Sommer ohne Horst. Manfred Rebhandl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Manfred Rebhandl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783709939130
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diese schreckliche Musik ab!“ Um dann die Frage des Tages zu stellen: „Herrgott im Himmel, habt ihr noch nie von Schostakowitsch gehört?“

      Sogar ich kratzte mich hinterm Ohr: „Von wem?“

      ***

      Dieser Tag war im Arsch. Ich brauchte dringend ein paar Quadratmeter Ruhe um mich herum, bevor mich am Ende doch noch ein paar heiße Ladys zusammen mit dem Krummrücken hier sehen konnten, und wollte zum Auto. Das konnte man nämlich auch von innen her abschließen, und dort konnte man seine eigene Musik hören.

      Aber sicher nicht Schostakowitsch!

      Auf dem Weg dorthin kriegte sich Ku noch immer nicht ein wegen der Rotzlöffel im Bad: „Frage mich bitte nicht, wie groß deren Angst vor den Frauen ist, dass sie immer alle gleich in den Anus penetrieren müssen, wenn ich kurz auf die eben gehörte Musik Bezug nehmen darf, traurig, traurig, traurig. Ihnen fehlt einfach die reife Sexualität des aufgeklärten europäischen Mannes.“

      Mir zog es beinahe die Adiletten aus: „Ihnen fehlt was?“

      „Auch mal akzeptieren können, dass es nicht immer so läuft, wie man es selbst gerade gerne hätte …“

      „Dann akzeptier mal, dass ich meine Ruhe will!“

      Wir stiegen ein. Ich startete den Datsun, parkte aus, und dann ging es zurück in die Stadt. Dass ich meine Ruhe haben wollte, interessierte ihn nicht, denn er wollte wissen, ob es mich gar nicht interessierte, was mit seinem Gesicht passiert war.

      „Eigentlich nicht.“

      „Also hör zu: Vor zwei Monaten kam Ludmilla zu mir in die Praxis, weil sie in dieser frustrierenden Beziehung mit einem unfassbar dominanten, sie in jeder Phase ihres Lebens einengenden Chirurgen migrantischen Hintergrundes namens Dr. Hassan feststeckte.“

      „Dazu von mir zwei Fragen: Warum sagst du nicht einfach Ausländer zum Chirurgen? Und warum ließ sie sich mit dem Hassan ein, wenn er sie so einengt?“

      Ich hätte nie gedacht, dass ich dieses Wort einmal in den Mund nehmen würde: „einengt“.

      Ku schien zu überlegen, bevor er richtig dick auftrug: „Muss ich dir genau erklären, was der schier unlösbare Konflikt für eine Frau im gerade noch gebärfähigen Alter ist? Einerseits sucht sie das Breitschultrige, das Virile, also die beste DNA für ihr noch ungeborenes Kind, das sie dringend möchte, Stichwort biologische Uhr. Andererseits will sie das Abgesicherte, das Nest für ihr noch ungeborenes Kind, den goldenen Käfig, die Kuschelecke mit Plüschsofa zum Füßehochlegen.“

      Schon kriegte ich Kopfschmerzen von dem ganzen Scheiß. Ich bat ihn, mir aus dem Handschuhfach einen Flachmann zu reichen, nahm einen kräftigen Schluck daraus und fragte: „Okay. Aber als was kommst du in dieser Seifenoper vor? Als der Breitschultrige wohl eher nicht?“

      Ich gab ihm den Flachmann, damit er trank und nicht redete, aber Trinken machte ihm lange nicht so viel Spaß wie Reden: „Jedenfalls konnte Ludmilla nicht benennen, was wichtig ist in einer reifen Beziehung und was nicht.“

      Ich dachte: Wenn ich jetzt die richtige Frage stelle, dann werde ich es vielleicht endlich erfahren. „Und was ist wichtig in einer reifen Beziehung?“

      „Jedenfalls nicht etwas zusammen unternehmen, wie die meisten irrtümlich glauben!“, schrie er beinahe. „Nicht Aktion und Vollstopfen des Tages mit sinnlosem Tun, Stichwörter Camping, Rafting, Mountainbiking! Sondern Verständnis füreinander und dem anderen zuhören können. Dazu Zärtlichkeit und Geborgenheit.“

      Mehr denn je vermisste ich die raue Männlichkeit meines Freundes Horst! Ich fragte: „Machst du Witze?“

      Wir hatten die Fenster hinuntergedreht und ich die Sonnenbrille auf meiner Nase, während er die seine hielt. Ich rauchte gemütlich und dachte an Horst, ja, ich dachte wirklich an ihn. Nicht so, aber schon intensiv.

      Ku holte mich aus meinen Träumen: „Willst du gar nicht wissen, wie es weiterging?“

      „Nein.“

      „Also hör zu. Ihr Typ heißt … äh … Dr. Hassan. Gestern musste dieser Dickeiertyp zu irgendeinem Kongress irgendwohin, und Ludmilla war alleine zu Hause. Natürlich war sie einsam und kam zu mir.“

      Ich warf ein: „Was glaubst du, wie es Anita Pallenberg ging, wenn Mick und Keith zu einer Tour aufbrachen? Damit muss man halt umgehen können!“

      „Nachdem er sie mehrmals in der Doppelstunde, während der sie bei mir auf der Couch lag, angerufen hatte, musste ihm geschossen sein, dass sie ihn während dieser Zeit betrog. Und voilà! Kaum ging sie bei der Türe hinaus, kamen drei aus seinem Araberclan zu mir und zack. Dabei überspielte dieser Hassan mit seiner ausgestellten Männlichkeit nur seine latente Homosexualität!“

      „Im Ernst? Das geht?“

      „Ja klar geht das. Im Bett lief bei dem nämlich überhaupt nichts mehr. Ständig hatte er Kopfschmerzen oder ging noch schnell ins Gym nach der Arbeit. Darum war er ständig müde!“

      „Hört sich an, als wäre er nicht heimlich schwul, sondern heimlich eine Frau.“

      „Nein! Er war einfach nur ständig müde und hatte Kopfschmerzen!“

      „Wie eine Frau!“

      „Nein!“

      „Doch.“

      „Nein!“

      „Ach, leck mich!

      ***

      Wir waren am Brunnenmarkt angekommen, wo ich einen Parkplatz in der Nähe meines Büros suchte, aber die längste Zeit keinen fand. Während dem Sinnlosherumkurven erzählte Ku mir noch, dass Ludmilla zu ihrer Mutter gezogen war – „Keine Ahnung, wohin genau!“ – und dass er es nach diesem Zwischenfall vermied, sie anzurufen. Es herrschte also Funkstille zwischen den beiden, denn er hatte gestrichen die Hosen voll von den Arabern. Und wenn man sich das eine verschwollene Auge anschaute, dann musste man sagen: zu Recht! Irgendwann musste sich auch der stärkste Krieger zurückziehen und seine Wunden lecken. Erst recht einer wie Ku, der rein gar nichts von einem starken Krieger hatte.

      Eine Sache war mir aber trotz vieler blumiger Worte nicht ganz klar: „Stehst du jetzt zu dieser Lehrerin oder nicht? Denn wäre es nicht so geschwollen, dann hättest du vorhin ein Auge auf die Dicke geworfen, ich hab es genau gesehen!“

      „Das ist doch ein natürlicher Reflex …“

      Diese Psychofuzzis hatten einfach auf alles eine Antwort. Darum war ich zur Psychologie so distanziert wie zu Gurken in der Küche: Wenn eine da war, dann schälte ich sie, schnitt sie in kleine Stücke und warf sie beim Fenster hinaus, weil ich sie nicht brauchte.

      „Wenn ein Mann in der Krise ist“, hörte er nicht auf, Scheiße zu reden, „dann sucht er Zuflucht in der Geborgenheit. Und Dicke strahlen nun mal Geborgenheit aus.“

      Ich sagte: „Du nicht!“

      Ihm aber war egal, was er ausstrahlte, er schien von der Dicken geblendet. Hatte gerade wegen einer anderen (einer „Perfekten“) die Visage poliert bekommen und schwenkte schon auf die nächste (eine „Dicke“) ein: „Sie scheint jedenfalls eine faszinierende Persönlichkeit zu sein“, sagte er. „Sie schämt sich einerseits, dass sie dick ist, hat aber andererseits keinen Grund, sich zu schämen.“

      „Nein?“

      „Nein. Sie ist ganz Frau. Frau durch und durch. Sehr, sehr fraulich. Hat alles, was man an einer Frau liebt. Sie …“

      „Ich glaube, ich habe verstanden, was du meinst. Du findest eben, dass sie sehr fraulich ist.“

      „Ja, sehr. Alles bei ihr ist am richtigen Platz …“

      „Und nicht zu wenig davon!“

      „Ich meine … wie sie sich bewegt …“

      „Und man hätte nicht gedacht, dass sie sich bewegen kann!“

      „Wie eine