Derolia. Axel Kruse. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Axel Kruse
Издательство: Bookwire
Серия: Die Abenteuer des Samuel Kors
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783864026959
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an Bord meines Schiffes nehmen, nach Ashnara fliegen und dein Szepter wiederbeschaffen? Ein Kinderspiel! – Wie stellst du dir diesen Unfug vor?«

      »Wir sind kein schießwütiger Haufen, das sollten Sie bemerkt haben«, warf Rogorna ein.

      »Geschenkt«, ich winkte mit der Hand ab. »Sie haben mir wahrscheinlich einige Knochenbrüche erspart, vielleicht sogar das Leben gerettet und …«

      »Was hast du da eigentlich getrieben, Sam?«, fragte Lysange.

      Auf einmal brannte der Wechsel geradezu, den ich noch immer in der Innentasche meiner Jacke verstaut bei mir trug. Wie sollte ich ihr das erklären?

      »Schmuggelware«, nuschelte ich vor mich hin, so als ob damit alles gesagt sei.

      Glücklicherweise ging sie nicht näher darauf ein. Was sollte ich machen, wenn sie den Frachtraum der Lahmen Ente genauer unter die Lupe nehmen ließ?

      »Wie hast du dich geschlagen? Hier auf Derolia meine ich. Du scheinst dich ja prima in die Gesellschaft integriert zu haben. Hast du jemals versucht, unseren Freunden auf Kirkasant zu helfen?« Die Ablenkung vom vorherigen Thema war mir gelungen, Lysange wurde nachdenklich. Dann platzte es aus ihr heraus.

      »Ich weiß, du hältst mich für einen Mitläufer, für jemanden, der seine Fahne in den Wind hängt. Vielleicht hast du auch recht, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Aber, was hätte ich denn machen können? – Und ja, ich habe versucht, unsere Freunde ausfindig zu machen. Zumindest teilweise ist mir das gelungen.«

      Jetzt hatte sie meine Aufmerksamkeit, meine gesamte Aufmerksamkeit. Ich sah sie auffordernd an.

      »Manuel haben sie noch auf dem Raumhafen standrechtlich erschossen, die Terraner meine ich. Carla ist es nicht viel besser ergangen. Sie haben sie inhaftiert und dann, einige Wochen später, findet sich ein Todesvermerk in den Akten. Offiziell ist sie an einer Lungenentzündung verstorben. Wahrscheinlicher ist, dass es die Folgen der Folter waren. Die Kinder, willst du das wirklich alles hören, Sam?«

      Ich nickte schwach. Das alles nur, weil sie uns geholfen hatte, als wir an ihre Tür klopften …

      »Vier von ihnen sind ebenfalls sicher tot. Die Terraner haben selbst vor ihnen nicht haltgemacht. Die anderen beiden, von denen fehlt jede Spur.«

      »Die ältesten …«, warf Nadarja ein.

      Lysange fuhr herum und starrte sie an. »Woher weißt du das?«, fragte sie.

      »Wir haben sie geholt«, antwortete ich an ihrer statt. »Wir sind damals von Sylvej aus direkt nach Kirkasant zurück. In den Wirren, die der Abzug der Terraner hinterlassen hat, haben wir sie ausfindig machen können. Wir haben sie mitgenommen.«

      »Mitgenommen, wohin?«, fragte Lysange.

      »Wir haben uns einen kleinen Planeten am Rim gesucht«, mischte sich Nadarja wieder ein. »Eine Wasserwelt …«

      Lysange unterbrach sie abrupt. »Sie leben? Ihr habt sie auf einen einsamen Planeten gebracht? Sagt mir, wo sie sind, ich kümmere mich um sie!«

      »Erstens ist es nicht wirklich ein Planet«, verbesserte ich. »Wie Nadarja sagte, ist es eine Wasserwelt. Das Ding besteht ausschließlich aus Wasser. Kein Kern, kein Land, nur eine einzige Wasserkugel, die sich um eine kleine Sonne dreht. – Und die Koordinaten werde ich dir auf gar keinen Fall verraten.«

      »Wenn meine Mutter wissen will, wo sich diese Welt befindet, dann seid ihr verpflichtet, es kundzutun«, sagte Carla. Für das Kind schien es nur relativ einfache Realitäten zu geben.

      »So etwas gibt es?«, sagte Lysange erstaunt. Dann wandte sie sich ihrer Tochter zu. »Vielleicht ist es besser für die Kinder, wenn sie bei Sam sind.«

      »Es sind keine Kinder mehr«, meinte Nadarja. »Und sie haben es schwer genug. Sie wachen noch immer nachts schweißgebadet aus ihren Albträumen auf. Trotz der Therapie, die wir für sie organisiert haben.«

      »Wie lebt ihr denn da, auf diesem Ozean im All?«, wollte Carla wissen. »Auf Schiffen?«

      »Es gibt riesige Pflanzenblätter, auf denen lässt es sich gut siedeln. Wir haben den Ort Neverland getauft, passend, nicht wahr?«, meinte Nadarja.

      Lysange nickte. »Von so was habe ich schon des Öfteren gehört. Gibt einige Planeten, die über solche Pflanzen verfügen.«

      »Richtig«, pflichtete ich ihr bei, »aber unser Fall ist einzigartig, eben weil es nicht wirklich ein Planet ist.« Und weil die Nüsse auf den Plantagen, die wir angelegt haben, verdammt gut angegangen sind.

      »Zurück zum Thema, Sam«, rief uns Lysange zur Ordnung. »Wir haben nach der Inthronisierung mehr Zeit, uns über unsere Lebensgeschichten auszutauschen.« Sie sah mich durchdringend an. »Hilfst du mir? Fliegst du nach Ashnara?«

      Zumindest gab es bei ihr demnach Zweifel. Schön, das mal wahrzunehmen.

      »Ich will versuchen, was in meiner Macht steht«, antwortete ich ein wenig pathetisch.

      Nadarja sah mich stirnrunzelnd an, dann nickte auch sie. Was blieb uns in der derzeitigen Lage auch anderes übrig? Wer konnte sagen, was geschehen würde, wenn wir jetzt und hier ablehnten? Lysange hatte sich verändert, hatte viel von der derolianischen Denkweise adaptiert. Würde sie so weit gehen, uns über die Klinge springen zu lassen, wenn wir Nein sagten? Ich wollte es nicht darauf ankommen lassen.

      »Singa wird euch begleiten, zusammen mit einem kleinen Trupp meiner Garde.« Sie blickte mich an. Erwartete sie erneut eine Geste der Zustimmung von mir? »Ihr fliegt sofort los. Euer Schiff ist noch an Bord unseres Kreuzers. Er wird euch bis an die Demarkationslinie zwischen unseren Einflussbereichen bringen. Dann seid ihr auf euch gestellt.«

       Flug nach Ashnara

      Drei Tage Flug, dann waren wir, wie Lysange es so schön kundgetan hatte, an der Demarkationslinie. Die Lahme Ente kam mir mehr als überfüllt vor. Neben Leutnant Rogorna waren noch zehn Soldaten mit an Bord gekommen. Soldaten, die offiziell zur persönlichen Garde der Mater Majestrix gehörten, inoffiziell jedoch alle zu den Neunern gezählt wurden.

      Richtig eng war es zwar nicht, die Derolianer hatten in einem unbenutzten Frachtraum drei Wohncontainer aufgestellt. Darin nächtigten die Soldaten. In einem weiteren Frachtraum wurde ein kleines militärisches Shuttle untergebracht. Lediglich unser Aufenthaltsraum, unser Wohnzimmer, war stetig überbelegt.

      Die Soldaten machten auf mich denselben Eindruck wie die damalige Leibgarde Jorges auf Kirkasant. Junge, durchtrainierte Menschen. Allesamt mit einem Stoppelhaarschnitt versehen. Nicht unbedingt groß, aber von einer Aura umgeben, die jedem signalisierte: Leg dich nicht mit uns an!

      Nun, das hatte ich auch nicht vor.

      Während unseres eintägigen Fluges von der Grenze nach Ashnara dachte ich häufig darüber nach, ob es nicht eine Option war, die Soldaten einfach irgendwie loszuwerden und wieder an den Rim zu verschwinden. Aber, was hätte uns das gebracht? Die Derolianer würden uns über kurz oder lang wieder aufspüren. Sie hatten das ja bereits einmal getan, wie leicht konnten sie uns bei so einer Aktion hochnehmen? Wir konnten uns ja nicht auf ewig auf Neverland verstecken. Und wenn ich darauf vertraute, dass das Derolianische Reich aufgrund des fehlenden Szepters zerbrach, hatte das so unabsehbare Folgen für den Sektor, dass mir alleine davor grauste. Und dann war da noch das persönliche Schicksal Lysanges und ihrer Tochter.

      Nein, das war keine Option.

      Nadarja zog mich ins Bett zurück. Mit ihrer sechsfingrigen Hand strich sie über meine Brust. Dann legte sie ihren Oberkörper auf meinen und meinte: »Wir haben noch etwas Zeit, du musst noch nicht auf die Brücke.«

      Ich gab ihr einen Kuss, dann schob ich sie sanft beiseite. Mir war nicht danach. Sie sank in die Kissen zurück und schaute mir auf meinem Weg in die Dusche nach.

      Zehn Minuten später hatte ich mich im Kontrollraum davon überzeugt, dass alles in Ordnung war, und mich anschließend in die Messe begeben. Wie es schon zu erwarten gewesen war, lungerten