»Flora, du hast mich nicht richtig verstanden. Es dreht sich nicht um einige Urlaubstage. Ich möchte weg von New York.« Er ließ seinen Blick durch das Büro gleiten. »Ich weiß nicht, was ich hier noch soll. Im Grunde werde ich nicht gebraucht. Mein Vermögen vermehrt sich auch ohne mein Zutun von Woche zu Woche. Ich will etwas anderes sehen, etwas anderes tun.«
»Ich verstehe«, sagte Flora, obwohl sie nicht verstand. Sie schlüpfte in ihre Schuhe. »Darling, was machen wir nun? Wir könnten zusammen essen gehen. Ich habe heute Zeit.«
»Flora, hör mir zu, ich möchte, daß du mich begleitest. Laß uns nach Europa fahren.«
»Europa? Das ist doch sehr weit.«
Stephan nickte. »Ich möchte nach Deutschland. Das ist ein ganz kleines Land«, begann er eifrig zu erzählen. »Dieses Land möchte ich bereisen, dort möchte ich mich umsehen. Meine Vorfahren haben einst dort gelebt.«
Flora zog eine Schnute.
»Deutschlandl! Wenn Urlaub, dann auf einer Insel. Ich träume von Palmen und weißen Sandstränden. Was willst du denn in diesem Deutschland tun?«
»Ich möchte es kennenlernen. Ich sagte ja schon, daß meine Vorfahren dort lebten.«
»Wenn du mich nach meinen Vorfahren fragst – ich habe mir darüber noch nie den Kopf zerbrochen. Ich weiß nur, daß mein Vater in Brooklyn aufgewachsen ist, und da ist er auch nie herausgekommen.« Sie runzelte die Stirn. »Was willst du denn plötzlich von deinen Vorfahren?«
Stephan zuckte die Achseln. Darauf konnte er nicht antworten. So meinte er nur: »Dies alles habe ich doch ihnen zu verdanken.«
»Du hättest es auch allein geschafft. Schließlich und endlich verfügst du über den nötigen Grips.« Sie lachte, doch Stephan ging nicht darauf ein.
»Was hältst du vom Wegfahren? Du hast dich dazu noch nicht geäußert.«
»Zehn Tage mit dir auf einer Insel, das könnte traumhaft sein.« Sie schlang ihm die Arme um den Nacken. »Sag, willst du wirklich Urlaub machen?«
»Ich möchte weg von New York!« Stephans Gesicht war jetzt sehr ernst. »Ich frage dich, ob du mitkommst.«
»Weg von NewYork für länger? Das ist nicht möglich!« Floras Augen verengten sich. Langsam begriff sie, daß ihr Freund es ernst meinte.
»Aber warum? Was hindert dich daran, New York den Rücken zu kehren? Ich bin dazu bereit, am liebsten würde ich noch heute aufbrechen.«
»Nein!« Flora trat einen Schritt zurück.
»Nein?« Stephan wollte es nicht glauben. Er streckte die Hände nach ihr aus. »Du willst mich nicht begleiten?«
Flora rührte sich nicht. Sekundenlang sahen sie sich an, dann schob sie ihre Unterlippe nach vorn. Sie wirkte jetzt wie ein bockiges Kind. »Nicht auf unbegrenzte Zeit und nicht nach Deutschland!«
Stephan schluckte seine Enttäuschung hinunter. Ruhig fragte er: »Was hast du gegen Deutschland?«
»Nichts!« Sie kreuzte angriffslustig die Arme vor der Brust. »Es ist nur zu weit weg! Wie gesagt, gegen einige Tage Ferien hätte ich nichts.«
»Ich denke nicht an Ferien.« Stephan begann wieder auf und ab zu gehen. Was hatte er eigentlich erwartet? Er wandte den Kopf nach seiner Freundin. Es wäre schön, wenn sie mit ihm zusammen durch Deutschland reisen würde. »Was hält dich in New York?« fragte er.
»Meine Karriere! Du weißt, daß ich daran schon lange bastle. Ich will endlich einen richtig guten Film drehen.«
Stephan starrte sie an. Natürlich hatte sie immer wieder davon gesprochen. Auch hatte sie bereits schon kleine Rollen gespielt, hatte als Fotomodell oder Mannequin gearbeitet.
»Ich weiß, daß ich Talent habe.« Flora stellte sich in Positur. »Ich werde es allen beweisen! Bald werde ich mit den Großen der Filmbranche in einem Atemzug genannt werden.«
Sie sah entzückend aus in ihrem Eifer, und Stephan mußte lächeln. »Kannst du mit deiner Karriere nicht noch warten? Wir machen zuerst unsere Europareise.«
Ihre dunklen Augen blitzten, ihr Schmollmund erschien. Sie entzog sich seiner Umarmung. »Du nimmst mich nicht ernst! Aber auch dir werde ich noch beweisen, was in mir steckt. Meine ersten Kontakte zu Hollywood sind geknüpft. Wenn du Näheres wissen willst, dann komm mit, ich erzähle dir davon beim Essen.« Sie stürmte zur Tür, und Stephan hatte keine andere Wahl, er mußte ihr folgen.
*
Ungeduldig trat Stephan Dorr von einem Fuß auf den andern.
War Flora etwa nicht zu Hause? So wie er wußte, hatte sie erst gegen Abend eine Verabredung. Erneut drückte er auf den Klingelknopf. Nach einer Zeit, die ihm endlos vorkam, ertönte ihre Stimme aus der Sprechanlage.
»Darling, ich bin es!«
»Du?« Wie Stephan hören konnte, klang dies nicht gerade begeistert.
»Ich habe mich gelangweilt, und da dachte ich, ich sehe einmal bei dir vorbei. Ich möchte mit dir etwas besprechen.«
»Jetzt? Aber ich habe nicht viel Zeit. Darling, ich habe dir doch erzählt, daß ich eine Verabredung habe.«
»Willst du mich etwa vor dem Haus stehen lassen?« Stephans Stirn runzelte sich.
»Natürlich nicht! Komm herauf!« Der Türsummer gab Laut, und Stephan drückte gegen die Tür. Er fuhr mit dem Lift nach oben zu ihrem Appartement. Die Tür war bereits angelehnt, aber sie war nirgends zu sehen. »Moment«, kam da ihre Stimme aus dem Schlafzimmer. »Ich bin gerade dabei, mir die passende Garderobe für den Abend auszusuchen. Ich komme gleich! Nimm dir doch inzwischen einen Drink.«
Stephan mußte lächeln, das war typisch Flora. Wahrscheinlich sah es in diesem Moment in ihrem Schlafzimmer chaotisch aus. Er ging zur eingebauten Bar. Ehe er ein Glas herausholte, rief er: »Darling, darf ich dir auch einen Drink mixen?«
»Nein, nein, dazu habe ich keine Zeit. Ich bin völlig verzweifelt. Ich weiß nicht, was ich anziehen soll. Dabei ist der erste Eindruck sicher der wichtigste.«
Schmunzelnd rief er zurück: »Kann ich dir behilflich sein?«
»Stephan, mach dich nicht lustig über mich«, kam es aus dem Schlafzimmer. »Untersteh dich und komm herein! Ich ziehe mich schon seit Stunden aus und an. Ich möchte nicht zu sportlich wirken, aber auch nicht zu elegant.«
Stephan lachte. Da steckte sie den Kopf ins Wohnzimmer. »Drei neue Kleider habe ich mir gekauft«, jammerte sie, »aber nun finde ich keines mehr passend.«
»Laß doch sehen«, schlug Stephan vor.
Flora zog ihre Nase kraus. Zuerst hielt sie nicht viel von diesem Vorschlag, doch dann wirbelte sie herum. »Warum nicht? Du bist auch ein Mann. Ich werde für dich eine Modenschau veranstalten. Mal sehen, welches Kleid dir am besten gefällt.« Diese Idee begeisterte sie so, daß sie auf Stephan zulief, jetzt bekam er auch seinen Kuß. Dann drückte sie ihn in einen bequemen Sessel. »So, da bleibst du nun sitzen.« Sie musterte ihn. »Du mußt aber ehrlich sein, Darling. Du mußt mir wirklich sagen, in welchem Kleidungsstück ich dir am besten gefalle.«
Stephan kam im Moment aber überhaupt nicht dazu, etwas zu sagen, denn seine Freundin wirbelte bereits wieder davon. Er stieß einen kleinen Seufzer aus und ergab sich in sein Schicksal. Er mußte nicht lange warten, und Flora erschien wieder. Sie trug ein raffiniert geschnittenes Kleid. Sie bewegte sich darin sehr graziös, und Stephan klatschte begeistert Beifall. Von nun an ging es Schlag auf Schlag. Flora wurde zum Mannequin, und Stephan konnte sich nun davon überzeugen, daß sie eine gute Schauspielerin war, denn sie benahm sich stets entsprechend der Kleidung, in die sie geschlüpft war. Er war begeistert, und von ihm aus hätte diese Vorführung noch stundenlang dauern können, doch völlig unerwartet brach Flora damit ab. Sie stieß einen erschrockenen Schrei