Die Vielgeliebte. Jörg Mauthe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jörg Mauthe
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783903005914
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(damals? kaum vier oder fünf Jahre ist’s her – ach ja, die Zeit geht schnell dahin in letzter Zeit!) fast zum Gesellschaftsspiel geworden: wohin man kam, überall war’s grade im Gange, in Gesellschaften und im Kaffeehaus, in den Redaktionen, beim Heurigen und zahlreichen Symposien; jedermann war herzlich eingeladen, mitzutun.

      »Ich bin Saturnier und Kainit wie du«, fuhr der Medizinalrat fort. »Und also gehöre ich wie du einer Rasse an, die zwar zum Genuß, nicht aber zum Glücklichsein disponiert ist. Das hat mich bis jetzt so wenig geschert wie dich, denn wir wissen schon, daß das Glück kein Movens mundi et vitae ist – anders als die Neugier, die die Welt sehr wohl bewegt. Einsamkeit ist nichts Ungewohntes für uns. Aber ich beginne nun, da das immerhin wärmende Flämmchen der Neugier in mir erlischt, auch noch zu frieren, und das bin ich nicht gewohnt. Es schaudert mich jetzt, wenn ich mir bei der Visite die Leute ansehe, die ich mit so viel Kunst an einem Leben halte, mit dem sie so wenig anzufangen wissen. Mir rinnt’s kalt über den Rücken, wenn ich unsere Maßgebenden ganz ausschließlich von Angelegenheiten reden höre, die heute schon wesenlos und nur noch Wiederholungen von Wiederholungen, Schatten von Schatten sind. Wie du weißt, lebe ich nicht gut mit meiner Frau, aber ich hatte doch Freude an meinen Kindern – auch die ist vorbei: ihre unschuldigen Augen lassen mich noch in meinen Träumen erschauern, denn ich habe erkannt, daß es die Unschuld der Barbaren ist, die in ihnen steht. Es wird leider kalt, Bruder, und es friert mich. Und drum versteh bitte mein dringendes Bedürfnis nach diesem unmöglichen Geschöpf, das mir da mitten in der kalten Nacht strahlend vor Zorn Watschen angetragen hat – es war das Lebendste, was ich seit langer Zeit gesehen habe, und ist im Augenblick das einzige, was meine Neugier wachhält. Sag mir, wenn du es weißt, wo ich dieses Ding finden kann. Weißt du es?«

      »Keine Ahnung«, sagte ich, obwohl ich ziemlich betroffen war über den Ton, in dem er das alles gesagt hatte, sehr persönliche Dinge preisgebend und fast ohne seine sonstige Drauflosschwadroniererei; aber ich war mir doch nicht sicher, ob er nicht wieder nur fintiert hatte, um zu erreichen, was er sich nun einmal in seinen dicken Schädel gesetzt hatte; denn er konnte neben allem anderen auch ein hervorragender Komödiant sein, wenn’s ihm gerade paßte. Nein, ich verriet ihm auch diesmal nichts.

      Die unvermeidliche Fortsetzung kam wiederum erst einige Wochen später, und sie begann wie eine jener Theaterszenen, in denen plötzlich eine Tür aufspringt, aber wer anderer als der Erwartete eintritt.

      Die Tür sprang mitten in einer der vielen Nächte auf, in der wir, unsere Freundin und ich, in unserem Arbeitsraum saßen und die Schlampereien der anderen ausbesserten, der Sozialversicherten und Kündigungsgeschützten und Krankengeldanspruchsberechtigten, die pünktlich um fünfzehn Uhr dreißig abgezogen waren, nachdem sie uns höflich noch einen guten Abend und gute Arbeit gewünscht hatten.

      … Sie sprang also plötzlich auf, ohne daß wir Schritte im Vorraum gehört hatten, und herein schoß wortlos ein junger Mann in einem roten Samtsakko, sah uns einen Augenblick lang scharf an, lief hinüber zur Abstellraum-Tür auf der anderen Seite, riß sie auf, blickte hinein, warf sie wieder zu und sauste ebenso wortund lautlos, wie er gekommen war, quer durchs Zimmer und beim Eingang hinaus.

      Das war so schnell vor sich gegangen, daß wir nicht einmal Zeit zum Erschrecken gehabt hatten, und kaum war der Rotsamtene wieder draußen, als auch schon eine neue Erscheinung auftauchte, ein junger Mann wiederum, der sich in den Türrahmen stellte und über die Schulter ins Vorzimmer zurück die Worte sprach:

      »Herr Chef, i glaub’, mir ham s’.«

      Nachdem er dies gesagt hatte, zog er sich ebenfalls in das Vorraum-Dunkel zurück, und an seiner Stelle erschien wie durch Zauberei ein gewaltiger Strauß orangenfarbener Rosen, der von den Händen eines silberhaarigen Mannes in grauem Anzug getragen wurde. Dieser Mann kam mit ruhigen Schritten herein, blieb stehen und sagte:

      »Guten Abend. Und ’tschuldigen schon vielmals.«

      Das war so höflich und freundlich gesagt, daß es unser nun endlich doch einsetzendes Erschrecken sofort unterdrückte.

      »… Wie sind Sie denn da hereingekommen?« fragte meine Freundin, und das war eine naheliegende Frage, denn um nächtlicherweile in unser Büro zu gelangen, mußte man nicht nur das große Haustor in der Neubaugasse aufsperren, sondern auch noch das kleinere zum Hinterhof, das von den alten Frauen schon am Abend ängstlich verschlossen wurde, und schließlich auch noch die Tür zu unserem Vorzimmer. Und wir hatten nicht das kleinste Geräusch gehört!

      »Ah«, sagte der Mann, »das is’ weiter keine Kunst. Der Horsti kann das schon.«

      Der Rotbejackte, offensichtlich also der Horsti, steckte blitzschnell den Kopf ins Zimmer herein, merkte, daß er nicht gerufen worden war, und zog ihn wieder zurück.

      Der Fremde – mit seinem Maßanzug, seiner sorgfältig gebundenen silbernen Krawatte und seinem auch sonst gepflegten Erscheinungsbild glich er vielen Geschäftsleuten in der Neubaugasse – sah auf die Rosen, dann flüchtig auf mich, schließlich konzentriert auf sie und sagte vorwurfsvoll:

      »Sieben Wochen haben wir Ihnen gesucht! Volle sieben Wochen!«

      »Na und?« sagte sie kühl und schon ganz auf der Höhe der Situation.

      »Ah so, ja natürlich«, antwortete er, »Sie haben es ja nicht wissen können? Daß ich hinter Ihnen her war, was?«

      Er war, entschied ich während dieses absurden Dialogs, doch kein Neubaugassengeschäftsmann, oder jedenfalls keiner von der normalen Sorte: die trägt keine erbsengroßen Brillanten in den Manschetten, keine diamantbesetzten Armbanduhren und keine Vielkarätigen am Ringfinger.

      »Nein«, sagte meine Freundin, »ich hab’s nicht wissen können. Und jedenfalls g’hört sich das nicht, daß man mitten in der Nacht in die Häuser kommt und die Leut’ erschreckt!«

      »Nein, eigentlich g’hört sich’s wirklich nicht!« sagte der fremde Gast. »Aber wenn ich Ihnen nach sieben Wochen endlich g’funden hab’ – und ich kann doch die Blümerln da nicht ewig aufheben, nicht wahr?«

      Er trat vor, verbeugte sich, hielt ihr die Rosen unter die Nase und sagte auf hochdeutsch:

      »Gestatten Gnädigste höflichst, daß ich Ihnen überreiche?«

      Sie nahm den Strauß mit Grazie entgegen, schnupperte über die Blumenköpfe hin und sagte, schon halb versöhnt, denn Blumen konnte sie niemals widerstehen:

      »Danke schön! Schön sind die. – Aber wenn’s nicht eing’wassert werden, sind’s morgen hin.«

      »Glauben Gnädigste? Na ja, ich trag’ die Blümerln jetzt schon so lang herum. Horsti!«

      Der Rotsamtene tauchte wieder auf.

      »Da!« sagte sein Chef, nahm der Freundin – »’tschuldigen schon, die Gnädigste!« – den Rosenstrauß wieder aus den Händen und übergab ihn dem Horsti: »Einwässern die Rosen! In der Waschschüssel draußen.«

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