Waldlichter. A. V. Frank. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. V. Frank
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960741800
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sich um und machten die Augen wieder zu.

      Caro, die bisher geschwiegen hatte, prustete los und sagte: „Ich weiß ja nicht, wie das mit Ana ist, aber den Rest bekommst du nur auf eine Weise wach.“ Sie grinste verschwörerisch, ging ins Badezimmer und kam mit tropfnassen, kleinen Handtüchern zurück, die sie jedem Mädchen ins Gesicht klatschte. Dann warf sie mir eines zu und verkündete: „Ich geh als Erste duschen.“ Damit verschwand sie im Bad.

      Aber die Handtücher zeigten Wirkung. Alle Anwesenden rappelten sich unter viel Stöhnen und Fluchen auf, sahen auf die Uhr und riefen dann: „Vici, wir haben bloß noch eine halbe Stunde Zeit, wieso hast du uns nicht eher geweckt?“

      Ich versuchte erst gar nicht, etwas zu erklären, sondern verschwand sofort im Bad, als Caro rauskam. Dort atmete ich einmal auf, bevor ich in die Dusche stieg. Das Wasser machte mich endgültig wach. Nachdem ich mich komplett gereinigt und geschminkt hatte, ließ ich Ana ins Bad.

      Nach und nach wurden aus zerknitterten, verschlafenen Jugendlichen müde, aber gestylte junge Frauen. Um halb elf kam Lisa, die als Letzte das Bad benutzt hatte, heraus und wir eilten zu der Kirche. Fünf Minuten später waren wir angekommen, doch es war niemand zu sehen. Nach kurzer Zeit jedoch watschelten zwei erschöpfte Gestalten auf uns zu. Es waren Philipp und Eric. Ein paar weitere Minuten vergingen, bis auch eine zerknautschte Transca, die etwas von „Verschlafen“ murmelte, zu uns trat. Wir schwatzten leise, aber es wollte kein richtiger Schwung in uns kommen, also beschlossen die Jungs, wir sollten zu Kath gehen und sie aus den Federn schmeißen. Ihr Haus, in dem sie alleine lebte, lag nahe dem Zaun, der das Dorf umgab.

      Wir klopften an die Tür, klingelten und riefen ihren Namen, ohne eine Antwort zu bekommen. Als wir gerade beschlossen hatten, dass Melissa, die die schmalste und zierlichste von uns war, durch ein kleines, geöffnetes Fenster klettern sollte, das im Erdgeschoss lag, bog Kath um die Ecke. Sie war völlig verschwitzt und trug einen Trainingsanzug.

      „Was macht ihr denn alle hier?“ Verständnislos sah sie uns an, doch dann wurden ihre Augen groß. „Oh Mist, stimmt ja, wir wollten uns treffen, tut mir leid! Ich war im Wald trainieren, wartet einen Moment, ich geh duschen und zieh mir was Ordentliches an, dann komme ich.“

      Also warteten wir und fragten uns in der Zwischenzeit, was wir überhaupt unternehmen wollten. Wir teilten uns in zwei Gruppen auf. Die eine wollte nach Roundstone, eine kleine Stadt in der Nähe, fahren, die andere durch den Wald an den Strand gehen. Kath, Lisa, Melissa und Philipp fuhren shoppen, Caro, Marina, Ana ‒ was mich sehr erstaunte ‒, Eric, Tran und ich gingen zum Strand. Dort konnte ich dann auch mit meiner Arbeit für Pan anfangen.

      Also kehrte unsere Truppe zu den Wohnungen zurück und sammelte Bikinis, Handtücher und Sonnencreme ein, man konnte schließlich nie wissen, wie das Wetter noch werden würde. Eine halbe Stunde später kämpften wir uns durch das dichte Gestrüpp am Rand und betraten den Wald, den ich auf der Stelle mochte. Er war von Trampelpfaden durchzogen, es standen nirgends Bänke oder sonstige Dinge, die nicht in den Wald gehörten, er war komplett naturbelassen und verwildert. Überall sangen die Vögel und es knackte im Unterholz. Hier würde ich bestimmt keine Story für Pan finden, was mich jedoch nicht störte. Was mir besonders gefiel war, dass es in diesem Wald erstaunlich wenige Dornenranken gab, die man sonst in jedem Laub- oder Mischwald antraf.

      Als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die anderen lenkte, merkte ich, dass Caro und ich die Einzigen waren, die wirklich entspannt wirkten. Marina eilte voran, sie wollte endlich zum Strand kommen, Eric beobachtete Tran argwöhnisch und nervös, die ihrerseits den Wald mit den Augen durchforstete und eine unverhohlene Sehnsucht in ihrem Blick trug, die ich nicht zuordnen konnte. Ana hingegen schaute mit verstörter Miene in die Bäume hinauf und zuckte bei jedem Vogelruf kaum merklich zusammen.

      Ich ging zu ihr hinüber und fragte leise: „Was hast du denn? Stimmt etwas nicht?“

      Sie zuckte erschrocken zusammen, sagte dann aber mit lauter, klarer Stimme: „Was soll mit mir sein? Lass mich in Ruhe, in Ordnung?“ Dann warf sie das Haar in den Nacken und marschierte weiter.

      „Du musst aufpassen, dass dir kein Wildhase über den Weg läuft, du würdest vor Schreck tot umfallen, wenn du schon vor den Vögeln solche Angst hast!“, rief ich ihr hämisch hinterher. Es war nur eine Vermutung, dass es die Vögel waren, die sie ängstigten, aber ich sah, dass sie zusammenzuckte, als sie meine Worte vernahm.

      Sie wirbelte herum und schaute mich kampflustig an. „Wenigstens brauch ich keinen Blindenstock, um die Vögel zu sehen, du blinde Irre!“

      Das saß, aber ich hatte gesehen, wie sie auf ihrem Nachttisch heute Morgen nach ihrer Brille getastet hatte, die sie immer trug, bis sie die Kontaktlinsen einsetzte.

      „Die blinde Irre schämt sich aber nicht zuzugeben, dass sie eine Brille braucht, im Gegensatz zu solch oberflächlichen, falschen Zicken wie dir, die Linsen benutzen und dann über andere herziehen.“

      Wir waren beide laut geworden. Doch jetzt trat Tran zwischen uns und es wunderte mich, dass sie nicht durchbohrt wurde von den feindseligen Blicken, die sich von vorne und hinten auf sie richteten. „Hört jetzt auf, alle beide! Es ist schrecklich, auf eine Brille oder Linsen angewiesen zu sein. Ich verstehe nicht, wieso ihr überhaupt angefangen habt zu streiten. Also benehmt euch gefälligst wie anständige Leute und hört auf, euch an die Kehle zu gehen, egal, ob tatsächlich oder nur mit Worten, in Ordnung? Ihr seid wie kleine Kinder!“ Auch sie konnte böse schauen und funkelte uns jetzt beide abwechselnd an.

      Sie hatte recht, das war mir durchaus klar, aber Ana trieb mich mit ihrer nervigen Bösartigkeit und Überheblichkeit in den Wahnsinn. Trotzdem schämte ich mich für mein Verhalten, einen guten Eindruck bekamen die anderen so nicht von mir.

      „Du hast recht. Ich wollte bloß nett zu ihr sein, aber wenn sie das immer falsch versteht ...“, gab ich klein bei und schritt ohne ein weiteres Wort voran. Als ich an Ana vorbeiging, sah ich, wie sie nickte.

      Bald herrschte wieder die gewohnte Stimmung und nach etwa zwanzig Minuten kamen wir am Strand an. Der salzige Wind spielte mit meinem Haar und ich schloss genießerisch die Augen. Als ich sie wieder öffnete, sah ich nur Meer, Sonne und Möwen. Es schien mir, als ob einer dieser Vögel auf uns zuflog und uns, als er sich auf einen Felsen gesetzt hatte, beobachtete. Wahrscheinlich ging mal wieder meine Fantasie mit mir durch. Ich verdrehte genervt die Augen. Das war so typisch für mich!

      Die anderen hatten ihre Handtücher bereits ausgebreitet und sich daraufgelegt. Sie unterhielten sich über Bikinimoden und ihre persönlichen Vorlieben. Das interessierte mich nicht sonderlich und so döste ich etwas vor mich hin, nachdem auch ich mich auf mein blaues Handtuch gelegt hatte. Erschrocken zuckte ich zusammen, als mein Handy anfing, Angels von Robbie Williams zu spielen. Dieser Song signalisierte mir, dass John anrief. Schnell kramte ich das Telefon heraus und ging dran. „Hey John, wie geht’s dir?“, fragte ich, nachdem er sich mit einem „Hey Vici“ gemeldet hatte.

      „Ganz gut, und dir? Wie ist es in Irland? Interessant für Pan?“, nuschelte er.

      „Mir geht’s super. Ich liege gerade am Strand und entspanne. Und es ist toll hier, allerdings ist für Pan wohl nichts zu holen, so wenig Umweltverschmutzung habe ich erst sehr selten gesehen. Was machst du so?“

      „Na ja, halt trotzdem die Augen offen, vielleicht stößt du ja doch noch auf eine gute Story. Ich mache eigentlich nichts, hatte aber Sehnsucht nach dir.“

      Ich lächelte traurig. „Ich vermisse dich auch. Mit dir wäre ...“ Weiter kam ich nicht, denn aus dem Handy tönte in diesem Augenblick unmissverständlich die Stimme einer Frau, die ich nur allzu gut kannte und die sich in diesem Moment endgültig meinen Hass zuzog.

      „Johnny, kommst du bald wieder zu mir ins Bett? Sonst wird mir so kalt, dass ich was überziehen muss“, schnurrte Elisabeth und gab ein schmatzendes Kussgeräusch von sich.

      Fassungslos betrachtete ich das Handy, das auf einmal Tonnen zu wiegen schien. Was sollte das? Erst mein Rauswurf aus dem Vorstand, dann die Verpflichtung, diese Reise zu unternehmen und jetzt Elisabeth in seinem Bett? Ich fasste es nicht! Aber das würde