Abrupt wandte er sich dann von ihr ab. »Angela, das ist eine Freundin von mir. Wir kennen uns aus New York.«
»Die Prinzessin weiß Bescheid«, sagte Flora hinter ihm. Sie konnte nicht verhindern, daß ihr Herz laut schlug. Jetzt würde sich herausstellen, ob Stephan sich in die Prinzessin verliebt hatte. »Prinzessin Angela will dir etwas sagen.« Nur kurz hatte sie den Blick gehoben – jetzt sah sie wieder vor sich hin.
»Ja?« Sein Blick glitt zwischen Angela und Flora hin und her. Angela kam auf ihn zu. Sie tat etwas, was sie noch nie getan hatte, sie legte ihm ihre Arme um den Nacken. »Zuerst möchte ich dich herzlich auf der Burg Rittlingen begrüßen.« Sie küßte ihn mitten auf den Mund.
Stephan rührte sich nicht. Er versuchte über Angelas Schulter auf Flora zu sehen. Was mußte diese sich jetzt denken!
Angelas Arme glitten von seinen Schultern. Er versuchte gar nicht, sie festzuhalten. »Ich habe es mir überlegt«, hörte er sie sagen. »Ich werde mir von dir helfen lassen. Die Burg soll im alten Glanz auferstehen. Wir werden ein Hotelrestaurant mit Aussichtsterrasse einbauen. Alles wird dann dir und mir gehören.«
Wie meinte sie das? Sie sah ihn mit leuchtenden Augen an. »Schön, sehr schön«, murmelte er, aber sein Blick suchte Flora.
Graf Oliver war ein stiller Beobachter gewesen, jetzt stieß er sich vom Fenster ab. Er fand es an der Zeit einzugreifen. »Stephan, sind Sie bereit, Geld zur Renovierung der Burg zur Verfügung zu stellen?«
»Natürlich! Ich habe dies Angela auch angeboten. Sie wollte davon nur nichts wissen. Sie drohte, mir sogar die Freundschaft aufzukündigen, falls ich noch einmal die Sprache darauf bringen würde.« Er warf der Prinzessin einen unsicheren Blick zu. »Graf Oliver, haben Sie sich inzwischen davon überzeugt, daß es bei der Finanzierung keine Probleme geben würde? Ich kann über genügend Geld verfügen.« Stephan sprach immer hastiger. »Ich möchte Angela helfen. Die Idee mit dem Burghotel finde ich großartig. Ich würde Angela die nötige Summe zur Verfügung stellen. Wenn das Hotelrestaurant dann einmal etwas abwirft, kann sie mir das Geld zurückzahlen. Ich meine, wenn sie nichts geschenkt haben will.« Er wagte nicht, Angela anzusehen, sein Blick huschte wieder zu Flora hin, die noch immer unbeweglich am Tisch saß. Er wußte nur eines, sie wollte er nicht verlieren. Er wollte sie auch nicht gegen eine Burg und gegen eine Prinzessin eintauschen.
Er sah nicht das amüsierte Aufblitzen in Angelas Augen. Als er wieder einmal zu ihr hinsah, schob sie die Unterlippe schmollend nach vorn. »Ich dachte, du und ich… Du weißt, wir haben uns sofort verstanden. Wir fühlen gleich.«
»Das stimmt! Ich hatte das Gefühl, dich schon lange zu kennen. Ich habe deine Nähe gesucht, weil ich mich bei dir wohl fühlte.« Er war nun auch zum Du übergegangen. Nun wußte er jedoch nicht weiter und sah sich hilfesuchend nach Oliver um.
»Ich denke, Stephan hat den Test bestanden. Nun, Flora, jetzt sind Sie an der Reihe.« Oliver nickte seiner Verbündeten zu.
»Wirklich?« Ein zaghaftes Lächeln erschien auf Floras Gesicht. »Oh, Stephan! Ich bin so glücklich!«
Sie sprang auf, und dann lag sie an Stephans Brust. Sie lachte und schluchzte gleichzeitig. »Willst du mich noch? Ich will bei dir sein und nicht irgendwo in der Karibik filmen.«
»Und ob ich das will!« Stephan vergaß den Grafen, vergaß die Prinzessin. Es gab für ihn nur noch Flora. Sie küßten sich innig und voller Leidenschaft. Als er dann langsam in die Wirklichkeit zurückkehrte, merkte er, daß Oliver und Angela es ihnen nachgemacht hatten, sie küßten sich ebenfalls voller Hingabe. Da lachte er.
Später redeten sie zu dritt auf ihn ein, und so dauerte es eine Weile, bis Stephan alles begriff.
Da nahm er Angela in die Arme und küßte sie liebevoll auf den Mund.
»Meine Verwandte«, sagte er gerührt, und die Stimme wollte ihm kaum gehorchen. »Ich habe eine Familie! Ich weiß, woher ich stamme! Nun werden wir dafür sorgen, daß diese Familie nicht ausstirbt.« Er überließ Angela wieder Oliver, um erneut Flora in die Arme zu nehmen.
»Nein! Nein!!!« Roswitha Gräfin von Sternheim bäumte sich auf und krallte die Finger in unbeherrschtem Schmerz in den Arm ihres blaß und erschrocken neben ihr sitzenden Mannes.
»Roswitha…«, flüsterte der Graf und sah sie besorgt und angstvoll an. Als er sich über sie beugte, wandte sie ihm den Kopf zu. Die Wehe klang ab, und je mehr der Schmerz von ihr wich, um so haßerfüllter wurde der Ausdruck ihrer schönen, großen Augen. »Liebling…«, flüsterte Robert Sternheim und strich ihr über das schweißfeuchte Haar.
Das schöne, sogar jetzt noch klassische Gesicht der jungen Gräfin verzerrte sich, sie ließ seinen Arm los und stieß ihn von sich.
»Nie wieder will ich ein Kind! Nie wieder!« zischte sie. »Ihr müßt es ja nicht aushalten! Aber ich bin nun mal keine breithüftige Bäuerin, die ihre Kinder bekommt, wie die Hühner Eier legen!« Sie fühlte, wie die nächste Wehe nahte, auf ihrer blassen Haut zeigten sich rote Flecken, und sie begann zu schreien.
»Kann man denn nichts machen?« Der Graf sah flehend zur Hebamme und dem Arzt hin, die beide stumm neben dem Bett standen. Sie wechselten einen Blick. Dann räusperte sich der Arzt.
»Die Wehen sind noch nicht stark, Graf Sternheim – aber wenn Sie meinen, kann ich ihr etwas spritzen, eine Lumbalanästhesie…«
»Ist das gefährlich?« erkundigte sich Graf Sternheim.
»Mir ist alles egal – wenn nur die Schmerzen aufhören!« schrie Roswitha und bäumte sich wieder auf.
»Frau Gräfin – versuchen Sie, ruhig durchzuatmen!« wollte die Hebamme sie an das erinnern, was sie in der Schwangerschaftsgymnastik gelernt hatte.
»Halten Sie den Mund!« kreischte Roswitha wütend. »Sie spüren es ja nicht!«
»Sie meint es nicht so«, entschuldigte sich Graf Sternheim leise. »Die Schmerzen – sie weiß nicht, was sie sagt.«
Die Hebamme preßte die Lippen aufeinander und gab keine Antwort. So wie die Gräfin sich aufführte, das hatte sie in ihrer langen Praxis noch nie erlebt. Und was man so von ihr hörte, wußte sie recht gut, was sie tat und sagte!
Sie war für ihren Hochmut bekannt, die schöne Gräfin Roswitha Sternheim, die mit zweiundzwanzig Jahren den steinreichen, um vieles älteren Grafen Robert geheiratet hatte. Er hatte sich in ihre hochgewachsene, schlanke Gestalt verliebt, ihren stolzen Gang, ihr herrliches honigblondes Haar und ihre durchsichtig blauen Augen. Er war so blind verliebt, daß er ihren Hochmut für Stolz und ihre Kälte für Zurückhaltung hielt.
Und er war einsam nach dem Unfalltod seiner ersten Frau, mit der er, obgleich die Ehe kinderlos geblieben war, sehr glücklich gelebt hatte. Es hatte lange gedauert, bis er den Schmerz über den Verlust einigermaßen überwunden hatte, und noch länger, bis er sich überwinden konnte, nochmals zu heiraten.
Aber dann traf er auf einem Adelsball die schöne Baroneß Roswitha und war vom ersten Augenblick an von ihr fasziniert. Er fürchtete, zu alt für sie zu sein mit seinen neununddreißig Jahren, aber sie lachte nur: Sie mache sich nichts aus diesen jungen, unfertigen Burschen! sagte sie. Was sie nicht sagte, war, daß ein entsprechendes Vermögen auch einen noch größeren Altersunterschied ausgleichen würde. Sie drängte auf eine baldige Hochzeit – er sollte es sich nicht überlegen können. Und Robert Sternheim, blind und verzückt, heiratete sie gerade zwei Monate nach ihrer ersten Begegnung.
Sehr bald stellte er fest, daß sie mit seiner ersten Frau nichts gemeinsam hatte. Er hoffte, daß es daran lag, daß sie sofort schwanger geworden war.
Außer sich darüber hatte sie ihn beschimpft, daß er ihr