LebensAder. Bernd Steckmeier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernd Steckmeier
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783868675191
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und allgemeinen Vorteil handeln. Ein Beispiel ist der Klimawandel, der zurzeit in aller Munde ist. Verzicht auf CO2-Ausstoß (weniger Flugreisen, Autofahren etc.) ist Einschränkung für den Einzelnen, kann aber beitragen zum Überleben des Menschen und der Welt, so wie wir sie kennen. Der Einzelne vermag weniger zu leisten, als ein Team. Interdisziplinäres Wissen zunutze machen führt meist auch zum Vorteil für den Einzelnen. Ein Beispiel ist der Patient. Wird er von mehreren Ärzten aus verschiedenen Fachgebieten („interdisziplinär“) beraten und werden Therapien nicht nur durch Einzelmeinungen entschieden, profitiert seine Gesundheit und sichert manchmal sogar sein Überleben. Soll man operieren, oder vielleicht doch besser nicht, und wenn, mit welcher Methode ?

      „Das ist der Weisheit letzter Schluss:/ nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,/ Der täglich sie erobern muss.“ (Johann Wolfgang von Goethe)

      Gibt es Altersweisheit überhaupt ? Das Ansammeln von Jahren allein wie ein hochbetagter Greis macht für sich noch nicht weise. Was ist es dann, was die Welt (noch) zusammenhält ? Wird man weise, wenn die ersten „Hitzewallungen“ und die „midlife-crisis“ überstanden sind ? Sicher gilt Weisheit allgemein als Lebensziel. Was gehört also dazu ? Es sind zunächst zwei Formen von Intelligenz, die wir nur allmählich erwerben können. Zum einen das Faktenwissen, also Allgemeinwissen, Schulbildung, Vokabelwissen, Menschenkenntnis, glückliche und leidvolle Erfahrungen („kristalline Intelligenz“; eine Intelligenzform, die im Gehirn als Tatsachenwissen festgeschrieben ist) und zum zweiten jene Intelligenzform, die mehr geprägt ist durch die Fähigkeit, geschickt zu kombinieren, logisch zu denken und Probleme zu lösen („fluide Intelligenz“).

      Bei der Jagd nach Jugend – viele gehören in unserer Gesellschaft mit 50 Jahren schon zum Auslaufmodell – vergessen wir, dass ältere Mitarbeiter auf einen reichhaltigen Erfahrungsschatz zurückgreifen und einen wertvollen Beitrag für ein Unternehmen leisten können. Die „fluide Intelligenz“, also die Fähigkeit des Lernens und Denkens als Ausdruck der geistigen Flexibilität, die Geschwindigkeit und Genauigkeit der Informationsverarbeitung, nimmt zwar im Alter nicht mehr zu und erreicht schon früh einen Punkt der Sättigung. Die „kristalline Intelligenz“ hingegen, also die Fähigkeit komplexe Aufgaben zu lösen, die emotionale Intelligenz (Ursachen von Gefühlen wie Liebe, Hass, Neid etc. zu verstehen und damit emotionale Konflikte vermeiden) und die Sprachfähigkeit, Fachwissen und soziale Kompetenz, zeigen einen exponentiellen Anstieg mit den Jahren. Ältere können häufig bessere Lösungen finden, indem sie diese mit gespeicherten und bewährten Erfahrungen und Mustern („kristalline Intelligenz“) vergleichen, während der „Jungspund“ zum Schnellschuss neigt und Lösungen nur Schritt für Schritt parat hat.

      Was ist Weisheit ? Der „Weisheitsforscher“ Paul B. Baltes (1939–2006; „Berliner Altersstudie“), Mediziner und Psychologe und einer der führenden Gerontologen weltweit, hat die fünf grundlegenden Säulen der Weisheit definiert: Es sind die Eigenschaften und Fähigkeiten wie praktisches Wissen und Faktenkenntnis (keine „fake news“), Denken in größeren Zusammenhängen („Kontext“), Duldsamkeit („Toleranz“) gegenüber anderen Meinungen und Werten sowie der Umgang mit Unsicherheit wie z. B. Existenzbedrohung. Im „Berliner Weisheitsmodell“ hat man herausgefunden, dass Weisheit nicht unbedingt ein Privileg des Alters ist. Bloß alt werden heißt nicht klug und weise zu werden.

      Michael Linden (* 1948), deutscher Arzt und Psychologe von der Charité, spricht sogar von der „posttraumatischen Verbitterungsstörung“, ein Trauma z. B. in der beruflichen Entwicklung, wenn einem eine aussichtsreiche Stelle oder Stellung verwehrt und ein anderer vorgezogen wurde, eine Scheidung oder Erbstreitigkeiten im engsten Familienreis. Scheinbare Ungerechtigkeiten, an denen man immer nagt und die man niemals vergisst. Den Gram über verpasste Gelegenheiten oder schmetternde Niederlagen zu überwinden und trotzdem ein Lächeln zu zaubern auf seine Lippen – das ist Weisheit für mich. Der Weg zur Weisheit ist steinig und der Weg zur Wahrheit mit Irrtümern gepflastert. Wer sein Schicksal akzeptiert, nimmt dem Übel die Kraft. Denken wir daran, wenn wir älter werden. Weisheit besteht aus einem Bündel von Eigenschaften. Wir müssen die Fähigkeit, Weisheit zu erlangen, nur trainieren und kultivieren. Wir sollten versuchen, trotz mancher Rückschläge und körperlicher Beeinträchtigungen, unser Leben so einzurichten, dass es für uns Sinn macht und uns ein positives Selbstgefühl verleiht. Alter ist kein Garantieschein für Lebensweisheit. Ein Weisheitsrezept für alle gibt es nicht. Jeder sollte zu seiner eigenen Weisheit gelangen und versuchen trotz Lebenskrisen, durch die man gehen muss, zu guten Lösungen kommen. Mag uns der große Afrikaner, Nelson Mandela, ein Vorbild sein. Zählen nicht auch ältere Dirigenten oder Komponisten zu den besten ?

      Lebensweg wird am Ende häufig auch zum Leidensweg. Denken wir daran und nutzen die Zeit nach dem Motto vieler Gerontologen: „Füge den Jahren mehr Leben hinzu, und nicht mehr Jahre dem Leben.“

      Übrigens, ein Trost für alle Jüngeren unter uns Weisen: Was zur Weisheit gehört, kann schon mit dem Erreichen des 25. Lebensjahres abgeschlossen sein (Paul Baltes; s. o.).

      Überhaupt haben die alten Etrusker die Leber und nicht das Herz, das Hirn oder gar den Bauch als Sitz des Lebens gesehen.

      „TUSKER“ = Bewohner der Toskana, 8.–7. Jh. v. Chr. bis zur Zeitenwende.

      Schließlich ist die Leber des ungeborenen Kindes die erste Station, in welcher über die Nabelschnur ein Teil des fetalen Blutes fließt, bevor es über Umwege das Herz erreicht. Vor der Geburt ist die Leber so groß, dass es alle anderen Organe im Unterleib überdeckt. Und dazu ist dieses Organ noch von dunkelroter Farbe. Das viel kleinere Herz blieb lange unbeachtet.

      Der Atem war bei den Babyloniern ein aus der Leber aufsteigender Rauch.

      BABYLONIEN: Landschaft am Unterlauf der Flüsse Euphrat und Tigris; Hammurabi war der König der ersten Dynastie, 1792–1750 v. Chr.

      Der Rauch aus der Leber entströmte in ihrer Vorstellung der Kehle, als sei es das rauchende („dampfende“) Blut eines Opfers. Anatomisch weit davon entfernt, ist die Kehle des Menschen im babylonischen übertragenen Sinne dennoch ein Teil der Leber und mit Leben, Sterben und Seele identisch. Kein Wunder, da die Kehle die Stelle des Lebens ist, wo man den Menschen durch „Abschneiden“ der Luftröhre am leichtesten verwundet. Eine Praktik der unvorstellbaren Grausamkeit – auch in unserer Zeit.

      Auch in der Vorstellung der alten Griechen entströmte der rauchende Atem der Leber. Freude und Zorn sind noch heute Extreme, die verrauchen. Die Leber war ein Spiegelbild der Gefühle und des Gemüts. Noch heute läuft einem einiges über die Leber, sogar eine Laus. Die Leber war der Sitz des Lebens. In ihr kamen Liebe, Zorn, Eifersucht, Geiz und Hass zum Ausdruck. Auch Hippokrates betrachtete die Leber als den eigentlichen Sitz des Blutes. Blut, Leben, Seele und Leber waren ein Begriff. Das Herz kam darin gar nicht vor. Die Leber war das Zentrum des Lebens und noch viel mehr. Aus Form und Beschaffenheit der Leber wurde sogar die Zukunft vorausgesagt.

      Die Bronzeleber aus Piacenta (Stadt in der Region Emilia-Romagna, Italien) diente den etruskischen Priestern als Orakel und Menetekel für die Zukunft.

      Und nicht nur dort in der heutigen Toskana. Noch bis vor Kurzem wurde auch in Borneo die Leberschau praktiziert. Aus der Beschaffenheit der Leber eines geschlachteten Schweins sah man die Zukunft voraus. Schließlich wollte man wissen, ob der Krieg gewonnen oder der Kranke geheilt wird.

      Ganz verschweigen wollen wir das Herz als Zentrum des Lebens nicht. Bei den Azteken galt das Herz als Lebensspender und Regent über alles.

      AZTEKE, jemand der aus Aztlán stammt, Heimat der Azteken 14–16. Jh. n. Chr.; sind von dort in die Region Mexiko gewandert.

      Sie machten keinen Unterschied zwischen Herz und Verstand. Herz bedeutete in der Sprache der Azteken so viel wie das Leben. Das Organ besaß ein göttliches Potential. Die Azteken opferten Zehntausende Menschenherzen, um die Götter zu befrieden. Die Schädelwand in Mexiko-Stadt ist noch heute ein grausames Symbol der Orgien mit Menschenblut. Den Opfern wurde bei lebendigem Leib das