Was das Raketenprogramm betrifft, sollte es nicht Teil des JCPOA werden. Wenn der Iran befürchtet, dass er nochmals schutzlos von seinen Nachbarn angegriffen werden könnte, müsste er sich aber zu regionalen Rüstungskontrollverhandlungen bereit erklären. Diese würden Anzahl und Reichweite der Raketen der Staaten der Region einbeziehen. Das betrifft auch die Raketen Saudi-Arabiens, die bereits eine längere Reichweite haben als diejenigen des Iran.47 Auch Israel sollte in den Dialog einbezogen werden. Schon 1992–1994 fanden Sicherheits- und Rüstungskontrollgespräche mit einer Reihe von Staaten des Mittleren Ostens, einschließlich Israel, statt. Sie scheiterten aber wegen des ägyptisch-israelischen Konfliktes über die nuklearfreie Zone im Mittleren Osten.48 Derartige Rüstungskontrollgespräche könnten durchaus im Rahmen des vom iranischen Außenminister 2018–2019 mehrmals vorgeschlagenen Dialoges über einen regionalen Nichtangriffspakt stattfinden. Von diesen Rüstungskontrollgesprächen bliebe das JCPOA unberührt; es müsste nicht mit Zusätzen versehen werden. Nuklearwaffenfreie Zonen und Rüstungskontrolle sind letztlich die besseren Lösungen als Nuklearwaffen und Krieg.
Vorbild kann die KSZE49-Schlussakte von Helsinki aus dem Jahr 1975 sein. In diesem Dokument, das am Höhepunkt des Kalten Krieges von den europäischen Staaten und den USA sowie Kanada angenommen wurde, werden keine Feinde oder Gegner identifiziert, sondern die gemeinsame Sicherheit und die Förderung von wirtschaftlicher Zusammenarbeit gefordert; Grenzveränderungen sollte es nur mit Konsens geben.
29 Die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates Frankreich, Großbritannien, Russland, China und die USA sowie Deutschland.
30 Der US-Präsident spricht von 110 Mrd. US-Dollar; tatsächlich soll es aber weit niedriger liegen.
31 U.S. Embassy Teheran, William Sullivan, Telegram to State Department, »Looking Ahead: The Military Option«, Secret, November 2, 1978, National Security Archive (published, Nov 4, 2019).
32 Declassified diplomacy: Washington’s hesitant plans for a military coup in pre-revolution Iran, The Guardian, February 11, 2015.
33 Zbigniew Brezinski memo to President Carter, »NSC Weekly Report, No 122«, Top Secret, December 21, 1979 (with Carter’s handwritten notes), National Security Archive (published, Nov 4, 2019).
34 Daniel Benjamin and Steven Simon, The 40-Year Obsession With Iran, Foreign Affairs, October 15, 2019.
35 Robert Gaines and Scott Horton, Why Attacking Iran Is an Insane Idea, The National Interest, July 6, 2019.
36 John R. Bolton, How to Get Out of the Iran Nuclear Deal, National Review, August 28, 2017.
37 Office of the Secretary of Defense, Nuclear Posture Review, February 2018; https://media.defense.gov/2018/Feb/02/2001872886/-1/-1/1/2018-NUCLEAR-POSTURE-REVIEW-FINAL-REPORT.PDF
38 https://www.globalfirepower.com/countries-listing.asp#additionalNotes
39 Gary Sick, Iran’s Quest for Superpower Status, Foreign Affairs, Spring 1987, 697-715, hier 697.
40 https://www.indexmundi.com/g/r.aspx?t=20&v=65
41 Besuch des Autors im Iran im August 2019.
42 Europäische Wirtschaftstreibende können auch verhaftet werden, wenn die US-Behörden entscheiden, dass US-Sanktionen verletzt werden. Das »Blocking Statute« der EU von 1996 verhindert, dass sie innerhalb der EU festgenommen werden können. Die EU anerkennt die Anwendung von Gesetzen dritter Parteien nicht auf EU-Territorium.
43 Ironischerweise treiben etwa 40 US-Großunternehmen trotz Sanktionen direkt oder durch Zwischenhändler Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran. Darunter sind Apple, HP-Compaq, DELL Technologies, Philips Electronics North America Corporation, Johnson & Johnson, Colgate-Palmolive, Gillette Group, Pepsi Co., The Coca Cola Company, Duracell Inc., Energizer Inc., Kellogg, Philip Morris International und British American Tobacco (die größten Zigarettenanbieter am iranischen Markt).
44 Steven Erlanger, Europe gambles it can save nuclear deal with threat to kill it, New York Times, January 17, 2020.
45 Der Vertrag von Semipalatinsk ist ein internationaler Vertrag, der das Testen, das Stationieren, den Besitz sowie die Herstellung von Kernwaffen in Zentralasien verbietet. Er wurde am 8. September 2006 von Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan im kasachischen Semei (früher Semipalatinsk) unterzeichnet. Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Semei.
46 Der Vertrag von Pelindaba ist ein internationaler Vertrag, der das Testen, das Stationieren, den Besitz sowie die Herstellung von Kernwaffen in Afrika verbietet. Er wurde am 11. April 1996 von den ersten Staaten in Südafrika in unterzeichnet. Der Vertrag trat am 15. Juli 2009 in Kraft. Er wurde von allen Mitgliedern der Afrikanischen Union, mit Ausnahme des erst seit 2011 unabhängigen Südsudan, unterzeichnet (insgesamt 54 Staaten) und ist bis Juni 2017 von 40 Staaten ratifiziert worden. Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Pelindaba.
47 Pieter d. Wezeman/Alexandra Kuimova, Military Spending and Arms Imports By Iran, Saudi Arabia, Qatar And The UAE, SIPRI-Fact Sheet, May 2019.
48 Tytti Erästö, “Dissecting International Concerns about Iran’s Missiles,” SIPRI, November 15, 2018.
49 Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.
Markus Schauta
Saudi-Arabien als Großmacht
Als im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings 2011 Millionen Menschen auf die Straße gingen und gegen ihre Langzeitherrscher demonstrierten, war das ein Alarmzeichen für Saudi-Arabien. Im Jänner wurde Tunesiens Präsident Zine El Abidine Ben Ali aus dem Land gejagt. Im Februar musste der ägyptische Präsident Hosni Mubarak abtreten. Ben Ali und Mubarak verkörperten für