Oliver schlüpfte aus seiner Jacke und hielt sie Angela hin. »Um den Ofen kümmere ich mich. Ich heize ein.«
Ein kleines, amüsiertes Lächeln huschte um die Lippen der Prinzessin. »Du kannst es ja versuchen, aber hast du schon einmal in einem Ofen Feuer gemacht? Es ist ein alter Ofen, es gehört eine gewisse Technik dazu, ihn einzuheizen.«
Oliver wußte, daß sie recht hatte, daher sagte er heftiger als beabsichtigt: »Ich finde es nicht gut, daß du hier alles allein machst. Du mußt dir zumindest ein Hausmädchen nehmen.«
»Wo sollte das denn wohnen? Und was noch wichtiger ist, wovon sollte ich es bezahlen?« Angela konnte nur den Kopf schütteln. »Oliver, wir wollen nicht schon wieder damit anfangen.«
»Du mußt hier heraus! Du kannst einfach nicht länger hier leben!«
Prinzessin Angelas Miene wurde abweisend. »Warum? Findest du es hier etwa nicht gemütlich?«
»Angela, bitte, versteh mich nicht falsch!« Er ging zu ihr, legte ihr die Hand auf die Schulter. »Ich kann es einfach nicht zulassen. Es ist zu gefährlich! Du lebst hier mutterseelenallein.«
»Es ist mein Zuhause!« Sie streckte sich unter seinen Händen, ihr Blick wurde eisig.
Aus Erfahrung wußte er, daß man mit ihr darüber nicht reden konnte. Es war besser, dieses Thema zu vermeiden, wollte er verhindern, daß es wieder zu einem Streit kam. So ließ er sie auch los und ging hinüber in ihr Wohnzimmer, wo er versuchte, ein Feuer in Gang zu bringen. Der Versuch scheiterte kläglich, und er fuhr herum, als er Angela hinter sich lachen hörte.
»Laß gut sein! Solange der Sturm so tobt, hat es auch keinen Sinn. Der Rauch kann nicht abziehen. Komm!« Sie streckte die Hand nach ihm aus und meinte versöhnlich: »Der Tee ist fertig. Er wird dir guttun.«
»Wie du hier nur leben kannst«, brummte Oliver. Er erhob sich, wollte ihre Hand nehmen, stellte jedoch fest, daß er rußig war. Er fluchte.
»Aber, Graf«, spottete Angela, »das ist nicht gerade die feine Art!«
»Mach dich nur lustig! Du wirst so lange hier hausen, bis das ganze Gebäude über dir zusammenfällt.« Er eilte an ihr vorbei, um sich seine Hände am Waschbecken zu reinigen. Schweigend reichte sie ihm ein Handtuch.
»Frierst du?« fragte er, nachdem er sie einen Augenblick betrachtet hatte.
»Ich nicht! Ich bin es gewohnt. Wenn der Ofen erst mal eingeheizt ist, dann ist es hier gleich warm.« Sie ging zum Herd und holte die Teekanne.
»Kann ich dir helfen?« fragte Oliver.
»Die Tassen sind im Schrank, das weißt du ja.«
Oliver, der öfter hier war – leider nicht so oft, wie er wollte, da er durch seinen Beruf sehr viel unterwegs war – ging sofort zum Tisch und deckte ihn. »Du machst aus mir noch einen perfekten Hausmann«, brummte er dabei.
»Das will ich gar nicht!« Sie sagte es mit Nachdruck.
Er ging zu ihr hin, nahm ihr die Teekanne aus der Hand, dabei fragte er, ihr tief in die Augen sehend:
»Was willst du dann?«
Sie erwiderte seinen Blick. »Ich denke über die Zukunft nicht nach. Ich bin froh, daß ich noch hier leben kann, und freue mich, wenn du auf Besuch kommst.«
»Mir ist es ein Rätsel, was du die ganze Zeit treibst.«
»Aber das weißt du doch!« Sie lachte. »Ich versuche zu überleben. Ich habe mir jetzt auch einen Gemüsegarten angelegt. Dieses Jahr werde ich zum ersten Mal Kartoffeln und Karotten aus dem eigenen Garten essen können.«
Er stellte die Teekanne auf den Tisch. »Du scheinst wirklich vergessen zu haben, wer du bist.«
»Du irrst! Das hier ist der Besitz meiner Vorfahren, das hier ist mein Zuhause!« Ruhig griff sie nach der Kanne und begann, die Tassen zu füllen. »Was spielt es denn für eine Rolle, daß ich jetzt nicht nach dem Mädchen klingeln kann? Wichtig ist, daß ich noch hier lebe. Da mache ich mein Brot gern selbst.«
»Du tust mehr«, erinnerte Oliver sie. Er blieb beim Tisch stehen, wartete, bis sie sich gesetzt hatte, dann erst nahm er ihr gegenüber Platz. »Du spielst hier Bäuerin, oder wie soll ich es sonst nennen, wenn du nicht gerade den Garten umgräbst oder die Hühner fütterst, fertigst du Puppen an.«
»Stimmt! Davon lebe ich! Einige Souvenirläden haben meine Puppen und andere Kleinigkeiten im Verkauf. Leider ist es noch immer viel zu wenig, um das Schloß renovieren zu lassen.«
»Schloß! Angela, das ist nur noch eine Burgruine! Das ganze vordere Gebäude müßte neu aufgebaut werden.« Er führte die Tasse an die Lippen und nahm einen Schluck. »Angela, ich mache mir wirklich Sorgen. Du bist oft tagelang allein hier. Es könnte dir weiß Gott was zustoßen, niemand würde es erfahren.« Er stellte die Tasse ab und griff nach ihrer Hand.
»Daran habe ich mich gewöhnt. Ich habe keine Angst. Im Gegenteil, ich fühle mich hier bedeutend wohler als in irgendeiner kleinen Mietwohnung in München.«
»Du könntest zu mir in mein Appartement ziehen.« Oliver senkte den Blick, aber er drückte ihre Hand so fest, daß es sie schmerzte. Er machte ihr diesen Vorschlag nicht zum ersten Mal, doch auch jetzt lehnte sie entschieden ab. »Was sollte ich dort? Herumsitzen und auf dich warten? Nein, hier habe ich alles, was ich brauche. Es reicht, um meine Bedürfnisse zu befriedigen.« Sie entzog ihm ihre Hand. »Mach nicht so ein Gesicht!« bat sie. »Du kennst meine Einstellung.« Sie hob den Kopf und lauschte. »Ich glaube, es hat aufgehört zu regnen. Wenn wir gegessen haben, muß ich nachsehen, welchen Schaden das Unwetter angerichtet hat. Die Bretter am Hühnerstall sind ziemlich morsch. Hoffentlich hat es nicht eine Latte losgerissen.«
Oliver wollte etwas sagen, er schluckte es jedoch hinunter. Er würde nicht lange bleiben können. Diese wenigen Stunden, die er in ihrer Gesellschaft verbringen konnte, wollte er so harmonisch wie möglich verleben.
Es war, als habe sie seine Gedanken gelesen, denn unvermittelt fragte sie: »Wie lange kannst du bleiben?«
»Ich muß noch am Abend zurück nach München. Morgen früh fliegen wir nach Hongkong. Ich werde über eine Woche unterwegs sein.«
Sie war enttäuscht, versuchte jedoch, es nicht zu zeigen. »Dann laß dir meine Leberwurstbrote schmecken. Wenn du wieder im Land bist, dann kannst du mich ja einmal zum Essen einladen.«
»Nach München willst du nicht kommen?«
Sie schüttelte den Kopf. Er wußte, daß es keinen Sinn hatte, sie überreden zu wollen. Allerdings fragte er sich, ob sie Angst davor hatte, Bekannten zu begegnen. Die einzige Stadt, die sie hin und wieder aufsuchte, war Passau. Hier machte sie ihre wenigen Einkäufe.
Prinzessin Angela begleitete Graf Oliver zu seinem Wagen. Er hatte in der Nähe des ehemals runden, großen Turms geparkt, der bereits so baufällig war, daß der Eingang mit Brettern vernagelt worden war. Angela hatte sich bei ihm eingehängt. »Schön, daß du vorbeigekommen bist«, sagte sie.
»Ich wäre gern länger geblieben.« Er nahm sie in die Arme. »Angela, es wäre alles einfacher, wenn du von hier wegziehen würdest.«
Rasch schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und küßte ihn.
Voller Leidenschaft erwiderte er ihren Kuß, dann nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände. »Liebes, ich mache mir Sorgen.«
Unwillig runzelte sich ihre Stirn.
Er fuhr jedoch fort: »Wenn du schon nicht an dich denkst, dann denke wenigstens an mich, Ich muß dich jetzt hier zurücklassen.«
»Oliver, ich bin doch kein kleines Mädchen mehr.«
»Ich weiß! Du bist eine achtundzwanzigjährige Frau und hast deinen eigenen Kopf. Wenn du schon unbedingt allein leben mußt, dann tue es nicht in