Es sind viele Gefühle, die unsere Beziehungen zu Hunden festigen oder untergraben, aber der weitaus häufigste Grund schwerwiegender Verhaltensprobleme bei Hunden ist Angst. Hunde verwüsten das Haus, weil sie Angst haben, alleine zu bleiben, kauern zitternd im Bad, weil sie eine Phobie vor Gewittern haben oder verkriechen sich, wenn die Nachbarskinder zum Spielen kommen – um dann anzugreifen, wenn sie in eine Ecke gedrängt werden. Vielen Menschen ist nicht klar, wie oft Hundebisse aus Angst entstehen und wie es die Angst nur vergrößert und die Wahrscheinlichkeit des nächsten Bisses steigert, wenn man einen solchen Hund anschreit.
Meine Hoffnung ist, dass dieses Buch nicht nur von intellektuellem Interesse ist, sondern auch dazu beiträgt, einige dieser Beißunfälle zu verhindern und einige der Leiden zu mildern, die entstehen, wenn zwei Wesen sich ohne das für eine gesunde Beziehung notwendige gegenseitige Verständnis lieben. Liebst du mich auch ist eine Kombination aus erzählten Begebenheiten, Wissenschaft und praktischem Rat dazu, wie Wissen um die Gefühle von Hund und Mensch unsere Beziehungen zu Hunden verbessern kann. Es ist kein Hundeerziehungsbuch, aber voller Informationen, die Ihrem Hund zu besserem Verhalten verhelfen können und Ihnen dazu, ein besserer Hundebesitzer zu sein. Es beginnt nicht mit einer Aufzählung all dessen, was wir über die Biologie von Gefühlen wissen – ein solches Buch wäre zu schwer, um es anzuheben. Ich habe mich auf diejenigen Gefühle konzentriert, die in Mensch-Hund-Beziehungen am wichtigsten sind: Angst, Wut, Freude und die Schwester der Freude, die Liebe. Mein Ziel ist, all denjenigen etwas Interessantes und Hilfreiches zu bieten, die ganz einfach verrückt vor Liebe nach Hunden sind. Ich habe dieses Buches genauso für die Hunde geschrieben wie für uns, in der Hoffnung, dass es – wenn auch indirekt – Hunden hilft, uns besser zu verstehen, denn mit Sicherheit sind wir die verwirrendste Spezies auf der Welt.
1 Die Abkürzung »fMRT« steht für »funktionelle Magnetresonanztomographie«. Damit kann man den Blutfluss im Gehirn verfolgen und so feststellen, welche seiner Bereiche zu irgendeiner gegebenen Zeit aktiv sind.
Eine Erklärung der Gefühle und warum sie bei Tieren so widersprüchlich sind
Am Anfang war alles, was ich aus dem Augenwinkel heraus wahrnahm, etwas verschwommen Weißes. Es war weit weg, so um die fünfhundert Meter, und ich war zuerst nicht sicher, was es war. Meine Konzentration galt meinem Border Collie Luke, der in etwa zweihundert Meter Entfernung mit Höchstgeschwindigkeit rannte. Ich hatte ihn zu einer weit entfernt grasenden Schafherde geschickt. Wir waren auf einem dieser »Spaßtreffen« von Hütehund-Enthusiasten, an dem alle in der Atmosphäre von Hunden, Schafen und den schlabbrigen Liebesbezeugungen kleiner Welpen baden.
Viele Menschen, die an diesem Tag da waren, nahmen sonst ernsthaft an Hütehundwettbewerben teil und waren dankbar für die Gelegenheit, irgendwo auswärts einmal ihre Fertigkeiten verfeinern zu können. Luke und ich hingegen waren einfach nur zum Spielen da. Luke war zu alt für die Teilnahme an Wettkämpfen und wir waren aus reinem Vergnügen hergekommen. Wir arbeiteten gerne zusammen, Luke und ich, wenn wir ruhig, vorsichtig und mit aller Raffinesse Schafe übers Land trieben. Als klassischer Workaholic liebte Luke die Arbeit an den Schafen so sehr, dass er weder an Futter noch an Tennisbällen oder sogar an läufigen Hündinnen interessiert war, wenn es einen Job zu erledigen gab. Meinem verlässlichen schwarzweißen Hund dabei zuzusehen, wie er vor dem smaragdgrünen Hügel einen perfekten Outrun hinlegte, weitete mein Herz und füllte meine Seele. So fühlte ich auch an diesem Morgen, als ich zuschaute, wie mein guter alter Hund perfekt und zuverlässig auf die Wollknäuel da hinten auf dem Hügel zulief.
Aber all meine Gefühle änderten sich schlagartig, als mir bewusst wurde, dass das verschwommen Weiße, das da auf Luke zurannte, ein fünfzig Kilo schwerer Pyrenäenberghund war, ein Herdenschutzhund, der sich aus seiner vorübergehenden Gefangenschaft befreit hatte und nun auf Luke zuwalzte, um seine Herde zu schützen. Wir waren auf einer riesigen, allein gelegenen Farm, auf der mehrere Schafherden verteilt lebten – ein gedeckter Tisch für die häufig hier übers Land streunenden Kojoten und verwilderten Hunde. Viele Schafhcüter im Süden Wisconsins brauchen Schutzhunde, um ihre Herden zu sichern, und diese Farm hatte zwei davon. Im Gegensatz zu meiner Herdenschutzhündin Tulip, die die Farm nun von der Wohnzimmercouch aus bewacht, lebten diese Hunde ausschließlich in der Herde und nahmen ihren Job todernst, alles und jeden umzubringen, der ihre Schafe bedrohte.2
Als ich den Herdenschutzhund auf Luke zurennen sah, verwandelte sich mein Gefühl der freudigen Erfüllung in blankes Entsetzen. Der Gedanke, dass ich vielleicht gleich zusehen müsste, wie mein Hund angegriffen und möglicherweise getötet werden würde, überwältigte mich. Ich liebe Luke so sehr, dass es schon beinahe schmerzt.3 In Der Hund ist mein Copilot, einem Aufsatz darüber, warum wir Hunde so sehr lieben, hatte ich über Luke geschrieben: »Ich liebe ihn so tief und vollkommen, dass ich mir seinen Tod so vorstelle, als ob aller Sauerstoff aus der Luft genommen würde und ich ohne ihn zu überleben versuchen müsste.«
Voller Horror bei dem Gedanken an das, was meiner Meinung nach gleich geschehen würde, schrie ich: »Der Schutzhund ist raus, der Schutzhund ist raus!« Das, was alle sehen konnten, auszusprechen, trug zwar nicht zur Problemlösung bei, aber mir schien es alles zu sein, was ich tun konnte. Eine Sekunde lang, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, war mein Verstand ein schwarzes Loch, so, als ob meine Gefühle den rationellen Teil meines Gehirns aufgesogen und nur eine leere Schädelhöhle mit nichts als Angst darin zurückgelassen hätten. Ich kann mich jetzt noch an die Panik erinnern und mir die Szene vor meinem inneren Auge wie auf einem Foto vorstellen: Die smaragdgrüne Weide, der schwarzweiße Luke in vollem Lauf genau da, wo er sein sollte und eine weiße Kugel voller Unheil, die über das Gras auf ihn zuschoss.
Aber was war mit Luke? Was ging durch seinen Kopf, als er im Gras kauerte und dieser Killer in Hundegestellt auf ihn zurannte? Hatte er genauso viel Angst wie ich? Und wenn ja, wie sehr ähnelte seine Version von Angst der meinen?
Luke und ich waren beste Freunde, so wie viele Hunde und Menschen auf der ganzen Welt beste Freunde sind. Wie Freunde das so tun, teilten wir lange Spaziergänge in schattigen Wäldern miteinander, leckere Abendessen mit Brathühnchen oder Lamm und lange, schläfrige Schmusestunden auf der Couch im tiefen Winter. Wir teilten harte Zeiten miteinander, wenn wir mit wilden Augen dreinschauende Marktlämmer auf den Laster verluden, uns spät in der Nacht auf fremden, einsamen Straßen verfahren hatten oder bei der Hütearbeit Fehler machten, die uns wertvolle Zeit und Energie und bei einer Gelegenheit auch eine blaue Schleife auf einem Hütehundwettbewerb gekostet hatten. Wir spielten zusammen, arbeiteten zusammen, trösteten einander und zankten gelegentlich ein bisschen. Unsere beiden Leben waren in vielerlei Hinsicht so eng miteinander verbunden wie die von zwei menschlichen besten Freunden.
All diese Erfahrungen sagen aber nicht viel darüber aus, wie wir die Welt im Inneren unseres Kopfes erlebten. Wir haben zwar äußerliche Erfahrungen wie die Spaziergänge im Wald und Schlummerstündchen auf der Couch geteilt, aber was ist mit den inneren Erfahrungen? Wie viel hatten wir da gemeinsam? Ich sagte bereits, dass Luke manchmal die Geduld mit mir verlor – aber woher wollte ich das wissen? Wie kann irgendjemand von uns ohne Sprache als Brücke wissen, was in den Köpfen unserer Hunde vorgeht?
In gewisser Hinsicht können wir es auch nicht. Wir werden nie erfahren, wie es ist, ein Hund zu sein; manche sind der Meinung, dass wir es auch gar nicht erst versuchen sollten. Aber viele