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Winterfreundschaft
Es war einmal ein kleiner Grünfink, der war stets froh und munter. Er liebte die warme Sonne und erkundete jeden Tag ein weiteres Stück des großen Waldes, in dem er lebte. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätte sein Leben ewig so weitergehen können. Doch der Sommer nahm viel zu schnell ein Ende und im Herbst musste der kleine Vogel erkennen, wie sehr ihm der Regen und der starke Wind zu schaffen machten. Bei solch einem Wetter war es nicht einmal möglich, zu fliegen. Viele seiner Freunde hatten sich auf den Weg in den Süden gemacht. Doch die Flügel des Finken waren nichts stark genug, um ihn so weit wegzubringen. Und als er sich gerade mit dem Herbst abgefunden hatte, da hielt der Winter Einzug in seiner Heimat, und mit ihm kamen Kälte und Schnee.
Das Land war bedeckt von glänzenden weißen Flocken und die Erde war hart gefroren. Dem kleinen Vogel fehlte die Wärme und außerdem fand er kaum noch Futter. Während er im Sommer und im Herbst so reichlich zu fressen gefunden hatte, fand er nun kaum noch etwas.
Eines Tages, als gerade kein Schnee fiel, machte er sich auf die Suche nach etwas Essbarem. Doch ganz egal wohin er kam, es schien nichts für ihn zu geben. Hin und wieder fand er einen kleinen Happen, gerade genug, um den leeren Magen für kurze Zeit zu füllen. Der Grünfink glaubte nicht daran, dass er den Winter im Wald überstehen würde. Also fasste er den mutigen Entschluss, im nahe gelegenen Menschendorf nach Futter zu suchen. Doch als er dieses erreicht hatte, wurde er zu allem Unglück von einem Schneesturm überrascht und musste in der Nähe eines Menschenhauses Schutz suchen. Normalerweise hatte man ihm beigebracht, sich von Menschen möglichst fernzuhalten, doch er hatte keine andere Wahl. Er machte sich ganz klein und versteckte sich in einer Spalte über der Haustür. Ängstlich und völlig erschöpft saß er da und wartete darauf, dass der Sturm aufhörte.
Als der Sturm sich legte und es nicht mehr schneite, da hüpfte der Grünfink aus seinem Versteck und wollte sich auf den Heimweg in den Wald machen. Da sah er auf dem Rasen vor der Haustür etwas stehen. Zuerst dachte er daran, einfach weiterzufliegen, doch seine Neugier war stärker als seine Angst. Der Grünfink flog herab und setzte sich auf den schneebedeckten Rasen. Langsam und vorsichtig näherte er sich dem Unbekannten.
Da sah er es. Noch nie zuvor hatte der Fink etwas Ähnliches gesehen. Es wirkte wie ein Menschenhaus, nur viel kleiner, gerade groß genug für einige Vögel. Außerdem war es an einem langen Stock befestigt und ragte dadurch einige Zentimeter über den Boden. Der Vogel wollte dieses Haus näher betrachten und flog hinauf. Er landete auf dem Dach und blickte hinein. Was er sah, ließ ihn überrascht zurückweichen. Konnte das wirklich wahr sein? In diesem kleinen Haus lag Futter! Hunderte Körner bedeckten den Boden und kleine Apfelstücke waren an den Wänden befestigt. Zu hungrig, um länger darüber nachzudenken, flog der Grünfink hinein und aß sich richtig satt. Nachdem sein Hunger gestillt und sein Bauch kugelrund war, flog er zurück in den Wald und suchte sich einen Schlafplatz für die Nacht.
Am darauffolgenden Tag beschloss der Grünfink, erneut zum Menschenhaus zu fliegen, um die Reste des gestrigen Essens zu verzehren. Doch als er ankam, erkannte er, dass sich frisches Futter in dem Häuschen befand. Jemand musste es nach seinem Besuch aufgefüllt haben. Von nun an flog er jeden Tag zu dem kleinen Vogelhaus, wie er es nannte, und aß, soviel er wollte.
An einem kalten Wintermorgen begegnete dem Grünfinken eine Blaumeise. Sie war auf der Suche nach Futter und stapfte halb erfroren durch den Schnee. Der Grünfink hatte Mitleid mit ihr. Wusste er nicht selbst gut genug, wie es war zu hungern? Da kam ihm eine Idee. Er flog hinab zu ihr und sagte: „Mein Freund, ich will dir helfen. Komm mit, ich weiß, wo es Futter gibt! Folge mir, es reicht auch für uns beide.“ Die Meise wusste sich nicht anders zu helfen, sie vertraute dem Finken und folgte ihm. Trotz ihrer Zweifel, sich dem Menschenhaus zu nähern, flog sie ihm hinterher. Als sie ankamen und die Blaumeise all das Futter sah, da war sie überglücklich. „Danke“, sprach sie, „dein großes Herz rettet mich vor dem Hungertod.“ Das Essen reichte für beide, und von da an flogen sie täglich gemeinsam zum Vogelhaus.
Einige Tage später trafen die beiden ein Rotkehlchen. Es suchte nach Futter und hatte kaum noch Kraft, um zu fliegen. Der Fink und die Meise hatten Mitleid mit ihm. Sie flogen zu ihm hinab und sagten: „Unser Freund, wir wollen dir helfen. Komm mit, wir wissen, wo es Futter gibt! Folge uns, es reicht auch für uns drei.“ Das Rotkehlchen nutzte seine letzten Kräfte, um den beiden zu folgen. Als sie am Vogelhaus ankamen und es all das Futter sah, da war es überglücklich. „Danke“, sprach es, „euer großes Herz rettet mich vor dem Hungertod.“ Das Essen reichte gerade so, um alle drei Vögel satt zu machen, und von da an flogen die drei täglich gemeinsam dorthin.
Die Hilfsbereitschaft der Vögel ließ nicht nach. Schon nach wenigen Tagen hatten sich eine Amsel, ein Feldsperling, ein Rabe, eine Kohlmeise, ein Eichelhäher, ein Specht und ein Kleiber zu ihnen gesellt. Das Futter war nun wieder knapp, denn es reichte nicht mehr, um den Hunger zu stillen. Außerdem wurden sie von Tag zu Tag mehr. Doch obwohl jeder von ihnen nur noch wenige Körner abbekam und sie gern noch mehr gegessen hätten, teilten sie alles gerecht auf. Der eisige Winter hatte sie zu Freunden gemacht, und unter Freunden hilft man sich gegenseitig.
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