»Das denke ich auch«, pflichtete ihre Mutter ihr lächelnd bei.
»Oder«, fuhr Herrenberg fort, »du verzichtest darauf, alles selbst zu leiten, und gibst es in die Hände eines erfahrenen Mannes, der zudem gewillt ist, eine Menge Geld zu investieren, um alles zu erhalten.«
»Ja, natürlich, das ist eine gute Idee. Nur wer wäre dazu bereit?«
»Zum Beispiel ich!« erwiderte Herrenberg mit falschem Lächeln.
Angelina sah ihre Mutter an. Die nickte ihr aufmunternd zu, so freundlich wie noch nie.
»Und was muß ich tun?«
»Oh, das ist ganz einfach. Wir werden dich großzügig abfinden, und du verzichtest auf dein Erbe zugunsten deiner Mutter, meiner Frau. Dann werde ich mein Vermögen und meinen nicht unerheblichen Verdienst dahingehend verwenden, daß alles hier erhalten wird und so bleibt, wie du es jetzt siehst.«
»Das wäre schön«, meinte Angelina ahnungslos, »aber was soll ich mit der Abfindung machen?«
Wieder wechselten die beiden Herrenbergs einen zufriedenen Blick.
»Wir haben dein Interesse für Blumen entdeckt«, sagte ihre Mutter nun wieder sehr freundlich. »Wir kaufen für dich ein nettes, kleines Geschäft in der Stadt. Vielleicht findet sich etwas mit einer kleinen Wohnung darüber. Würde dir das nicht Spaß machen?«
»O ja, doch, sehr«, sagte Angelina schnell. »Und ich kann ja doch immer wieder herauskommen und euch besuchen.«
Roswithas Gesicht verzog sich, doch bevor sie ungeduldig reagieren konnte, warf der Baron ein: »Das ist doch selbstverständlich. Du bekommst auch die Möbel mit, die die erste Frau deines Vaters mit in die Ehe gebracht hat.«
»O danke«, sagte Angelina wieder, beeindruckt von der vermeintlichen Großzügigkeit. Sie hatte keine Ahnung, daß ihr die gesamte Mitgift der ersten Gräfin Sternheim bereits zu Lebzeiten ihres Vaters überschrieben worden war – lange, bevor er den Kopf über der schönen Roswitha verlor.
»Dann sind wir uns ja alle einig«, stellte Herrenberg fest. »Ich werde dann mit dem Notar einen Termin ausmachen, in dem alles ordnungsgemäß festgelegt wird, und jetzt fahren wir zusammen in die Stadt, und wir zeigen dir das Geschäft, das wir uns für dich dachten. Wenn es dir gefällt, wird es sofort gekauft.«
»Ich danke euch so sehr«, sagte Angelina wieder, reichte Herrenberg die Hand und küßte die ihrer Mutter.
»Zieh dir etwas Hübsches an«, sagte die nur, mühsam ihr Lachen verkneifend.
Angelina nickte strahlend. Sobald sie den Raum verlassen hatte, lachte Roswitha schallend los.
»Ich glaube, sie ist wirklich nicht normal.«
Herrenberg stimmte in ihr Gelächter mit ein. »Stimmt! Ihre Gutgläubigkeit ist eigentlich nur mit Dummheit zu bezeichnen.«
*
Anfangs hatte Angelina geglaubt, die Gefühle ihrer Mutter ihr gegenüber hätten sich verändert, nun, da sie einverstanden war zu verzichten, um Schloß und Gutsbetrieb zu retten. Doch kaum hatte sie die notariell beglaubigte Unterschrift geleistet, war ihre Mutter wieder kalt und abweisend wie eh und je. Selbst einem gutgläubigen Menschen wie Angelina wurde es klar, daß man sie nur loswerden wollte. Wie weit die betrügerischen Machenschaften allerdings gingen, war einem aufrichtigen Menschen wie ihr einfach nicht vorstellbar – was keineswegs mit Dummheit zu tun hatte, wie die Herrenbergs meinten.
Angelina erzählte Josef Buchner, daß sie demnächst in die Stadt ziehen würde.
»Man hat mich abgefunden«, sagte sie. »Um den Betrieb zu erhalten, habe ich eingewilligt. Sicher ist es besser, wenn ich weggehe, wo mich ohnehin niemand liebt.«
»Aber Komteß«, protestierte er, »was ist mit mir und meinen Blumen?«
»Ich werde Sie vermissen. Und vielleicht komme ich auch manchmal heraus, um mir Ihren Rat zu holen, denn…«, und jetzt strahlten ihre wunderschönen Augen wie zwei Sterne, »ich bin Eigentümerin eines Blumengeschäftes.«
Buchner schlug erschrocken die Hände über dem Kopf zusammen.
»Komteß, um Himmels willen! Wie wollen Sie das führen? Sie haben in geschäftlichen Dingen doch keinerlei Erfahrung.«
Angelina sah den alten Mann mit einem unsicheren Lächeln an.
»Glauben Sie, daß es so schwer ist? Sie sagten doch immer, daß niemand so geschickt Sträuße bindet wie ich und…«
»Liebes Kind«, Buchner verwünschte im stillen die Baronin, der offenbar nur daran gelegen war, ihre Tochter loszuwerden und das Vermögen in ihre Hände zu bekommen.
»Sie haben doch keine Ahnung von Preisen, Einkauf und Verkauf, Verhandlungen mit den Blumenlieferanten, Buchführung und was es sonst noch alles gibt.«
»Aber das kann man doch lernen«, meinte Angelina.
»Wieviel Zeit bleibt Ihnen denn, Komteß?«
»Nächsten Monat ziehe ich in die kleine Wohnung über dem Geschäft«, erwiderte sie etwas unglücklich, weil der einzige Mensch, der immer freundlich zu ihr gewesen war, ihre Idee offensichtlich nicht so gut fand, wie ihr Stiefvater und auch ihre Mutter ihr eingeredet hatten.
Josef Buchner dachte einen Moment nach. Dann schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch, lachte und erklärte:
»Wissen Sie was, Komteß? Ich komme mit Ihnen mit.«
»Aber ob ich mir gleich einen Angestellten leisten kann? Sie verdienen doch hier gut, oder?«
»Ich gehe in Rente und Sie brauchen mir gar nichts zu zahlen. Wenn das Geschäft sich einmal trägt, können wir noch mal darüber reden. Was mein Rheuma angeht, wollte der Doktor mich ohnehin schon lange krankschreiben. Nun, jetzt darf er.« Er lachte wieder.
»Bitte, Komteß, ich wäre Ihnen wirklich dankbar. Da könnte ich nämlich weiterhin mit Blumen arbeiten, ohne daß ich meine alten Knochen zu sehr belasten müßte.«
»Es ist Ihr Ernst, Herr Buchner?« fragte sie ungläubig, und als er nickte, fiel sie ihm mit einem Jubelschrei um den Hals. »Ach, was bin ich froh. Eigentlich hatte ich nämlich große Angst, so allein in fremder Umgebung.«
»Na«, schmunzelte er gerührt, »dann ist ja uns beiden geholfen. Aber, Komteß, sprechen Sie mit niemandem darüber. Es ist besser.«
Sie nickte, wieder ein bißchen traurig. Mit wem sollte sie schon über ihre persönlichen Dinge reden?
*
Nachdem sich Angelina in ihrer hübschen, kleinen Wohnung eingerichtet hatte, überlegte sie, wie und wann sie ihr Geschäft eröffnen sollte. Und sie mußte ehrlich zugeben, daß sie auch nicht die leiseste Idee hatte.
Josef Buchner hatte nicht gleichzeitig mit ihr sein Gärtnerhäuschen im Schloßpark von Sternheim verlassen. Man war nicht eben begeistert von der Kündigung und versuchte sogar, ihn mit einer Gehaltserhöhung zu halten. Aber er hatte keine Lust, weiter dort zu bleiben, und ließ sich von seinem Arzt krankschreiben.
»Endlich werden Sie vernünftig«, meinte der zufrieden. »Wenn Sie früher auf mich gehört hätten.«
Buchner ließ den Doktor reden. Er hatte seine Gründe gehabt, weswegen er nicht früher in Rente ging. Ein Leben ohne Blumen war ihm einfach nicht vorstellbar und schon gar nicht lebenswert erschienen. Nun bot sich ihm die Gelegenheit, noch weiter mit Blumen zu arbeiten und zu leben und außerdem dem einzigen menschlichen Wesen, das ihm am Herzen lag, zur Seite zu stehen. Er war sicher, daß diese Aufgabe die beste Kur für seine Leiden war.
Angelina ging gerade zum dritten Mal durch ihre Wohnung und stellte fest, daß sie wirklich gemütlich und hübsch geworden war und daß die Möbel der ersten Frau ihres Vaters sie sogar ein wenig elegant machten, als es an der Tür läutete.
Wer