Nach einigen erfolglosen Versuchen ziehe ich die Schuhe an, halte das Kleid fest, damit es nicht herunterrutscht, und gehe zur Tür.
Gaskama sieht mich fragend an. Ich stelle mich mit dem Rücken vor ihn. Er lacht leise auf, dann hilft er mir. Das Kleid sitzt ziemlich eng, aber ich kann noch atmen.
„Geht es?“
„Ich komme mir etwas eingeengt vor.“
„Das gehört dazu. Du bist sogar etwas schmaler gebaut als Askans Frau. Vorne.“
„Sie hatte größere Brüste.“
„Genau. Komm.“
Wir gehen denselben Weg zurück, den wir von der Eingangshalle aus gekommen sind, und nehmen nun einen anderen Korridor, der neben dem Sitzungssaal beginnt. Auch diesmal kommen wir an verschlossenen Türen vorbei, hinter denen sich die Räume der Minister verbergen, wie Gaskama mir erklärt.
Ich werde mich hier nie zurechtfinden!
Diesmal hält Gaskama auf eine Tür zu, vor der zwei Wachen stehen. Sie öffnen uns die Tür und verbeugen sich, während wir an ihnen vorbeigehen.
Askan sitzt am Kopfende eines großen Tisches, um diesen herum viele Männer. Durch deckenhohe Fenster kommt Licht herein. An den Wänden sind bestimmt Dutzende von Fackelhaltern. Wahrscheinlich brauchen Minister einfach nur besonders viel Licht. Ich nehme an, es ist wichtig, was sie tun.
Dann starre ich Askan an, der sich jetzt erhebt und mit einem Lächeln auf mich zukommt.
„Da bist du ja, meine Liebe. Das Kleid steht dir ausgezeichnet.“ Er nimmt meine rechte Hand und küsst sie sanft. Dann wendet er sich an die Minister. „Meine Herren Minister, darf ich Euch vorstellen? Kyo, die mich aus Iokya hierher begleitet hat. Sie wird ins Schloss einziehen. Bitte behandelt sie wie mich.“
Die Minister beginnen zu murmeln, einige reden miteinander. Ich verstehe jedenfalls kein Wort, und das ist mir auch egal, denn ich starre nur Askan an.
Wie bringe ich ihn dazu, dass wir baden gehen? Jetzt sofort?
Askan beugt sich vor und bringt seine Lippen näher. Leider nicht meinem Mund, sondern meinem rechten Ohr.
„Gaskama wird dich herumführen“, flüstert er. „Wir sehen uns nachher.“ Dann lächelt er mich an und geht zurück an den Tisch.
Gaskama berührt kurz meinen Arm und ich folge ihm nach draußen. Dort atme ich erst einmal tief durch, ich weiß nicht, zum wievielten Mal heute.
„Die Minister waren ziemlich erstaunt“, bemerkt Gaskama.
„Ich habe kein Wort verstanden.“
„Nun, sie wussten, dass Lord Sakumo sozusagen um Hilfe gebeten hat. Es ist nicht schwer zu erraten, dass du die blonde Frau bist, die dem guten Lord das Fürchten beigebracht hat. Deine offensichtliche Stellung nun ist zumindest unerwartet. Und für den Lord wird es ein Affront sein, denn er wird es natürlich erfahren.“
„Hm. Lassen es eigentlich die Regeln hier zu, dass ich den Kerl umbringe, wenn ich ihn das nächste Mal sehe?“
Gaskama lächelt leicht. „Lord Sakumo ist bei niemandem beliebt, denke ich, aber er ist trotzdem ein Lord. Du würdest den König in eine schwierige Lage bringen.“
Das will ich natürlich nicht, also seufze ich.
„Gibt es dafür auch einen Namen?“, erkundige ich mich. „Ich meine, dass man so aufpassen muss, was man tun darf? Oder sogar sagen?“
„Politik“, antwortet Gaskama knapp. „Damit solltest du dich aber nicht belasten, zumindest jetzt noch nicht. Komm, ich zeige dir das Schloss.“
Ich folge ihm den Korridor zurück. Dabei fällt mir etwas ein. „Was ist eigentlich ein Affront oder was du vorhin gesagt hast?“
„Eigentlich ist es nur eine Beleidigung, aber eben eine öffentliche. Lord Sakumo sieht dich als hinzurichtende Verbrecherin an. Schon die Tatsache, dass der König das nicht zugelassen hat, war eine Demütigung für ihn. Und nun darfst du dich völlig frei in seinem Schloss bewegen.“
„Und mit ihm baden.“
„Auch das, wobei ich glaube, das würde der gute Lord sowieso nicht wollen. Ich meine, mit dem König baden.“
Ich muss lachen. So sehr, dass ich irgendwann kaum noch Luft bekomme. Schließlich gelingt es Gaskama, mich so weit zu beruhigen, dass ich wieder atmen kann. Dann mustert er meine Kleidung.
„Eigentlich haben feine Damen immer ein Täschchen bei sich und darin unter anderem ein Taschentuch. Das wäre jetzt ganz praktisch, um dein Gesicht wieder herzurichten.“
„Ja, ganz sicher sogar.“ Ich lehne mich keuchend gegen die Wand und will mein Gesicht mit den Ärmeln abwischen. Er hält meine Arme fest und erledigt es mit seinen Ärmeln. „Aber warum sagst du auch solche Sachen?“
„Es war gar nicht meine Absicht, dich damit zum Lachen zu bringen.“
„Hast du aber. Außerdem war das gelogen.“
Er wendet sich ab, trotzdem sehe ich noch, dass er grinst.
Dann stehen wir in der Halle. Er deutet auf die Treppen. „Das Erdgeschoss ist öffentlich, zumindest zum Teil. Da oben sind private Gemächer. Im ersten Geschoss die Gemächer des Königs, darüber des Hofstaats.“
„Wie viel Hofstaat hat er denn?“, frage ich mit aufgerissenen Augen.
„Einen ziemlich großen. Du wirst ihn mit der Zeit kennenlernen. Jetzt zeige ich dir den Garten.“
Ich folge ihm, kann aber den Blick nicht von der linken Treppe wenden. Acht Etagen für den Hofstaat?
Dann betrachte ich meine Ärmel. Eigentlich sind sie viel zu lang, sie bedecken auch meine Hände teilweise. Allerdings sind sie bis zu den Handgelenk eng, danach weiten sie sich und sind durchsichtig. Vielleicht ist das doch Absicht. So eine durchsichtige Stelle hat auch der Rock am Ende. Überhaupt reicht das Kleid fast bis zum Boden, dadurch sieht man meine Schuhe nur beim Gehen.
„Gaskama!“
„Ja?“
„Sind alle Kleider hier so seltsam?“
„Seltsam?“
„Na ja, das zum Beispiel!“ Ich halte meine Hände hoch.
„Das gehört sich so und sieht schön aus.“
„Ehrlich?“, frage ich verblüfft. „Ich finde das eher lästig.“
„Du wirst dich daran gewöhnen. Andere haben das auch geschafft.“
„Hm.“
„Hör zu, Kyo, ich habe ja selbst gesehen, wie du mit bloßen Händen einen erfahrenen Söldner umgebracht hast. Das hat dir den Respekt meiner Leute eingebracht, und meinen auch. Aber wenn du in der Nähe des Königs sein willst, dann bedeutet es, dass du lernen musst, dich wie eine Dame zu benehmen.“
„Wie eine was?“
„Wie jemand, der so ein Kleid trägt.“ Er dreht sich um und geht weiter.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich eine Dame sein will und kann, aber ich will auf jeden Fall in der Nähe des Königs sein. Wieso reicht es ihm nicht, den ganzen Tag zu baden? Das ist ja furchtbar.
Dann laufe ich hinter Gaskama her und hole ihn in erst draußen ein.
Schon wieder stockt mir der Atem. Was ein Garten ist, weiß ich ja eigentlich. Der Alte hatte auch einen Garten. Und das Haus, in dem Grauhaar wohnt. Aber das hier? Das ist doch kein Garten, das ist ein ganzes Land!
Wie weit er sich nach vorne erstreckt, kann ich nicht erkennen. Zur linken Hand sehe ich die Mauer, aber sie ist weit entfernt. Zur rechten Hand ebenso. Links sieht es so aus, als wären da unterschiedliche Bereiche. Und rechts eigentlich auch, aber andere.
„Das