der große Mann aus Michigan äußerte sich nicht über die blutigen Mitbringsel.

      »Die hat einen Riegel.« Brent wies mit dem Zeigefinger darauf.

      Der Dandy drehte am Messingknopf, zog an der Halterung und hob den Deckel an. Gold- und Silbermünzen, ein großes, schwarzes Buch und bündelweise Papiergeld füllten das gepolsterte, purpurrote Innere.

      John Lawrence Plugford holte das Buch heraus und hielt es sich dicht vors Gesicht.

      »Ist das 'ne Bibel?«, fragte Brent.

      Der Patriarch nickte.

      »Wirst du sie Yvette geben?«

      »Sie ist auf Spanisch.« John Lawrence Plugford warf das heilige Buch in die Feuerstelle. Das Druckwerk wellte sich, flammte auf, schrumpfte zusammen und wurde schwarz.

      Obwohl Brent kein religiöser Mann war, war ihm der Anblick der brennenden Bibel nicht ganz geheuer.

      Long Clay warf seinen Schatten auf die Beute. »Nehmen Sie die Münzen.«

      Der Dandy sah auf. »Die Banknoten besitzen einen höheren Wert und werden häufiger von reichen Männern mitgeführt.«

      »Papiergeld wird von tausend Banken in der Gegend hergestellt, ist unverwechselbar und leicht zu identifizieren. Von diesen Münzen gibt es unzählige und sie werden von hier bis nach China ausgegeben.«

      »Ich verstehe.« Der Dandy gähnte, nickte mit dem Kopf und sah Patch-Up an. »Würden Sie bitte die Zehn- und Zwanzig-Peso-Münzen herauszählen, während ich meine Toilette mache?«

      »Klar«, sagte der Neger.

      Der Dandy stand auf und streckte sich.

      »Mr. Stromler«, sagte Brent.

      Der Dandy sah ihn an.

      »Deep