Irgendwie liebe ich Askan gerade sehr dafür, dass er auch dem Volk gehört. Und ich beschließe, dass ich ihm das nie wieder vorwerfen werde, nicht einmal in Gedanken. Im Gegenteil, ich werde ihn dabei unterstützen, denn es gefällt mir.
„Woran denkst du?“, erkundigt sich Gaskama. „Du hast so friedlich gelächelt.“
Ich sehe ihn an. „Ich liebe Askan. Weil er ein guter König ist.“
„Nur darum?“
Ich werde rot, das kann ich spüren. „Nein, nicht nur deswegen. Aber das geht nur ihn und mich was an!“
Gaskama lacht. „Schon gut, Kyo. Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Ich kenne Askan gut. Er liebt dich auch, vom Anfang an. Es hat ihn irritiert, aber er hat dich darum vor dem Tod bewahrt und mitgenommen. Er hat gespürt, dass du etwas Besonderes bist. Und wenn ich ihn mir so ansehe, ist er inzwischen sehr froh. Ich habe ihn schon sehr lange nicht so viel lächeln sehen wie in den letzten Nums.“
„Wirklich?“
Er nickt. „Was denkst du, wieso ich mich so um dich kümmere? Als Kommandant der Leibgarde ist das eigentlich nicht meine Aufgabe. Aber du bist wichtig für Askan, darum mache ich das. Und außerdem mag ich dich wirklich.“ Er zwinkert mir dabei zu.
„Ich mag dich übrigens auch, Gaskama“, erwidere ich, dann starre ich nach vorne. Wenn wir uns weiter darüber unterhalten, muss ich weinen, und das will ich nicht.
Außerdem kann ich schon bald den Marktplatz sehen. Heute steht ein großes, offenes Zelt darauf, in dem viele Menschen an Tischen sitzen und essen. Außerhalb des Zeltes wird das Essen zubereitet, auch Getränke werden angeboten. Einige Frauen sind damit beschäftigt, leere Becher und Teller abzuräumen.
„Sumba“, sagt Siana und lacht.
„Hast du etwa schon wieder Hunger?“, erkundige ich mich, obwohl ich genau verstanden habe, was sie meint.
„Ja. Ihr auch, Lady Kyo?“
Gaskama zieht eine Augenbraue hoch, sagt aber nichts. Wir gehen gemeinsam zu dem Stand, an dem das Essen zubereitet wird, und Gaskama gibt die Bestellung ab, wie er es nennt. Danach suchen wir einen freien Platz für uns drei. Siana will erst abseits sitzen, bis ich schließlich ein Machtwort spreche und ihr befehle, neben mir zu sitzen.
Ich sehe mich dann um. Am nächsten zu mir sitzt ein Mann, der sicher kein Kämpfer ist. Er ist fast so groß wie Askan, hat aber mehr Gewicht. Seine Haare sind grau und wohl nicht mehr so kräftig, wie sie früher mal waren.
Er mustert mich gründlich, dann wendet er sich an Gaskama. „Seid gegrüßt, Gaskama.“
Dieser nickt. „Seid gegrüßt, Mazota.“
Mazota? Ist das etwa der Hohepriester? Dieser Kerl, der mich mit den Blicken auszieht?
„Darf ich Euch Lady Kyo vorstellen? Ihr habt wahrscheinlich schon von ihr gehört.“
„Ja, das habe ich tatsächlich. Ich habe sogar einiges über sie gehört.“
Er starrt jetzt in meine Augen. Ich erwidere den Blick und bin gespannt, wie lange er durchhält. Erstaunlich lange, doch schließlich ist er es, der zuerst den Blick abwendet.
„Man erwähnte auch Eure Schönheit, Lady Kyo. Ihr wisst sicherlich, dass dieses Geschenk lediglich ein vergängliches von unserer aller Schöpferin Elixa ist.“
„Wenn ich ehrlich sein soll, das wusste ich nicht.“
„Ich habe bereits vermutet, dass ich Euch noch viel über unsere Schöpferin Elixa beibringen werde. Denn es ist sehr wichtig, sie zu ehren und zu respektieren. Von ihr haben wir alles erhalten, selbst unser Leben.“
„Oh. Ich kenne mich da nicht so gut aus, aber ich habe gedacht, unser Leben erhalten wir von unseren Eltern.“
„Selbstverständlich werden wir von unserer Mutter geboren, und der gemeinsame Akt der Liebe von Mutter und Vater ist notwendig, damit der Samen der Liebe, den Elixa uns geschenkt hat, zu einem Menschen heranreifen kann. Aber ohne Elixa wäre all das nicht möglich. Denn wie sollen die ersten beiden Menschen ohne sie entstanden sein?“
Das ist allerdings eine berechtigte Frage. Ich habe trotzdem das Gefühl, dass dieser Mann sehr gerne den Samen der Liebe verbreiten würde, insbesondere bei den Mädchen und Frauen, die das erwähnte Geschenk der Schönheit erhalten haben. Ich kann seine Erregung sogar spüren, denn kleine Gesten und sein Gesichtsausdruck verraten mir, worüber er wirklich nachdenkt, während er seinen Text aufsagt, als wäre er auswendig gelernt.
„Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht“, antworte ich.
„Das ist auch nicht nötig, Lady Kyo, denn die Nachfahren von Samenfrauen, zu denen auch ich gehöre, haben sich darüber bereits viele Gedanken gemacht und sind zu der Erkenntnis gelangt, dass Elixa das erste Menschenpaar aus einem einzigen Samenkorn erschaffen hat, indem sie ihnen ihren Atem eingehaucht hat.“
Ich versuche mir das vorzustellen, aber das will mir nicht gelingen. Eine Frau hält einen Samenkorn in der Hand und pustet ihn an? Was ist das überhaupt für ein Samenkorn?
Mein Gesicht scheint meine Ratlosigkeit zum Ausdruck zu bringen, denn der Hohepriester fährt fort: „Gewöhnliche Sterbliche können sich das natürlich gar nicht vorstellen, aber Elixa ist ja auch kein Mensch, sondern eine Göttin.“
„Aha“, sage ich nur. Vor allem, weil unser Essen gebracht wird.
„Ich wünsche Euch ein gutes Mahl“, sagt der Hohepriester und wendet sich anderen Dingen zu. Dazu gehört, das stelle ich bald fest, das Beobachten von jungen Frauen und Mädchen.
„Ich habe Euch ja gesagt, der Hohepriester kann es Euch erklären“, flüstert mir Siana zu.
„Du glaubst diesen Schwachsinn ernsthaft?“
„Herrin! So was dürft Ihr nicht einmal denken!“
Ich werfe Gaskama einen Blick zu und habe den Eindruck, dass er sich eher meiner Meinung anschließen würde als Sianas. Doch halte ich die Umstände für eine Diskussion über dieses Thema für ungeeignet und beende sie, indem ich einfach nichts mehr sage. Siana versteht und konzentriert sich auf ihre Mahlzeit.
Danach kehren wir zurück auf die Burg. Gaskama erzählt, dass es in einigen Nums ein Stadtfest geben wird, mit vielen Attraktionen und wohl auch einigen Hinrichtungen. Letzteres irritiert mich etwas und ich beschließe, Askan danach zu fragen.
Nachdem wir einige Zeit schweigend nebeneinander gesessen haben, bemerkt Gaskama: „Der Hohepriester wird wohl nicht dein Freund werden.“
„Nur wenn Elixa mich dazu zwingt.“
„Sag das nicht, sonst macht sie das noch“, sagt Gaskama und grinst dabei.
„Dann würde ich sofort alle Zweifel zurücknehmen. Aber nur dann. Wie dem auch sei, ich mag ihn nicht. Können wir über etwas anderes reden?“
„Selbstverständlich. Worüber denn?“
„Was mir durch den Kopf geht, ist die Frage, was eigentlich die Frauen immer machen. In der Leibgarde sind ja nur Männer.“
„Meinst du die Frauen auf dem Hof oder allgemein?“
„Beides.“
„Nun, Frauen haben ihre Aufgaben in der Gemeinschaft. Sie bekommen Kinder, ziehen sie auf. Es gibt auch viele Arbeiten, die sie erledigen. Was denkst du, wo die Kleidung herkommt? Sie wächst nicht auf irgendwelchen Bäumen.“
„Nicht?“
„Ich habe noch keinen solchen Baum gesehen, aber vielleicht gibt es irgendwo welche. Bei uns werden sie von Frauen genäht.“
„Und warum kämpfen sie nicht? Und sag jetzt nicht, weil die Männer stärker und daher besser dafür geeignet sind, sonst musst du hier und jetzt gegen mich kämpfen.“
„Ich